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Begegnungsstätte am ehemaligen Frauen-KZ

berlin­er morgenpost:

Begeg­nungsstätte am ehe­ma­li­gen Frauen-KZ 

hajo Ravens­brück — Für Wan­da Poltawska aus Polen erfüllte sich gestern ein Herzenswun­sch. Sie über­gab den sym­bol­is­chen gold­e­nen Schlüs­sel für die neue Jugend­her­berge und Begeg­nungsstätte Ravens­brück an die Her­bergsmut­ter Yvonne Nägel. Die Polin gehörte bis zur Befreiung des Frauen-KZ Ravens­brück zu den medi­zinis­chen «Ver­such­skan­inchen» von SS-Ärzten. Als 23-Jährige hat­te sie sich angesichts der Auf­se­herin­nen­häuser vor dem KZ gewün­scht, dass dort eine Begeg­nungsstätte für Jugendliche ein­gerichtet wer­den möge. 

6,5 Mil­lio­nen Euro, so Thomas Hess, Lan­desver­bandsvor­sitzen­der der Jugend­her­ber­gen von Berlin und Bran­den­burg, haben die EU, der Bund und das Land Bran­den­burg dafür ausgegeben. 

Stef­fen Reiche, Bil­dungsmin­is­ter in Bran­den­burg, sagte: «Neues Leben und ein ander­er Geist ziehen jet­zt in die SS-Häuser ein. Der Ort des Ungeistes wird zur Stätte der Begeg­nung, der Ver­ständi­gung, der Ver­söh­nung und der Fre­und­schaft. Berichte der über­leben­den Häftlings­frauen wer­den ihn zum Sprechen bringen.» 

Anette Cha­lut, Präsi­dentin des inter­na­tionalen Ravens­brück­komi­tees, mah­nte in Erin­nerung an die vie­len KZ-Toten, wach­sam zu sein gegen Ras­sis­mus und Gewalt. 

berlin­er zeitung:

Der Wun­sch der Frauen aus Ravensbrück 

Am früheren Konzen­tra­tionslager bei Fürsten­berg öffnete eine Lern­stätte für Jugendliche 

RAVENSBRÜCK. Wan­da Póltawska wollte nicht mehr schlafen. Das lag nicht an man­gel­nder Müdigkeit, denn Wan­da war unendlich müde. Doch sie wollte nicht mehr schlafen, weil sie immer­fort träumte — von Ravens­brück. Immer, wenn sie die Augen schloss, standen ihr Szenen vor Augen, die sie nicht loswurde. Es waren unvorstell­bar grausame Szenen aus dem nation­al­sozial­is­tis­chen Frauen-Konzen­tra­tionslager Ravens­brück. Von 1941 bis 1945 war Wan­da dort inhaftiert, zusam­men mit vie­len tausend Frauen aus mehr als vierzig Län­dern: Wider­ständ­lerin­nen, Jüdin­nen, Sin­ti und Roma, Zeug­in­nen Jeho­vas, Pros­ti­tu­ierte. Wan­da Póltawska spricht auch heute nicht davon, was ihr in Ravens­brück ange­tan wurde. Sie hat vielmehr ein Buch darüber geschrieben, um ihre Träume zu besiegen. Sie und mehr als 70 weit­ere Polin­nen wur­den von SS-Ärzten für medi­zinis­che Ver­suche miss­braucht. Man schnitt ihnen die Beine auf und exper­i­men­tierte mit den Wunden.
Lang gehegter Wunsch 

An diesem Mittwoch ist Wan­da zurück­gekehrt nach Ravens­brück, zur heuti­gen Mahn- und Gedenkstätte. Wan­da ist jet­zt eine alte Frau, 80 Jahre, mit vie­len feinen Fal­ten im Gesicht und einem Lächeln, das eine gütige Strenge an sich hat. Sie und viele ihrer dama­li­gen Mithäftlinge sind zur Eröff­nung der “Inter­na­tionalen Jugend­begeg­nungsstätte” samt Jugend­her­berge gekom­men. Junge Leute sollen sich hier über das KZ und seine Geschichte infomieren kön­nen. Wan­da Póltawska und die anderen Frauen sagen, dass für sie damit ein großer Wun­sch in Erfül­lung geht. 

Es ist dur­chaus ein schwieriger Ort zum Ler­nen. Her­berge, Muse­um und Sem­i­nar­räume verteilen sich auf acht Gebäude in unmit­tel­bar­er Nähe zum Lagergelände. Es sind die alten Wohn­häuser der KZ-Auf­se­herin­nen, denkmal­gerecht saniert im trutzig-ländlichen Heimat­stil der Nazis mit Rauputz, Fen­ster­lä­den und dick­en Holzbalken. Hier lebten die von der SS teils per Annonce ange­wor­be­nen Frauen, die zu Erfül­lungs­ge­hil­finnen bei Mord, Aus­beu­tung, Mis­shand­lung und Folter im Lager wur­den. In den Jahren ab 1939 waren in Ravens­brück mehr als 130 000 Frauen, Mäd­chen, Kinder und 20 000 Män­ner inhaftiert. Zehn­tausende von ihnen star­ben. Es gelte, an diesem Ort die “richtige Bal­ance zwis­chen Bil­dung und Freizeit” zu hal­ten, sagt Gün­ter Morsch, Direk­tor der bran­den­bur­gis­chen Gedenkstätten-Stiftung. 

Die Bil­dungsar­beit wird vor allem in zwei der sanierten Häuser stat­tfind­en: Zum einen in einem Muse­um, das sog­ar im Inneren wieder so aussieht wie vor 1945 und wo die Geschichte des SS-Per­son­als doku­men­tiert wer­den soll. Zum anderen in einem “Haus der Begeg­nung”, wo Räume, Geräte und Mate­r­i­al auch für mehrtägige Pro­jek­tar­beit zur Ver­fü­gung ste­hen. Darunter sind ein­führende Filme über das Frauen-KZ eben­so wie rund hun­dert lebens­geschichtliche Inter­views mit ehe­ma­li­gen “Ravens­brück­erin­nen”. Die kün­ftige Ausstatt­tung mit mod­er­nen Medi­en wird von Siemens unter­stützt. Die Fir­ma hat­te ab 1942 direkt am Lager große Pro­duk­tion­shallen erricht­en lassen, in denen die inhaftierten Frauen Zwangsar­beit leisteten. 

Die Begeg­nungsstätte Ravens­brück solle zu einem “Zen­trum mod­ern­er Gedenkstät­ten­päd­a­gogik” wer­den, sagt Stiftungschef Morsch. Den Aus­bau finanziert haben Bund, Land und das Deutsche Jugend­her­bergswerk mit etwa 6,5 Mil­lio­nen Euro. Und schon in den näch­sten Wochen wer­den die ersten Nutzer erwartet: Schulk­lassen und Stu­den­ten aus Eng­land etwa und 60 Lehrer aus Schweden. 

Als Wan­da Póltawska und die anderen Frauen im Früh­jahr 1945 spürten, dass der Krieg bald zu Ende gehen würde, schöpften sie auf ein­mal Hoff­nung. “Wir haben damals ein Tes­ta­ment geschrieben”, sagt sie. Dort war der Wun­sch for­muliert, dass eine kün­ftige deutsche Regierung eine Schule für junge Men­schen bauen sollte. Ein Ort, an dem über das Leid der Frauen erzählt würde, damit es sich nicht wieder­holen könne. 72 der pol­nis­chen Frauen haben dieses Tes­ta­ment damals unter­schrieben, sagt Wan­da Póltawska, “obwohl wir uns kurz zuvor schon in der Gaskam­mer gese­hen hatten”. 

Die Polin­nen, die für die SS-Ver­suche miss­braucht wur­den, hießen im Lager nur “Kan­inchen”, abgeleit­et von deutschen Wort “Ver­such­skan­inchen”. Als sie wieder Hoff­nung schöpften, nan­nten sie sich anders, näm­lich “König­in­nen”.

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