berliner morgenpost:
Hohe Haftstrafen für Obdachlosen-Mord
Richter nennt Angeklagte emotional verkommen und verelendet
afp Potsdam — Wegen des brutalen Mordes an einem Obdachlosen hat das Landgericht Potsdam am Mittwoch fünf junge Männer zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die beiden 21 und 22 Jahre alten Hauptangeklagten müssen für 13 Jahre in Haft, zwei weitere Mitangeklagte erhielten Jugendstrafen von sieben und acht Jahren. Ein fünfter Angeklagter wurde wegen geringerer Tatbeteiligung zu fünf Jahren Jugendhaft wegen Totschlags verurteilt. Die jungen Männer hatten ihr 61-jähriges Opfer im August 2001 in Dahlewitz bei Berlin derart misshandelt, dass er an seinem Blut erstickte.
Der Vorsitzende Richter sagte in der Urteilsbegründung, der Obdachlose habe sterben müssen, weil eine «emotional verkommene und verelendete Jugendclique Frust abbauen und Spaß haben wollte». Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich um ein politisch motiviertes «brutales Tatgeschehen». Mit dem Urteil folgte die Jugendstrafkammer weitgehend den Anträgen der Anklage. Die Verteidiger hatten ein mildes Strafmaß sowie eine zweite Chance gefordert und auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert. Der Prozess gegen die zwischen 17 und 22 Jahre alten Männer hatte im Februar begonnen.
Die Angeklagten hatten gestanden, ihr wehrloses Opfer brutal geschlagen und getreten zu haben. Der Beweisaufnahme zufolge war der Obdachlose, der in Dahlewitz, gleich hinter der Stadtgrenze nahe dem Berliner Bezirk Tempelhof, mit Duldung der Gemeinde in einem Bungalow lebte, unter großen Schmerzen misshandelt worden. Der 61-Jährige war schließlich an seinem Blut erstickt, nachdem ihn die Täter hilflos zurückgelassen hatten. Als Motiv hatte die Täter in einer früheren Vernehmung angegeben, sie haben den Obdachlosen dort einfach weghaben wollen. Er habe dort nicht hingehört.
Dem Überfall war erheblicher Alkoholgenuss der Angeklagten vorausgegangen. Die Staatsanwaltschaft betonte in ihrem Plädoyer, die fünf Männer seien losgezogen, um «Penner» zu verprügeln. Aus Verzweiflung über ihre eigene Lebensperspektive hätten sie die Tat geplant und sich ein Opfer ausgesucht, das sozial noch schwächer gewesen sei als sie selbst.
Der Vorsitzende Richer betonte in seiner Urteilsbegründung, Taten wie diese würden sich wohl leider wiederholen, wenn sich die Einstellung in den Köpfen junger Menschen in Brandenburg gegenüber sozial Schwächeren nicht ändere. Auslöser für die Tat sei gewesen, dass das als «Penner» und «Suffi» verrufene Opfer den in der Nachbarschaft wohnenden Rädelsführer der Clique störte und schon lange «ein Dorn im Auge» war.
Obgleich der Haupttäter selbst bereits in jungen Jahren zu Alkoholmissbrauch geneigt habe und mit seinem eigenen Leben nicht zurechtgekommen sei, habe er eine tiefe Abneigung gegenüber Alkoholikern empfunden. Nur in seinem Fall war das Gericht unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe geblieben, da verminderte Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Die jungenhaft und schmächtig wirkenden Angeklagten nahmen das Urteil ohne jede sichtbare Regung auf.
berliner zeitung:
Hohe Strafen im Prozess um Mord an Obdachlosem
Die zwei Haupttäter müssen für 13 Jahre ins Gefängnis
POTSDAM. Dieter Manzke wurde nur 61 Jahre alt. Der obdachlose Mann aus Dahlewitz (Teltow-Fläming) starb im vergangenen August als Opfer “einer ganz fürchterlichen Gewaltorgie”. Das sagte am Mittwoch der Vorsitzende Richter Klaus Przybilla vor dem Landgericht in Potsdam. Für den Mord verurteilte er die beiden 21 und 22 Jahre alten Haupttäter zu jeweils 13 Jahren Gefängnis. Zwei weitere junge Männer im Alter von 19 und 21 Jahren erhielten wegen Mordes eine Jugendstrafe von acht und sieben Jahren. Einen 17-Jährigen sprach der Richter des Totschlags schuldig. Der Gymnasiast muss für fünf Jahre hinter Gitter. Bei einem der Haupttäter blieb der Richter unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslangen Haftstrafe. Das Gericht habe wegen der Persönlichkeitsdefizite nicht von der uneingeschränkten Schuldfähigkeit der Angeklagten ausgehen können.
Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, Dieter Manzke habe sterben müssen, weil die Täter “Frust abbauen und ihren Spaß haben wollten”. Die Angeklagten hatten in ihren Geständnissen angegeben, der “Penner” und “Suffi” habe sie gestört. “Dieter Manzke wurde Opfer einer verkommenen und verelendeten Jugendclique”, sagte Przybilla. Einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat sah der Richter nicht. Jedoch sei sie politisch motiviert gewesen, weil sie sich gegen den “gesellschaftlichen Status eines Menschen” gerichtet habe.
Noch einmal zeichnete der Richter in seiner mehr als einstündigen Urteilsbegründung den Leidensweg des Obdachlosen auf. Dieter Manzke wurde 1998 Witwer. Er fing an zu trinken, verlor seine Wohnung. Danach lebte er mit Billigung der Gemeinde in einem Bungalow in Dahlewitz. Kurz vor seinem qualvollen Tod habe sich Manzke noch einmal an den Bürgermeister mit der Bitte gewandt, in eine kleine Wohnung ziehen zu können, sagte Przybilla. Der Bürgermeister habe Hilfe versprochen.
Erstickt am eigenen Blut
Doch dann kam jener 8. August. Die Angeklagten hätten sich an diesem Tag getroffen und reichlich Bier getrunken. Danach kam der 21-jährige Rädelsführer, ein einstiger Nachbar Manzkes, auf die Idee, den obdachlosen Mann aus dem Bungalow zu vertreiben — mit Tritten und Schlägen. Manzke hat die Misshandlungen höchstens noch zwei Stunden überlebt. Dann erstickte er an seinem eigenen Blut.
“Die geringe Chance, doch noch zu überleben, haben die Angeklagten dadurch zunichte gemacht, dass sie den Schwerverletzten versteckt haben”, sagte Przybilla. So habe der Mann niemals rechtzeitig gefunden werden können. “Damit haben sie dokumentiert, dass sie mit dem Tod ihres Opfers gerechnet haben.” Przybilla unterstrich den Mordvorwurf, auch wenn die Täter ihr Opfer nicht töten wollten. Den fünf Angeklagten sei jedoch bewusst gewesen, dass Manzke die Tritte und Schläge nicht überleben würde. Sie hätten den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen. Nach Przybillas Auffassung war der Mord auch das Resultat einer Gruppendynamik. “Keiner der Angeklagten hätte die Tat allein ausgeführt.”
Przybilla wagte, wie er sagte, die schreckliche Prognose, dass es nicht der letzte derartige Fall sein werde, mit dem sich die Gerichte befassen müssten. “Die Einstellung der Jugend gegen sozial Schwache ändert sich nicht.” Trotzdem hoffe er, dass dieser Spuk bald ein Ende haben werde. Den Angeklagten gab er zum Schluss mit auf den Weg: “Leben und leben lassen, darüber sollten Sie in Zukunft einmal nachdenken.”