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Hohe Haftstrafen für die Mörder von Dieter Manzke

POTSDAM Es ist eigentlich nicht wichtig nach all dem, was Dieter Manzke ange­tan wurde vor seinem Bun­ga­low in Dahle­witz an jen­em 8. August 2001, kurz vor Mit­ter­nacht, in den let­zten Minuten seines Lebens, als sein Gesicht mit Fäusten und Stiefeln so “zer­matscht” wurde, dass auch die Gerichtsmedi­zin­er zwei Tage später, als man ihn fand, nicht fest­stellen kon­nten, ob darin eine bren­nende Zigarette aus­ge­drückt wor­den war. Richter Klaus Przy­bil­la sagt es den­noch, das Unwichtige, als wäre in diesem Fall immer auch alles Unwichtige wichtig, um Dieter Manzke — Przy­bil­la sagt immer “Dieter Manzke” — eine let­zte Würde zukom­men zu lassen nach der “fürchter­lichen Gewal­torgie” jen­er Nacht. Es war, sagt er, “ein Mittwoch”. 

 

Dirk Baganz, der den 45 Kilo­gramm schw­eren, 61-jähri­gen Obdachlosen “Tut das weh?” gefragt hat­te, als er ihm den Fin­ger in das geschwol­lene linke Auge drück­te, blickt Richter Przy­bil­la wie ver­stein­ert an, länger als eine Stunde, während der gesamten Urteils­be­grün­dung gestern in Saal 015 des Pots­damer Landgerichts. Der 22-jährige, der nie aggres­siv war vor jen­em Mittwoch, sei nach der Tat “suizidge­fährdet und hochgr­a­dig deprim­iert”, betont Przy­bil­la. Wohl auch wegen der tief emp­fun­de­nen Reue, lässt der Vor­sitzende Richter der Jugend­kam­mer am Pots­damer Landgericht durch­blick­en, sei Baganz zwar wegen Mordes, jedoch nicht zu lebenslanger Haft verurteilt wor­den. 13 Jahre muss er ins Gefäng­nis — wie der 21-jährige “Haupt­täter” Dirk Relitz. Eine “schwere seel­is­che Abar­tigkeit” und eine “tiefe Per­sön­lichkeitsstörung” nahe an der Psy­chose hat­te der psy­chi­a­trische Gutachter, Alexan­der Böh­le, dem jun­gen Mann mit dem starken Hang zur Aggres­siv­ität attestiert. Das wirkt sich nun strafmildernd für Relitz aus. 

 

Zwei weit­ere der drei Mit­täter, der 19-jährige Ron­ny R. sowie der 21-jährige Ralf W., wur­den wegen des Mordes an Dieter Manzke zu acht und sieben Jahren Haft verurteilt. Ein­er höheren Strafe ent­gin­gen sie nur deshalb, weil auf sie das Jugend­strafrecht ange­wandt wurde, das die Höch­st­strafe auf zehn Jahre begren­zt. “Gestörte Per­sön­lichkeit­en” sind auch sie nach dem Gutacht­en des Psy­chi­aters. Ralf W.s “intellek­tuelle Ausstat­tung” sei zudem “unter­halb des Norm­bere­ichs”, umschrieb Przy­bil­la höflich eine Nähe zu Demenz. 

 

Der jüng­ste der fünf Täter, der 17-jährige Uwe R., wurde als einziger nicht wegen Mordes, son­dern wegen Totschlags verurteilt. Der Gym­nasi­ast geht fünf Jahre ins Gefäng­nis. Uwe R. war an jen­em Abend erst später hingekom­men und habe deshalb auch nicht gewusst, wieso seine Fre­unde Dieter Manzke mis­shan­del­ten. Den­noch schlug Uwe R. dem Wehrlosen mehrfach ins Gesicht, nach­dem Dirk Relitz ihn dazu ermuntert hat­te. “Du kannst ihn ruhig schla­gen, der tut nichts mehr”, hat­te Relitz gesagt. 

 

Mit diesen Urteilen ging gestern vor dem Landgericht ein Prozess zu Ende, der die Polizeis­ta­tis­tik 2001 nachträglich verän­dern dürfte. Schon kurz nach dem Ver­brechen wurde spekuliert, ob der Obdachlose Manzke einem poli­tisch oder recht­sex­trem motivierten Ver­brechen zum Opfer gefall­en sei. Klaus Przy­bil­la bestätigte zwar gestern die Auf­fas­sung der Pots­damer Staat­san­waltschaft, indem er betonte, der Mord habe “keinen recht­sex­tremen Hin­ter­grund” gehabt. Den­noch wies der Richter darauf hin, dass der Mord nach den Kri­te­rien des Bun­deskrim­i­nalamts zur Krim­i­nal­ität­ser­fas­sung “poli­tisch motiviert” war, “weil sich die Tat gegen den Sta­tus von sozial Schwachen” richtete. Der Mord an Dieter Manzke müsste nach diesem Urteil als das einzige poli­tisch motivierte Tötungsver­brechen 2001 in Bran­den­burg reg­istri­ert werden. 

 

Dieter Manzke, das ste­ht nach dem Urteil fest, “musste ster­ben, weil er als ‚Pen­ner‘ und ‚Suf­fi‘ den in der Nach­barschaft wohnen­den Dirk Relitz störte” und “weil eine verkommene Jugend­clique Frust abbauen und ein­fach nur Spaß haben wollte”. Das, so das Gericht, seien “niedere Beweg­gründe”, weshalb es sich um einen Mord han­dele und nicht um Totschlag. 

 

Nach Auf­fas­sung des Gerichts hat­ten die Angeklagten Dieter Manzkes “Tod bil­li­gend in Kauf genom­men”, auch wenn sie nicht die Absicht hat­ten, ihn umzubrin­gen. Kein­er der Angeklagten, sagte Przy­bil­la, “kon­nte darauf ver­trauen, dass Dieter Manzke diese fürchter­liche Gewal­torgie über­leben würde”. Spätestens als sie den schon regungslosen Kör­p­er ins Gebüsch zer­rten, um ihn zu ver­steck­en, hät­ten sie Manzkes “geringe Chance zunichte gemacht”. 

 

Przy­bil­la räumte gestern auch mit der Leg­ende auf, Dieter Manzkes Tod sei eine “Alko­holtat” gewe­sen, wie ein Vertei­di­ger zuvor behauptet hat­te, um die Angeklagten zu ent­las­ten. Die fünf jun­gen Män­ner hät­ten an dem Abend zwar viel Bier getrunk­en, räumte der Richter ein, doch seien sie nicht im Voll­rausch gewe­sen und deshalb weit­ge­hend verantwortlich. 

 

Zunächst waren die fünf Fre­unde von ihrem Tre­ff­punkt am Bahn­hof Blanken­felde zehn Minuten mit dem Rad zu Dieter Manzkes Woh­nung im Nach­barort Dahle­witz ger­adelt, und auch anschließend sei ihr Han­deln “ziel­gerichtet” gewe­sen, so das Gericht. Außer­dem hät­ten sie nach Dieter Manzkes Mis­shand­lung den Plan gefasst, ihre Wut an einem weit­eren Obdachlosen in Dahle­witz auszu­lassen. Ihm geschah an jen­em Abend wohl nur deshalb nichts, weil er Besuch­er in sein­er Woh­nung hat­te. Um ab 1 Uhr in der Nacht Zeitun­gen auszu­tra­gen, waren zwei der Täter eben­falls noch nüchtern genug. 

 

Bevor die fünf jun­gen Män­ner gestern gegen 16.20 Uhr den Saal 015 in Hand­schellen ver­ließen, gab Richter Klaus Przy­bil­la ihnen noch einen Rat mit auf den Weg. “Leben und Leben lassen sollte auch für Sie in Zukun­ft die Devise sein”, mah­nte er. 

 

Dass er längst keine Illu­sio­nen mehr hat, ließ er jedoch schon erken­nen, noch bevor er das Urteil begrün­dete. Das Ver­fahren, sagte Przy­bil­la, ver­an­lasse ihn zu ein­er Vorbe­merkung. “Ein­mal mehr” sei das Gericht mit dem “Phänomen unprovoziert­er Gewalt gegen sozial schwache Mit­glieder der Gesellschaft befasst”. Und dann prog­nos­tizierte er: “Damit sind die Landgerichte in Bran­den­burg nicht zum let­zten Mal befasst, beson­ders für den Fall, dass sich die Ein­stel­lung junger Leute gegen sozial Schwache nicht ändert.” Aus Przy­bil­las Stimme klang keine Zuversicht.

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