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(Anti-)Rassismus

Besuch im Knast unerwünscht?

eng­lish ver­sion below

An Her­rn Frank Nürnberger

Direk­tor der ZAST und des Abschiebege­fäng­niss­es Eisenhüttenstadt 

 

Wir sind ein Net­zw­erk von poli­tisch engagierten Geflüchteten, Migrant_Innen und anderen sol­i­darischen Men­schen, welche regelmäßig das Abschiebege­fäng­nis aufsuchen.

 

Schon seit eini­gen Jahren kann die Bun­de­spolizei in Eisen­hüt­ten­stadt außerg­erichtlich beschlossene Abschiebun­gen von inhaftierten Asylbewerber_Innen durch­führen, welche auf dem Weg waren, um ihren Asy­lantrag zu stellen. Das macht es den Asyl­suchen­den schw­er oder sog­ar unmöglich, ihre Rechte wahrzunehmen1.

 

Um eine Vorstel­lung davon zu bekom­men, wovon wir sprechen, und um zu ver­ste­hen, wie die Men­schen in dem Abschiebege­fäng­nis unter Ihrer Ver­wal­tung inhaftiert wer­den, ist es bere­its genug, die Prak­tiken der Bun­de­spolizei am Bahn­hof Frankfurt(Oder) zu beobacht­en. Wenn der Zug Warschau-Berlin ankommt, brin­gen die Polizeibeamt_Innen rechtlich umstrit­ten gezielt aus­ge­suchte Men­schen mit ver­meintlich frem­dem Ausse­hen aus dem Zug (racial pro­fil­ing2). So inhaftieren sie die Asyl­suchen­den direkt nach ein­er kurzen Gericht­san­hörung ohne unab­hängi­gen Rechtsschutz.

 

Ein ander­er außergewöhn­lich­er Umstand in Eisen­hüt­ten­stadt ist die Beziehung zwis­chen der Bun­de­spolizei und dem Gericht. Die Gewal­tenteilung, welche eine Demokratie von einem Polizeis­taat unter­schei­det, scheint für die Asylbewerber_Innen nicht zu existieren. Das wird nicht nur durch die Lage bei­der Insti­tu­tio­nen in einem Gebäude offen­sichtlich, son­dern auch durch das Ver­hal­ten der Polizist_Innen während der Gerichtsver­hand­lun­gen. Sie erlauben sich, die vertei­di­gen­den Anwält_Innen zu unter­brechen und das Wort an sich zu reißen, dies mit der Tol­er­anz der Richter_Innen.

Die Öffentlichkeit wurde bere­its aufmerk­sam auf die poli­tis­che Mach­tausübung einiger Richter_Innen des Gerichts in Eisen­hüt­ten­stadt. Diese Aufmerk­samkeit kam durch eine Anklage von dem Repub­likanis­chen AnwältIn­nen Vere­in wegen Rechts­beu­gung und Volksver­het­zung gegen eine Rich­terin des Eisen­hüt­ten­stadter Amts­gericht­es im Okto­ber 2013 medi­al zum Vorschein3.

 

Bezüglich der medi­zinis­chen Ver­sorgung inner­halb der Infra­struk­tur des Abschiebege­fäng­niss­es in Eisen­hüt­ten­stadt wur­den manche Fälle doku­men­tiert, in welchen der Amt­sarzt nach dem Besuch ern­sthaft trau­ma­tisiert­er Per­so­n­en medi­zinis­che Gutacht­en mit dem Ergeb­nis des „Asylmiss­brauchs“ ver­fasste sowie sie in seinem ärztlichen Rat als „abschiebe­tauglich“ ein­schätzte. Unter unseren Augen wurde ein geor­gis­ch­er Geflüchteter zum Flughafen gebracht und von der Bun­de­spolizei aus­gewiesen, und dies direkt von der öffentlichen psy­chi­a­trischen Klinik in Eisen­hüt­ten­stadt aus, nach einem 11- tägi­gen Hunger­streik und gegen den Rat der ver­ant­wortlichen Ärzte4.

 

Aus all den oben­ge­nan­nten Grün­den geht klar her­vor, dass eine solche Infra­struk­tur wie das Abschiebege­fäng­nis keinen Daseins­grund in ein­er Demokratie hat und dass ihre reine Exis­tenz Selb­stver­let­zungsver­suche und Selb­st­mord­ver­suche von Inhaftierten ohne Anklage mit sich zieht. Dies geschieht regelmäßig, wenn sie keine Möglichkeit haben, um die eige­nen Grun­drechte einzufordern. 

 

In der Zwis­chen­zeit beste­hen wir darauf, dass kon­stante Präsenz und unab­hängige Beobach­tung in ein­er solchen Sit­u­a­tion von sys­tem­a­tis­chem insti­tu­tionellem Miss­brauch abso­lut nötig sind. Während der let­zten Wochen haben wir oft grund­lose Ein­schränkun­gen in unserem Zugang zu den inhaftierten Men­schen im Abschiebege­fäng­nis von­seit­en der Aufseher_Innen und der Beamt_Innen der Aus­län­der­be­hörde erfahren. In einem Fall erlaubte die ver­ant­wortliche Beamtin der Aus­län­der­be­hörde einem Geflüchteten nicht, einen anderen inhaftierten Geflüchteten zu besuchen, mit der offen­sichtlich ras­sis­tis­chen Argu­men­ta­tion, dass die unter­schiedlichen Herkun­ft­slän­der ein Zusam­men­tr­e­f­fen nicht erlauben wür­den. Nach­dem der Besuch­er sich beschw­erte, wurde er mit physis­ch­er Gewalt von der Beamtin von dem Gelände des Gefäng­niss­es geschmissen. 

 

Wir fordern Her­rn Frank Nürn­berg­er auf, diese Hin­dernisse zu beseit­i­gen und uns freien, ungestörten Zugang zu den Per­so­n­en zu gewähren, welche in dem Abschiebege­fäng­nis in Eisen­hüt­ten­stadt gefan­gen sind.

 

Wir fordern dringend:

 

  • freien Zugang zum Abschiebegefängnis 

  • unbe­gren­zte Gespräch­szeit mit den Inhaftierten

  • direk­ten Zugang zur Liste der Inhaftierten

  • unbeschränk­tes Fax­en und Kopieren von Doku­menten inner­halb der Anstalt

  • die Möglichkeit, Info­ma­te­r­i­al mitzubrin­gen und zu verteilen

 

Das Net­zw­erk von Geflüchteten, Migrant_Innen und anderen sol­i­darischen Men­schen aus Berlin und Brandenburg

 

Karawane für die Rechte von Flüchtlin­gen und Migranten

1 http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/pressemitteilungen/offener-brief-wegen-kontrollen-der-bundespolizei-in-eisenhuttenstadt

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Racial_Profiling#Gesetzliche_Lage

3 http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-strafrichterin-in-eisenhuettenstadt-332/

4 http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/773284/?

 

*****eng­lish version*****

To Mr. Frank Nürnberger

Direc­tor of ZAST and Depor­ta­tion Prison Eisenhüttenstadt

 

 

We are a net­work of polit­i­cal­ly engaged refugees, migrants and oth­er sol­idary per­sons fre­quent­ing reg­u­lar­ly the depor­ta­tion prison.

 

For sev­er­al years, the Bun­de­spolizei in Eisen­hüt­ten­stadt could exe­cute extra­ju­di­cial depor­ta­tions arrest­ing asy­lum seek­ers on their way to make their appli­ca­tion, mak­ing it dif­fi­cult or even pre­vent­ing them to exer­cise their rights1.

 

To have an idea of what we are talk­ing about and to under­stand how the peo­ple get to be detained in the Depor­ta­tion Prison under your admin­is­tra­tion, it is enough to observe the prac­tice of the Bun­de­spolizei at Frank­furt Oder’s train sta­tion. When the train War­saw-Berlin arrives, the police offi­cers car­ry out sys­tem­at­i­cal­ly racial pro­filed con­trols of every pas­sen­ger with for­eign aspect2. In this way asy­lum seek­ers are impris­oned straight away after a short court hear­ing, with­out an inde­pen­dent legal support.

 

Anoth­er excep­tion­al cir­cum­stance in Eisen­hüt­ten­stadt is the rela­tion­ship between the Bun­de­spolizei and the Court of Jus­tice. The Divi­sion of Pow­ers which dif­fer­en­ti­ates Democ­ra­cy from a Police State does­n’t seem to exist for the asy­lum seek­ers. This is not only made vis­i­ble by the loca­tion of both insti­tu­tions in the same build­ing, but also by the behav­ior of the police offi­cers dur­ing the Court Hear­ings. They are allowed to inter­rupt the defense lawyers and to step on the floor at any moment with the tol­er­ance of the judge. 

 

The pub­lic media already report­ed about the polit­i­cal use of jus­tice made by some judges of Eisenhüttenstadt’s Court. In Octo­ber 2013 charge was pressed for per­ver­sion of jus­tice and racial hatred against one of them by the Repub­li­can Lawyers Asso­ci­a­tion.3

 

Con­cern­ing med­ical care in Eisen­hüt­ten­stadt Depor­ta­tion Infra­struc­ture, some cas­es were doc­u­ment­ed in which the pub­lic med­ical offi­cer vis­it­ed seri­ous­ly trau­ma­tized per­sons and pro­duced med­ical reports lead­ing to the con­clu­sion of “asy­lum abuse” and med­ical advices as “suit­able to expul­sion”. Under our eyes, a Geor­gian asy­lum seek­er was tak­en to the air­port and expelled by the Bun­de­spolizei direct­ly from the psy­chi­atric depart­ment of Eisen­hüt­ten­stadt pub­lic hos­pi­tal against the advices of the respon­si­ble doc­tors, after 11 days of hunger strike.4

 

For all the rea­sons men­tioned above, it’s clear that such an infra­struc­ture as the depor­ta­tion prison has no rea­son to exist in a democ­ra­cy. Its exis­tence brings peo­ple impris­oned with­out charges to harm them­selves and even to attempt sui­cide. This is hap­pen­ing reg­u­lar­ly when they have no way left to claim their basic rights. 

 

Mean­while we hold firm­ly that con­stant pres­ence and inde­pen­dent obser­va­tion are absolute­ly nec­es­sary in such a sit­u­a­tion of sys­tem­at­ic insti­tu­tion­al abuse. Dur­ing the last weeks, we have often expe­ri­enced unground­ed restric­tions in our access to peo­ple detained in the depor­ta­tion cen­tre cre­at­ed by the sur­veil­lance staff and offi­cers of the Aus­län­der­be­hörde. In one case the respon­si­ble offi­cer of the Aus­län­der­be­hörde did not allow a refugee to vis­it anoth­er impris­oned refugee with the obvi­ous­ly racist moti­vat­ed argu­ment of the dif­fer­ent coun­tries of ori­gin. After the vis­i­tor start­ed to com­plain, the offi­cer used phys­i­cal vio­lence to kick him out of the area of the prison. 

 

We urge Mr. Frank Nürn­berg­er to remove these obsta­cles and to give us free access to the peo­ple whose lives get trapped in the Eisen­hüt­ten­stadt depor­ta­tion prison.

 

 

We demand urgently:

 

  • Free access to the depor­ta­tion prison

  • Unlim­it­ed speak­ing time with the inmates

  • Direct access to the list of the inmates

  • Unre­strict­ed pos­si­bil­i­ty to fax and copy doc­u­ments inside the prison

  • The pos­si­bil­i­ty to bring inside infor­ma­tion material

 

 

The Net­work of refugees, migrants and oth­er sol­idary per­sons from Berlin and Brandenburg.

 

Car­a­van for the Rights of Refugees and Migrants

1http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/pressemitteilungen/offener-brief-wegen-kontrollen-der-bundespolizei-in-eisenhuttenstadt

22 https://de.wikipedia.org/wiki/Racial_Profiling#Gesetzliche_Lage

3http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-strafrichterin-in-eisenhuettenstadt-332/

4http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/773284/?

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