(MAZ, 23.07., Andreas Vogel) KREIS OPR Auf Widerspruch ist gestern die Einschätzung der Polizei gestoßen, wonach
nicht mehr Wittstock Brennpunkt rechtsextremer Übergriffe ist, sondern Neuruppin, Rheinsberg und Neustadt (Dosse). “Die Anzahl rechtsextremer Vorfälle in Wittstock ist nicht weniger geworden. Vielmehr gibt es jetzt nach einer Zeit relativer Ruhe lediglich auch wieder mehr Vorfälle in
Neuruppin”, sagt Gabriele Schlamann.
Schlamann ist Chefin des “Büros für Integration und Toleranz” (Bit) in Neuruppin. In dem Büro in der Rudolf-Breitscheid-Straße, das gestern Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt besucht hat, arbeiten seit Anfang des Jahres das Mobile Beratungsteam der Aktion Tolerantes Brandenburg sowie Mariana Wiggert vom Regionalen Büro für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schulen (RAA) zusammen. Ziel der Bürogemeinschaft ist es, die Arbeit gegen
rechtsextreme Tendenzen in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Oberhavel zu bündeln. Ab August wird das Bit außerdem mit Ute Müller von der Förderschule Kyritz verstärkt, die sich vor allem um den Kontakt zu den
Schulen kümmern soll.
Wie wichtig das ist, das spüren die Mitarbeiter des Beratungsteams fast täglich, wenn sie mit Lehrern, Schülern, Bürgermeistern und der Polizei sprechen. Dabei ist die Zahl rechter Übergriffe landesweit um die Hälfte gesunken. “Die rechte Szene ist in Bewegung”, sagt Nicola Scuteri. Zum einenversuche sie, das Image von pöbelnden Gewalttätern abzulegen. Zum anderen halte die Szene weiter Kontakt zu gewaltbereiten Cliquen. “Dabei übernehmen zunehmend Mädchen und Frauen eine führende Rolle.” Um ihren Einfluss zu
vergrößern, sei die Szene bestrebt, an den allgemeinen Frust der Leute anzudocken — und versucht neuerdings auch, in Elternvertretungen von Kitas und Schulen zu gehen und dort ein Wörtchen mitzureden. “Der Rechte mit Bomberjacke und Baseballschläger ist ein Auslaufmodell”, sagt Gabriele
Schlamann. Ein Beispiel: In Oberhavel lässt sich ein junger Mann, der von seinen Mitschülern an der Gesamtschule “der Führer” genannt wird, zum DJ ausbilden, um auf den Dörfern Musik zu machen und ganz nebenbei rechte Propaganda zu verbreiten. In Fretzdorf werde indes der Jugendclub immer mehr zum Treff für rechte und rechtsextreme Jugendliche. “Solange ein Betreuer dort ist, ist alles okay. Fehlt der aber und taucht er dann unangemeldet auf, ist der Club von Rechten belegt — wie bei vielen anderen auf dem Land”,
so Schlamann.
Das Bit versucht gegenzusteuern und Sozialarbeitern, Lehrern und Bürgermeistern zu helfen. So entstand im Dezember in Wusterhausen auch die Idee für einen Spendenaufruf, nachdem ein vietnamesischer Imbiss abgebrannt war. Wie schwer ihre Arbeit ist, zeigt ein anderer Fall: Bei einem
Informationsabend mit Lehrern in Wittstock spielte Schlamann Musik einer Liedermacherin vor, die rechtsextreme Wertevorstellungen thematisiert. Vier von 14 Pädagogen hatten damit kein Problem.