KLEINMACHNOW Immerhin: Die Entwicklung stimmt. Das “Datenschutzbewusstsein”
bei den Behörden habe in den vergangenen sechs Jahren zugenommen, so die
Gesamtbilanz des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht
auf Akteneinsicht, Alexander Dix. Brandenburgs oberster Datenschützer
präsentierte gestern in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) den zwölften
Jahresbericht seiner Behörde und legte damit gleichzeitig letztmals
Rechenschaft ab. Der 53-Jährige will “aus persönlichen Gründen” seine im Mai
endende sechsjährige Amtszeit nicht mehr verlängern.
Trotz der “allgemeinen Zufriedenheit” könne man die Bilanz für 2003 “nicht
als ausgeglichen” bezeichnen. so Dix. Es sei noch immer “eine Tendenz zur
präventiven Registrierung aller Bürger” zu beobachten, monierte der
Datenschützer, “auch wenn diese sich nicht verdächtig gemacht haben”. So
habe sich etwa die Landesregierung im Bundesrat für die Einführung einer
verfassungsrechtlich problematischen Vorratsspeicherung aller
Verbindungsdaten in der Telekommunikation für ein halbes Jahr eingesetzt.
Auch die flächendeckende Erfassung von Auto-Kennzeichen, für die sich vor
allem CDU-Innenminister Jörg Schönbohm stark gemacht hatte, sei
verfassungsrechtlich bedenklich, merkte Dix an.
Deshalb habe er sich auch sehr über das jüngste Urteil der Karlsruher
Bundesverfassungsrichter gefreut, sagte der Datenschutzexperte. Mit der
Entscheidung zum Großen Lauschangriff seien die Maßstäbe “in einem zentralen
Bereich” wieder zurechtgerückt worden. Die “verschärfte rechtspolitische
Wetterlage” seit den Anschlägen vom 11. September 2001, die sich etwa in
flächendeckenden Rasterfahndungen niedergeschlagen hatte, sei damit beendet.
Es habe sich nun gezeigt, wo der Staat seine Grenzen habe, so Dix. “Auch bei
der Strafverfolgung muss es Bereiche geben, in denen die Privatsphäre des
Einzelnen unverletzlich ist.” Dix geht davon aus, dass das aktuelle Urteil
ähnlich weit reichende Auswirkungen haben wird wie das Volkszählungsurteil
von 1983. Jetzt müsse die gesamte Regelung der Telekommunikationsüberwachung
und der verdeckten Beobachtung von Personen auf Prüfstand, so die Forderung
von Dix.
Doch nicht nur bei den großen Themen wie Rasterfahndung oder flächendeckende
Telefonüberwachung zog Dix Bilanz. Er nahm auch die internen Arbeitsmethoden
der brandenburgischen Behörden unter die Lupe. So kritisierte er etwa die
Ausgliederung der Datenverarbeitung im Zuge der Polizeireform. Das berge
“erhebliche Risiken”, so Dix. Er forderte verantwortliche Ansprechpartner im
Landeskriminalamt sowie in den Präsidien, die die Datenverarbeitung beim
Zentraldienst der Polizei kontrollieren sollen.
Weiteres Problem: Einige Behörden würden darüber nachdenken, ein Funknetz an
ihr bestehendes lokales Netz anzuschließen, um somit aufwändige
Verkabelungen zu vermeiden, so Dix. “Da aber die Ausbreitung von Funkwellen
nicht auf einen Raum oder ein Gebäude beschränkt werden können, müssen
technische und organisatorische Maßnahmen realisiert werden, die ein
unbefugtes Abhören der übertragenen Informationen sowie ein Eindringen in
das Funknetz verhindern.”
Unzulässig sei auch die verbreitete Praxis von Internet-Anbietern, bei der
Zugangsvermittlung die IP-Adresse der Nutzer auch nach Ende der Nutzung zu
speichern. “Das ist unzulässig — auch wenn die Bundesregierung genau dies in
der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes erreichen will.” Immerhin
gebe es positive Beispiele, wie man das verhindern kann, berichtet Dix: So
habe etwa ein Anbieter, der das Internetangebot der Gemeinde
Petershagen/Eggersdorf (Märkisch-Oderland) betreute, automatisch die
IP-Adressen aller Zugriffe protokolliert. “Dem Anbieter wurde von der
Gemeinde nach der Beschwerde eines Bürgers kurzerhand gekündigt.”