TREBBIN Sehnsüchtig hatte Trebbins Bürgermeister Thomas Berger das Urteil erwartet. Doch ganz befriedigte ihn das Ergebnis des Prozesses gegen fünf Männer, die 1996 italienische Bauarbeiter durch Trebbin (Teltow-Fläming) gejagt und geprügelt hatten, dann doch nicht.
Bereits seit Monaten sorge die Mitgliedschaft von zwei der Angeklagten in der Freiwilligen Feuerwehr für Gerede im Ort, bestätigt das Stadtoberhaupt auf MAZ-Anfrage. Auch sechs Jahre nach der Tat sollen Steffen T. und Silvio K. noch immer rechtsextreme Einstellungen haben. Letzterer ist nicht nur einfaches Mitglied, sondern auch Jugendausbilder für Atemschutzgeräte. Für CDU-Mann Berger eine unerträgliche Situation. “Entweder die beiden distanzieren sich öffentlich vom Rechtsextremismus — oder sie müssen die Feuerwehr verlassen.”
Ganz so einfach sei ein Rausschmiss jedoch nicht, erklärt Berger. Brandenburgs Brandschutzverordnung sehe einen Ausschluss aus der Feuerwehr erst bei einer Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Doch Silvio K. und Steffen T. profitierten davon, dass auf sie nachträglich Jugendstrafrecht angewendet wurde, da sie zur Tatzeit erst 18 und 17 Jahre alt waren. Sie kamen mit Verwarnungen und Geldstrafen davon.
Dafür, dass sich die beiden Angeklagten in den vergangenen Jahren von ihrer rechtsextremistischen Einstellung verabschiedet haben, spricht wenig. Nach Überzeugung der Neuruppiner Staatsanwaltschaft war Silvio K. am Überfall auf den dunkelhäutigen Amerikaner Edward C. am 14. April 2001 beteiligt. Die Anklage wegen des “Verdachts auf Körperverletzung” wurde dann jedoch nach Paragraph 153 eingestellt. Ein Passus, der zur Anwendung kommt, wenn “die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht”.
Im Frühjahr wurden sowohl Silvio K. als auch Steffen T. erneut von der Polizei aufgegriffen: beim Hören von Liedern der Neonazi-Kultband “Landser”, die in einigen Texten zum Mord aufruft. Besonders pikant: Die rechtsextreme Party fand am 20. April statt, Hitlers Geburtstag. Bezeichnend für die innere Einstellung Steffen T.s war auch die Aussage einer Jugendgerichtshelferin: Sie berichtete, dass Steffen T. ihr gegenüber Ausländer pauschal als “Sozialschmarotzer” beschimpft habe.
Trotz dieser Vorkommnisse tut sich Feuerwehr schwer mit einer Entscheidung. Gerade Silvio K. sei einer der “leistungsstärksten Kameraden”, heißt es. Burkhard Heinrich, Chef der 72-köpfigen Trebbiner Feuerwehr, verwies darauf, dass für einen Ausschluss der Amtsbrandmeister Peter Gieseler zuständig sei. Dieser glaubt, dass man nicht viel machen könne, “außer auf die Gesinnung Einfluss zu nehmen”. Immerhin: Von seinem Posten als Ausbilder wurde K. inzwischen entbunden.
Verärgert zeigt sich der Bürgermeister darüber, dass Steffen T. sich trotz Aufforderung bislang noch kein einziges Mal bei ihm gemeldet habe. Auch Silvio K. habe sich — trotz erster Rücksprache — noch nicht klar zu den Vorwürfen geäußert. Seine Geduld sei jetzt am Ende. Beide Kameraden hätten jetzt noch bis zum Ende der Herbstferien Zeit, so Berger. “Dann will ich ein klares Zeichen sehen — sonst wird es Konsequenzen haben.”
Unmöglich ist der Rauswurf jedenfalls nicht: Ein Blick in die “Verordnung über die Laufbahnen der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren”, zeigt Wege auf. Dort steht unter Absatz 3, dass ein Ausschluss möglich ist, wenn der Angehörige “aus einem anderen Grund nicht mehr würdig erscheint, den Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr zu verrichten”. Entscheidungsbefugt darüber sei “der Leiter der Feuerwehr im Benehmen mit dem Träger des Brandschutzes”.
Der Chef des Landesfeuerverbands Klaus Schultze zeigte sich erstaunt über die Schwierigkeiten der Trebbiner. Ein Kamerad, der durch rechtsextreme Äußerungen auffällt, sei auch am Strahlrohr kein verlässlicher Partner mehr, macht Schultze klar. So sei etwa in der Zeuthener Wehr vor einiger Zeit ein Mitglied durch NPD-freundliche Kommentare aufgefallen. “Alle anderen haben massiv Front gegen ihn gemacht. Der war nicht mehr lange dabei.”
Verurteilung kurz vor der Verjährung
Die Trebbiner Menschenjagd hatte weit über die Landesgrenzen hinaus für Entsetzen gesorgt: Am Abend des 30. September 1996 hatte eine Meute von Rechtsextremen gezielt Jagd auf italienische Bauarbeiter gemacht und diese teils schwer verletzt.
Doch nur zwei der Schläger mussten damals büßen. Jan Weicht wurde 1997 wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er hatte dem Italiener Orazio Giamblanco mit einer Baseballkeule den Schädel zertrümmert. Das Opfer überlebte knapp und ist seitdem schwer behindert. Francesco Heim, ein weiterer Mittäter, verbüßt seit 1997 eine achtjährige Jugendstrafe.
Der Prozess gegen die restlichen Schläger kam im letzten Augenblick: Kurz vor Verjährung der Tat packte Haupttäter Jan Weicht aus und belastete sieben seiner früheren Kumpel aus der “Freien Kameradschaft Trebbin” schwer. Vor dem Luckenwalder Amtsgericht wurde der Fall nochmals aufgerollt. Obwohl der Hauptbelastungszeuge nachweisbar in einigen Punkten gelogen hatte und alle Zeugen aus der rechtsextremen Szene unter kollektivem Gedächtnisverlust litten, sah der Richter eine Mittäterschaft als erwiesen an.
Das Urteil: Silvio K. (24) und Steffen T. (23) erhielten nach Jugendstrafrecht eine Verwarnung. Letzterer muss zudem 400 Euro an Amnesty International zahlen, Silvio K. 600 Euro an einen Suchthilfeverein. André P. (28) erhielt acht Monate auf Bewährung, seine früheren Kumpane René E. (27) und Dirk P. (29) kamen mit je vier Monaten davon, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden. Auch sie wurden zu Geldstrafen zwischen 250 und 600 Euro verurteilt. Alle Verurteilten haben inzwischen Berufung eingelegt.
Das Verfahren gegen die Angeklagten Karsten H. und Rico Z. wurde abgetrennt. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.