RATHENOW Gibt es in Rathenow ausreichend gesellschaftliche Initiativen, um Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass einzudämmen oder ist es ausschließlich der starken Polizeipräsenz zu verdanken, dass die Überfälle auf Asylbewerber und andere Straftaten — vornehmlich mit rechtsextremen Hintergrund — zurückgegangen sind? Diese Kernfrage wurde schnell zum zentralen Diskussionsthema im “Politischen Café”. Zum zweiten Mal war Lea Rosh mit ihrem Team nach Rathenow gekommen. Mit ihr standen am Samstag in der Aula der Weinbergschule Lutz Gündel (stellvertretender Leiter), Silke Egner vom ökumenischen Begegnungskreis, Rathenows Bürgermeister Ronald Seeger, Kay Wendel (Verein Opferperspektive), Manfred Lenz (SPD, MdL), Thomas Otto (RAA) und andere Gäste.
Das Gespräch im “Politischen Café” machte deutlich, dass die Bewertung der Initiativen, die in Rathenow ein Miteinander zwischen Ausländern und Flüchtlingen auf der einen wie deutschen Stadtbewohnern auf der anderen Seite organisieren, äußerst unterschiedlich ist. Kay Wendel sagte, “dass es in Rathenow nach wie vor kaum gesellschaftliche Bewegungen gibt, um die Isolation der Flüchtlinge zu durchbrechen”. Wendel erneuerte seinen Vorwurf, in Rathenow gebe es nach wie vor starke ausländerfeindliche Strömungen. Erst, wenn Deutsche und Ausländer eine gemeinsame Lebensperspektive haben, so Wendel, könnte sich das ändern. Er selbst sei nicht sehr optimistisch, dass sich die Grundstimmung in Rathenow schnell ändern werde.
So schwarz sieht Thomas Otto, Leiter der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländer, Jugend und Schule (RAA), nicht: “Es gibt Perspektiven. Wir müssen Jugendliche zum demokratischen Miteinander erziehen und wir müssen sie darin bestärken, dass es richtig ist, demokratisch mitzuwirken.” Die Bestrebungen, in Rathenow ein Jugendparlament einzurichten seien deshalb ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Eingangs hatte ein Wissenschaftler von der Universität Potsdam erklärt, dass bei vielen Jugendlichen nicht nur das politische Interesse fehle, sondern auch die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren. Das gehe oft mit ausländerfeindlichen Einstellungen einher. Bürgermeister Ronald Seeger und Manfred Lenz verwiesen auf zahlreiche Rathenower Initiativen, die seit dem Asylbewerber-Memorandum im Februar 2000 ihre Arbeit aufgenommen haben. “Ich kann die Asylbewerber nur einladen, sich am Leben in der Stadt zu beteiligen”, sagte Seeger. Nur so könne der Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern gestärkt werden.
Dass sich in den Köpfen der Rathenower noch einiges verändern muss, bestritt auch Lutz Gündel nicht. Zwar habe es in diesem Jahr bis zum Juni noch keine Straftat mit rechtsextremen Hintergrund in Rathenow gegeben, das sei jedoch in erster Linie der besonderen Polizeipräsenz zu verdanken. Schwerste Vorwürfe gegen die Mitarbeiter der Ausländerbehörde erhob Silke Egner vom Ökumenischen Begegnungskreis. “Wenn ein Asylbewerber zur Ausländerbehörde geht, wird er permanent mit Du angesprochen und erniedrigend behandelt. Außerdem wird so laut geredet, dass man auf dem Gang vor den Zimmern hört, was drinnen geredet wird.” Konkreter beschrieb sie diese Vorwürfe jedoch nicht. Manfred Lendt, Leiter der Kreisordnungsbehörde, saß im Publikum. Am Rande der Veranstaltung betonte er, “dass diese Vorwürfe so mit Sicherheit nicht stimmen”. Falls ein Asylbewerber in der Ausländerbehörde schlecht behandelt werde, habe er die Möglichkeit sich sofort zu beschweren — beispielsweise bei der Ausländerbeauftragten. “Wenn Frau Egner sagen kann, wer die Asylbewerber menschenunwürdig behandelt hat, dann soll sie das melden und wir gehen der Sache nach.”