Am gestrigen Abend lud das Amt Brück (Landkreis Potsdam-Mittelmark) zu einer Einwohner_innenversammlung in die St. Lambertus Kirche ein. Thema des Abends war die Informierung aller interessierten Menschen über die Aufnahme von 27 Asylsuchenden in der Stadt Brück. Um alle Fragen bestmöglich zu beantworten waren sachkundige Vertreter_innen des Landkreises und des Trägervereines der Unterkunft anwesend. Vorab bekannten sich das Amt und die Stadt Brück in einer Pressemitteilung zur Aufnahme der Asylsuchenden. „Brück versteht sich als Ort der Vielfalt und der Toleranz“, so Amtsdirektor Christian Großmann (SPD). Entsprechend werde sich „um die ankommenden Familien und Kinder“ gekümmert, so Bürgermeister Karl-Heinz Borgmann ergänzend. „Familienfreundlichkeit“werde „in Brück“ schließlich „groß geschrieben“.
Einleitung in die Informationsveranstaltung
Gegen 19.00 Uhr eröffnete dann Amtsdirektor Christian Großmann die Einwohner_innenversammlung, zu der 150 Menschen erschienen waren. Er teilte mit, dass 27 Flüchtlinge, darunter fünf Familien mit insgesamt zehn Kindern in der Stadt erwartet werden. Dies sei zwar für Brück, so Großmann, eine vollkommen neue Situation, jedoch sei er zuversichtlich, dass bestehende Vorurteile zumeist auf Unwissenheit beruhen und im Rahmen der Informationsveranstaltung entkräftet werden können.
Pfarrer Helmut Kautz gab sich in seinen einleitenden Worten ebenso zuversichtlich, wie hilfsbereit. Ihm sei schließlich bei seiner Ankunft in Brück auftragen worden: „Seien sie Pfarrer nicht nur für die Christen, sondern für alle Brücker!“ Dementsprechend wolle er sich nun auch um die ankommenden Flüchtlinge kümmern.
In diesem Sinne sprach auch Ottheiner Kleinerüschkamp (CDU), Bürgermeister der Nachbargemeinde Linthe. Er bot an, die mit der Unterbringung entstehenden Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. „Den Leuten“ solle ein „würdiger Ersatz für ihr zu Hause“ geboten und es ihnen, so Kleinerüschkamp weiter, leicht gemacht werden, „sich hier einzuleben“.
Informationen des Landkreises
Nach der Einleitung in die Veranstaltung, informierte nun die Sozialdezernentin des Landkreises Potsdam-Mittelmark, Gertrude Meißner, detailliert über die Aufnahme und die Versorgung der Asylsuchenden im Kreis sowie die Wahl des Standortes Brück.
Gemäß ihren Angaben hat der Landkreis Potsdam-Mittelmark die Aufgabe bis Jahresende 659 Asylsuchende und 85 syrische Kontingentflüchtlinge aufzunehmen. Diese Zahlen seien allerdings variabel, da die Möglichkeit besteht, dass weitere Menschen ankommen werden. Insofern ist der Landkreis auch bestrebt, weitere Unterkünfte zu akquirieren. Zurzeit gibt es in Teltow und Stahnsdorf zwei bestehende Heime, die mit jeweils 200 Personen pro Unterkunft, am Ende ihrer Kapazitäten sind. Auch die kleineren Gemeinschaftsunterkünfte in Bad Belzig und Beelitz sind ebenfalls ausgelastet. Deshalb werde nun auch auf Objekte zurückgegriffen, die in kleineren Orten liegen und wegen der nicht optimalen Standortfaktoren bisher als ungeeignet galten.
Die künftige Gemeinschaftsunterkunft in Brück befindet sich beispielsweise in einem zwar industriell genutzten, aber unbewohnten Gewerbegebiet. Hier werden die 27 Asylsuchenden ab heute untergebracht sein. Nach Ostern kommen dann noch einmal 45 Menschen dazu, so dass insgesamt 72 Personen untergebracht werden.
Als Herkunftsländer der Asylsuchenden wurden Tschad, Syrien, Iran, Albanien und auch die Russische Föderation genannt. Für ihre Betreuung wird eine Sozialarbeiterin zuständig sein.
Des Weiteren sieht sich der Landkreis Potsdam-Mittelmark für die Gewährleistung der Sicherheit, dem Angebot von gemeinnütziger Arbeit, der Vermittlung von Deutschkenntnissen in Kooperation mit der Volkshochschule, die Finanzierung der Grundsicherung sowie die gesundheitliche Versorgung der Asylsuchenden einschließlich der Vervollständigung des Impfstandes zuständig.
Darüber hinaus würde sich der Landkreis über eine Unterstützung der Einwohner_innen von Brück freuen.
Einwohner_innenfragen
Nach dieser informativen Einführung waren nun die Brücker am Zuge, durch ihre Fragen bestehende Unklarheiten aufzuhellen, Ängste auszuräumen und Vorurteile zu überwinden.
Eine Bürgerin, die beispielsweise vor drei Jahren aus Berlin wegen den hohen Mieten weggezogen ist, befürchtete durch den Zuzug von Asylsuchenden und der möglicherweise damit verbundenen Verknappung des Wohnraumes, eine erneute Verdrängung.
Dem widersprach allerdings der Landkreis. Asylsuchende würden in Potsdam-Mittelmark ausschließlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Zwar war vor drei Jahren schon einmal eine menschenwürdigere Unterbringung angedacht, jedoch aufgrund mangelnden Wohnraums und steigender Flüchtlingszahlen wieder verworfen worden.
Lediglich bei syrischen Kontingentflüchtlingen sei die Unterbringung in Wohnungen geplant. Dies träfe jedoch auf Brück nicht zu.
Wenn es jedoch private Wohnungsangebote hier gäbe, so die Antwort auf eine Frage einer anderen Bürgerin, würde der Landkreis auch nicht nein sagen. Schließlich müssten in diesem Jahr noch mindestens 63 syrische Flüchtlinge aufgenommen werden. Die Miete würde, bei entsprechender Eignung der Wohnung, dann das Jobcenter zahlen.
Anschließend kamen die Themen Sicherheit und Integration auf die Agenda. Ein Bürger äußerte Bedenken vor einer angeblichen Gewaltbereitschaft der traumatisierten Menschen, ein anderer sei selber schon in einem Krisengebiet gewesen und habe die dort Lebenden als „unzivilisiert“ empfunden. Diesem Szenario wiedersprach Rose Dittfurth vom Arbeits- und Ausbildungsförderverein Potsdam-Mittelmark e.V. im Hinblick auf die hier ankommenden Menschen energisch. In ihrer langen Laufbahn als Sozialarbeiterin in der Bad Belziger Asylunterkunft habe sie kein unzivilisiertes Verhalten erlebt. Im Gegenteil, die meisten hierher kommenden Menschen seien eher glücklich, dass sie in geordneten Strukturen aufgenommen werden und sich diesen anpassen.
Andererseits können in Heimen natürlich auch Spannungen nicht ausgeschlossen werden. Den dort lebenden Menschen steht laut Asylgesetz schließlich nur ein Raum von 6,00m² zu. Privatsphäre gebe es dort eher nicht. Im Ernstfall soll jedoch ein 24-Stunden-Wachschutz Streit schlichten.
Traumatisierten Menschen, insbesondere Folteropfern, würde zudem psychologische Betreuung angeboten, damit sie die Chance erhalten die erlittenen Qualen seelisch zu verarbeiten.
Aber wie soll mit Asylsuchenden, die ein schweres Trauma durchleben, im Alltag umgegangen werden, schloss die nächste Frage an. Tatsächlich gäbe es für hierfür kein Patentrezept, so Frau Meißner vom Landkreis. Hier sei die Menschlichkeit jedes Einzelnen gefragt. Nur wenn offen und ohne Vorurteile auf die Menschen zugegangen wird, könne auch eine gute Integration gelingen.
Selbstverständlich sei natürlich auch die Sprache ein entscheidender Schlüssel. Hier machte die Mitarbeiterin des Landkreises ebenfalls Mut. Kinder von Asylsuchenden würden durch den Schulbesuch recht schnell, teilweise innerhalb eines halben Jahres, die deutsche Sprache beherrschen. Erwachsene bräuchten zwar in der Regel länger, würden aber laut Landkreis, wenn sie einmal einen Deutschkurs begonnen hätten, diesen auch mit großer Motivation weiter führen.
Eine kritische Stimme erkundigte sich daraufhin nach dem Mehraufwand für Lehrkräfte und ob dadurch nicht das Bildungsniveau der anderen Schüler leide. Doch auch hier widersprach die Vertreterin des Landkreises. Für die Nachhilfe im Deutschunterricht seien gesonderte Unterrichtsstunden vorgesehen, die von zusätzlichen Lehrkräften betreut werden.
Trotz der fundierten Argumente, versuchten Einzelpersonen jedoch weiterhin gezielt Ängste durch Vorurteile zu schüren. Demnach zeige sich allgemein, dass Orte mit vielen Migranten soziale Brennpunkte seien. Zudem sei eine albanische Familie, im Hinblick auf die Ankündigung von Asylsuchenden aus Albanien, ohnehin nicht integrationsfähig. Doch auch diesen Behauptungen wurde energisch widersprochen, in diesem Fall so gar aus dem Publikum.
Eine junge Frau, die aus Köln stammt und jetzt in Brück lebt, erzählte, dass sie in der Grundschule viele Ausländer in der Klasse und damit überhaupt kein Problem hatte.
Eine andere junge Brückerin kam ursprünglich aus Berlin-Wedding und hätte dort auch keine schlechten Erfahrungen mit Asylsuchenden gemacht. Sie fragte sogar wie konkret geholfen werden kann. Sind Spenden erwünscht und wenn ja wohin? Dies hörte Sozialarbeiterin Rose Dittfurth natürlich gerne. Spenden wären selbstverständlich erwünscht. Insbesondere Fahrräder und Spielzeug wären wohl die sinnvollsten Dinge. Jedoch bat Dittfurth zunächst einmal um Geduld, die Asylsuchenden müssen schließlich erstmal in ihrem neuen zu Hause ankommen. Erst danach sei eine Bedarfsanalyse sinnvoll.
Möglicherweise können diese Fragen dann während eines ersten „runden Tisches“ am 25. April 2015 geklärt werden.
Abschließend äußerte sich dann noch einmal Amtsdirektor Christian Großmann zu dem überwiegend positiv verlaufenden Abend: „Es gab vielen Fragen und wir haben sie gut beantwortet. Wir haben keine Angst vor dem Heim.“
Fotos: hier
Kategorien