Am 16.02.2009 fand im Bürgerhaus am Schlaatz in Potsdam eine Bürgerversammlung zum
geplanten Umzug des Flüchtingsheimes in den Bezirk statt. Auf der Versammlung kam es
teilweise zu heftigen Reaktionen.
„Das Heim an den Schlaatz zu verlegen war die schlechteste Entscheidung, die es
geben konnte“, „Warum muss das uns vor die Tür gesetzt werden?“, „Hier sind schon
genug Ausländer, aber ich darf ja nichts gegen sie sagen, sonst bin ich ein
Rassist“, „Ich habe Angst um meine Kinder, vor Kriminalität, Körperverletzungen,
Messerstechereien, Toten“, „Der Schlaatz hat zu viele Ausländer, das Boot ist voll.“
Das waren nur einige der Reaktionen auf die einleitenden Worte von
Diakonie-Geschäftsführer Marcel Kankarowitsch über die Vorstellung der Pläne für das
Asylbewerber_innenheim am Schlaatz. Das Klima bei der Versammlung im Bürgerhaus am
Schlaatz war anfangs alles andere als tolerant, einer der Gäste bezeichnete es gar
als „Progromstimmung“. Immer wieder Zwischenrufe, teils Gelächter als die Diakonie
von ihren Plänen berichtet: 2 ½‑Zimmer Wohnungen, ein Internet-Café, ein
Versammlungsraum. „Sogar mit Fahrstuhl?“ „Na klar!“ tönt es spöttisch aus den
hinteren Reihen. Gelächter und Klatschen sind die Reaktionen.
Die erste ernstzunehmende Frage stellte Hala Kindelberger vom Potsdamer
Ausländerbeirat. Wo ist eigentlich das Problem, wenn 160 von 150.000 Einwohner_innen
dieser Stadt an den Schlaatz ziehen? Und welches Boot ist nochmal voll? Vielleicht
ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass die Zahl der Menschen, die als Flüchtlinge nach
Potsdam kommen und Asyl suchen, verschwindend gering ist. Das liegt daran, dass
Europa seine Asylpolitik immer weiter verschärft und immer weniger Flüchtlinge
überhaupt den Weg über die Grenzen schaffen. Kaum wahrnehmbar war das Heim am
Lerchensteig bis jetzt, 6 km von der Innenstadt entfernt, weitestgehend
abgeschnitten von sozialen Kontakten. Nun ist es offenbar, in den Augen vieler
Veranstaltungsteilnehmer_innen eine Bedrohung.
Noch nicht mal eine halbe Stunde ist vergangen, da meldet sich Marcel Guse von der
DVU zu Wort.
Begleitet von lautstarken Buh-Rufen liest er seinen Beitrag von einem Notizzettel
ab. Die Argumente sind nicht neu. Er fordert Aufklärung von der Potsdamer
Wohnungsbaugenossenschaft, ein Gesamtkonzept für den Schlaatz solle zuerst her. Mit
seiner rassistischen Einstellung hielt er nicht hinterm Berg. Auch er griff am Ende
das Schönbohm-Zitat „Das Boot ist voll“ auf. Der 29-jährige war nicht der einzige
Anwesende aus dem rechten Lager. Auch stadtbekannte Neonazis wie Thomas Pecht saßen
im Publikum. Womöglich fühlte er sich beim nächsten Thema sogar angesprochen. Die
Nazi-Schmierereien seien ein weiteres Problem, das so ein Asylheim mit sich bringe,
so die nächste Wortmeldung. Die Rede war von Hakenkreuzen, die am Wochenende an das
Lehrlingswohnheim gesprüht worden sind. Die Schlaatzer hätten bereits genug
Probleme, man müsse nicht noch einen neuen Brandherd schaffen. Wer den Herd zum
brennen bringt, darauf ging der Mann nicht ein. Dafür aber der nächste Redner: „Das
Asylbewerberheim ist nicht die Ursache der Probleme am Schlaatz. Vielleicht sollten
die Anwesenden mal in sich reinhören und überlegen, ob sie nicht doch etwas gegen
Ausländer haben.“ Ihm gelang es auch, das Argument der steigenden Kriminalität
endgültig zu entkräften: „Asylbewerber werden sich hüten, einen Deutschen auch nur
schräg anzugucken, so eingeschüchtert sind die Menschen“.
Die Stimmung begann sich ein bisschen zu wenden. Mehrere Redner_innen machten
deutlich, dass Hakenkreuz-Schmierereien kein Argument gegen das
Asylbewerber_innenheim sein können. Viel mehr sollten die Anwohner_innen sich zum
Handeln gegen Rassismus gezwungen sehen. Immer öfter wurden Forderungen laut, mit
den Bewohner_innen des Heimes in Kontakt zu treten, um Vorurteile abzubauen. Wer
Bedenken hat, könnte jederzeit zum Lerchensteig fahren und die Menschen dort
kennenlernen. Eine Forderung, die nicht nur für die Bewohner_innen des Schlaatz
gelten sollte. „In Drewitz hätte dieselbe Diskussion geführt werden können“, so ein
weiterer Redner, „das Thema stellt für die Leute in schlechter Lage ein Ventil dar.“
Doch in „schlechter Lage“ befinden sich nicht nur die Bewohner_innen der Potsdamer
Plattenbausiedlungen. Die Flüchtlinge haben meist einen weiten Weg weg von Krieg
oder politischer Repression hinter sich. Doch wie der Abend gezeigt hat, sind sie
auch hier nicht von allen erwünscht.