COTTBUS/LEIPZIG. Vermutlich im Oktober wird sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer mündlichen Verhandlung mit dem Urteil zum Tod des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul beschäftigen. Der 28-jährige Guendoul, der in Deutschland unter dem Namen Omar ben Noui Zuflucht gesucht hatte, war im Frühjahr 1999 auf der Flucht vor rechten Jugendlichen in Guben durch eine Glastür gesprungen und hatte sich dabei so schwer verletzt, dass er verblutete. Das Landgericht Cottbus hatte im November 2000 acht der elf Angeklagten der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Drei der Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren verurteilt — zwei von ihnen aber auch wegen anderer Taten. Sechs wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt, zwei kamen mit einer Verwarnung davon.
Revision eingelegt gegen das Urteil hatten sowohl der Großteil der Verteidiger als auch die Anwältinnen der Nebenklage, die Angehörige Guendouls und Überlebende jener Nacht vertreten. Nur die Cottbusser Staatsanwaltschaft akzeptierte das Urteil. Doch die Generalbundesanwaltschaft, die oberste deutsche Staatsanwaltschaft, hielt es für sinnvoll, dass der Fall mündlich vor dem Leipziger BGH verhandelt wird. “Wir haben einen Terminsantrag gestellt”, bestätigte die Pressesprecherin der Karlsruher Behörde. Wie dieser begründet sei, wollte sie aber nicht sagen. So bleibt offen, ob der Generalbundesanwalt eher der Argumentation der Nebenkläger folgt, die das Urteil für zu milde hielten, oder eher den Verteidigern, die es als zu hart ablehnten. Sollte der BGH die Revisionsanträge für begründet halten, könnte es zu einer kompletten oder teilweisen Neuauflage des Prozesses kommen, der in der ersten Instanz 17 Monate gedauert hatte.
Zufrieden mit der neuesten Entwicklung ist Christina Clemm, eine der Nebenklagevertreterinnen. “Das ist schon mal ganz gut”, sagte die Berliner Anwältin. Ende vergangener Woche habe sie der BGH darüber informiert, dass es zu einer mündlichen Verhandlung kommen soll. Der BGH habe einen Termin im Oktober avisiert.
Um den Nebenklägern die Revision zu finanzieren, hatte der Verein “Opferperspektive” zu Spenden aufgerufen. Knapp 45 000 Euro kamen dabei zusammen.