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Christen-Schwund

Sie sin­gen. Ein­er hält ein großes Kreuz aus zwei ein­fachen Hol­zlat­ten. Kurz darauf hält ein anwe­sender Pfar­rer eine kurze Predigt, dann fol­gt ein gemein­sames Gebet. Rund 70 Jugendliche haben sich so ver­sam­melt. Die Szene auf dem Bass­in­platz am ver­gan­genen Fre­itagabend erregt auch die Aufmerk­samkeit ein­er Pas­san­tin: „Was passiert denn hier, ist das eine Sekte?“

Die 17-jährige Meike und die ein Jahr ältere Johan­na ken­nen solche Reak­tio­nen. Sie sind zwei Mäd­chen aus der Jugend­gruppe auf dem Bass­in­platz, die sich am ver­gan­genen Fre­itag zum jährlichen Öku­menis­chen Kreuzweg der Jugend in Pots­dam getrof­fen haben. „Es ist manch­mal schon so, dass Vorurteile gegen Men­schen beste­hen, die Gott ver­trauen – dabei lässt sich unser Glaube mit dem Leben und der Schule ganz nor­mal vere­in­baren“, sagt Meike. Sie und ihre Fre­undin engagieren sich bei der jun­gen Gemeinde der franzö­sisch-reformierten Kirche am Bass­in­platz, ein­er evan­ge­lis­chen Kirche. „Engagieren heißt allerd­ings vor allem den Glauben gemein­schaftlich mit den anderen zu erleben“, so Meike. Deshalb geht sie auch jeden Son­ntag in die Kirche statt lange auszuschlafen: „Es kommt darauf an, was einem wichtig ist.“

Allerd­ings gehören die bei­den Mäd­chen in Pots­dam zu ein­er immer klein­er wer­den­den Gruppe. Dies zumin­d­est stellt Kreisju­gendp­far­rerin Ulrike Mosch fest. „Wir merken ganz deut­lich, dass wir zurzeit immer stärk­er mit den geburten­schwachen Jahrgän­gen zu tun haben“, sagt Mosch. An einem plas­tis­chen Beispiel macht sie dies fest: 2002 habe es noch mehr als 7000 Jugendliche zwis­chen 15 und 18 Jahren in Pots­dam gegeben – 2010 seien dies nur noch rund 2500. „Vor ein paar Jahren sind zum Jugend­kreuzweg noch knapp 200 junge Leute gekom­men, heute weniger als die Hälfte.“ Gle­ichzeit­ig gebe es das generelle Prob­lem, dass durch den immer deut­lich­er spür­baren Druck der Schule und viele andere Möglichkeit­en der Freizeit­gestal­tung viele poten­tiell Inter­essierte nur sel­ten den Weg zu den kirch­lichen Jugen­dor­gan­i­sa­tio­nen fän­den. „Viele bleiben eben weg und kom­men nur zu einzel­nen Höhep­unk­ten im Jahr“, so Mosch. Mei­n­ung­sum­fra­gen geben der Jugendp­far­rerin zum größten Teil Recht. In der aktuellen Shell-Jugend­studie für Bran­den­burg gaben vor zwei Jahren 76 Prozent der Befragten an, dass in ihrer Region zwar Freizei­tange­bote von kirch­lichen Grup­pen vorhan­den seien – diese sie aber nicht inter­essierten. Ins­ge­samt wur­den in der Studie rund 3400 Bran­den­burg­er Jugendliche befragt. 8,4 Prozent von ihnen sagten, dass sie sich in ein­er kirch­lichen Organ­i­sa­tion engagieren, im Alter ab 18 Jahren waren dies sog­ar nur 5,4 Prozent.

Solchen Trends möchte Jugendp­far­rerin Mosch natür­lich ent­ge­gen­wirken. Doch viel machen lässt sich offen­bar nicht. „Wir fassen viele Aktiv­itäten in Zen­tren zusam­men, damit nicht einzelne Stadt­teil­grup­pen irgend­wann zu klein wer­den und dann vielle­icht gän­zlich zer­brechen“, sagt Mosch über die derzeit­ige Strate­gie, um die fehlen­den Mit­glieder zu kom­pen­sieren. Dies ließe sich auch kaum ver­hin­dern: Ihre Arbeit sei nicht auf „Großmis­sion­ierung“ ausgelegt.

Schön find­en dies Meike und Johan­na nicht. Sie wollen, dass sich die Kirche mehr nach außen öffnet, üben sie Kri­tik. „Viele haben ja auch eher ein Prob­lem mit der Insti­tu­tion Kirche als mit Glaube an sich – auch wir“, sagt Johan­na. Wie sie selb­st zu ihrem Glauben gekom­men sind, das ver­mö­gen sie nur schw­er in Worte zu fassen. Meike ver­sucht es so: „Ich denke, es ist kein Gläu­big-Wer­den, son­dern vielmehr ein Ent­deck­en Gottes.“

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