Dokumentarfilmer Veiel plant ein Theaterstück. Bundesgerichtshof entscheidet über das Urteil
(Tagesspiegel, Marc Neller) Bisher weiß man: In Potzlow, einem Dorf in der Uckermark, brachten im Sommer
2002 drei junge Männer ihren Freund auf bestialische Weise um — so, wie sie es in einem Film gesehen hatten. Sie warfen ihr Opfer in eine Jauchegrube. Es gab Mitwisser, die aber schwiegen. Einige Wochen später ging der Mord an
dem 16-jährigen Schüler Marinus Schöberl als “Mord von Potzlow” durch die Republik. Die Täter sind verurteilt, heute entscheidet der fünfte Strafsenat
des Bundesgerichtshofs über einen Revisionsantrag der
Staatsanwaltschaft.Gegen die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Strafen legte
die Staatsanwaltschaft beim BGH Revision ein. So wurde der 17-jährige
Sebastian F. nur wegen Körperverletzung und Nötigung zu zwei Jahren
Jugendstrafe verurteilt.
“Was man bisher weiß über diesen Mord, kommt der Wirklichkeit vermutlich
schon sehr nahe”, sagt der Dokumentarfilmer Andres Veiel. “Aber da sind
zehn, fünfzehn Prozent, die auch im Gerichtsprozess unsichtbar geblieben
sind. Ich will die Täter und die Opfer zeigen, das Menschliche an ihnen und
die Widersprüche.” Ihn interessierten die Motive und die Vorgeschichte der
Täter. “Es scheint mir da sehr viele Brüche zu geben.” Wer die Täter waren,
stehe fest. “Aber das Bild, das man bisher von dem Fall hat, ist mir noch zu
simpel.” So sei die Frage, warum drei junge Menschen einen Freund umbringen,
noch nicht geklärt.
Aus diesem Stoff will Veiel ein Theaterstück machen, das möglicherweise im
kommenden Jahr im Theater Basel und im Maxim-Gorki-Theater in Berlin zu
sehen sein soll. Ein Einpersonenstück über den Mord von Potzlow im Sommer
2002, einen Monolog, in dem sich die Perspektiven von Opfer und Tätern
kreuzen. Veiel will es schreiben und selbst Regie führen.
Es wäre nicht das erste rechercheaufwändige Projekt, das Veiel einem
spektakulären Mordfall widmet. Bekannt wurde er mit den Film “Blackbox BRD”
(1999/2000). Für die Dokumentation über den RAF-Mord an dem Deutsche-
Bank-Chef Alfred Herrhausen wurde er unter anderem mit dem Europäischen
Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Die Filmkritiker lobten Veiels
differenzierte Darstellung und die offenkundig aufwändige Recherche. Wie
auch bei späteren Projekten.
Zwei bis drei Monate werde er wohl dieses Mal benötigen, sagt Veiel. Der
Filmemacher bereitet Interviews mit Zeugen und Dorfbewohnern vor und erhofft
sich durch eine intensive Recherche neue Erkenntnisse über die Hintergründe
der Tat. Endgültig entschieden ist über sein Theater-Projekt noch nicht.
Doch Eberhard Wagner, Geschäftsführer des Gorki-Theaters, sagt: “Es sieht
sehr gut aus. Dem Projekt dürfte nichts mehr im Weg stehen.” Der Vertrag mit
Veiel sei zwar noch nicht unterschrieben. “Aber ich kann mir vorstellen,
dass das bald geschieht.” Auf einen konkreten Termin will er sich aber nicht
festlegen.
Sollte der BGH heute die früheren Urteile im Mordprozess bestätigen, wäre
Veiel schon einmal die Sorge los, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen.
Was man darüber hinaus über den Mord von Potzlow erfahren könnte, liegt dann
vorerst in der Hand der zwei Theater.
Mord von Potzlow erneut vor Gericht
(MOZ) Leipzig/Potzlow/Berlin (dpa) Der grausame Tod des Schülers Marinus Schöberl
im uckermärkischen Potzlow beschäftigt an diesem Donnerstag erneut die
Justiz. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Leipzig hat zu
entscheiden, ob das Verfahren neu aufgerollt werden muss. Das Landgericht
Neuruppin hatte die heute 19 und 25 Jahre alten Täter im vergangenen Oktober
zu Haftstrafen zwischen 2 und 15 Jahren verurteilt. Sie hatten den
16-Jährigen im Juli 2002 gefoltert, mit Tritten gegen den Kopf getötet und
in einer Jauchegrube verscharrt.
Die Staatsanwaltschaft verfolgt mit ihrer Revision vor dem BGH eine
Verurteilung wegen Mordes für alle drei Täter und damit ein härteres Urteil.
Bislang ist nur der heute 19-jährige Haupttäter wegen Mordes schuldig
gesprochen worden.
Die skelettierte Leiche des Schülers war erst Monate nach dem Martyrium auf
einem Stallgelände in Potzlow entdeckt worden. Drei Tage später, am 19.
November 2002, wurde gegen drei Jugendliche Haftbefehl erlassen. Die Richter
in Neuruppin gingen von rechtsextremen Motiven der drei Täter aus.
Derweil soll der Tod von Marinus auf der Theaterbühne thematisiert werden:
Der Filmemacher Andres Veiel (“Black Box BRD”) plant ein Stück über den Mord
von Potzlow. Er wolle die Täter und die Opfer zeigen, das Menschliche an
ihnen und die Widersprüche, sagte Veiel dem “Tagesspiegel”. Ihn
interessierten die Motive und die Vorgeschichte der Täter. Aus diesem Stoff
will Veiel ein Ein-Personenstück machen, das möglicherweise im kommenden
Jahr im Theater Basel und im Maxim-Gorki-Theater in Berlin zu sehen sein
soll. Veiel will auch selbst Regie führen.