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Das Ende eines Obelisken

Daß der 8. Mai 1945 in Deutsch­land tiefe Spuren hinterlassen
hat, ist unbe­strit­ten. Jahrzehn­te­lang standen allerdings
Begriffe wie Befreiung, oder Stunde Null, Zusam­men­bruch oder
Nieder­lage nicht nur für kon­träres Geschichtsverständnis,
son­dern auch für ent­ge­genge­set­zte Gesellschaftsmod­elle. Mit
dem Ende der DDR — iro­nis­cher­weise unter tatkräftiger Mithilfe
von Erben der sow­jetis­chen Kriegs­gen­er­a­tion herbeigeführt -
hielt auch die Umschrei­bung von Geschichte in die geläufige
west­deutsche Lesart Einzug in Ost­deutsch­land Einzug. Die
Beispiele dafür sind, begin­nend bei der Besei­t­i­gung von
Straßen­na­men über die Bere­ini­gung von Ehren­bürg­erlis­ten bis
zur Umwid­mung von ungeliebten Denkmalan­la­gen, fast schon
Legion. Ein jüng­stes Beispiel lieferte dieser Tage die
Kle­in­stadt Treuen­bri­et­zen im bran­den­bur­gis­chen Landkreis
Tel­tow-Fläming. Dort machte erst im ver­gan­genen Monat der
Abrißbag­ger dem Obelisken zu Ehren der gefallenen
Sow­jet­sol­dat­en den endgülti­gen Garaus. 

Voraus­ge­gan­gen war diesem demokratisch bemän­tel­ten Akt
von Fried­hofs- bzw.- Denkmalschän­dung — im konkreten Fall
läßt sich auch Umschrei­bung der Geschichte dazu sagen -
ein jahre­langer Eier­tanz in der Stadtver­wal­tung, über den
junge Welt sein­erzeit aus­führlich berichtete; damals allerdings
noch mit der leisen Hoff­nung, daß die his­torische Vernunft
let­ztlich die Ober­hand behal­ten kön­nte. Doch wed­er die
mah­nen­den Stim­men der örtlichen Oppo­si­tion noch aus der
Rus­sis­chen Botschaft, wed­er das Beispiel ander­er Kommunen
in der Region noch die Inter­ven­tion von His­torik­ern oder gar
Bun­destagsab­ge­ord­neten kon­nten die eifernden
Denkmal­stürmer bremsen. 

Der Obelisk, jahrzehn­te­lang Mit­telpunkt des sowjetischen
Ehren­fried­hofs mit einem Gräber­feld für 400 Rotarmisten,
gehörte zu ein­er Gesam­tan­lage, in der auch der Toten
früher­er Kriege gedacht wird. Ihrem Gedenken stand der Stein
mit dem Roten Stern obe­nauf nach Mei­n­ung des örtlichen
Heimatvere­ins wie der qua­si angeschlossenen
Stadtver­wal­tung im Wege. Seit Mitte der 90er Jahre wurde
deshalb auf seine Besei­t­i­gung hingear­beit­et, zunächst unter
dem Schlag­wort »Sanierungs­be­darf«. Unter dem Vorwand
irrepara­bler Baufäl­ligkeit — aus­gewiesen durch ein Gutachten,
das keines war — sollte der Denkmalschutz, unter dem
Anla­gen wie diese auch gemäß zen­traler deutsch-russischer
Vere­in­barun­gen ste­hen, aus­ge­he­belt wer­den. »Der Obelisk«,
so die obskure Logik des dama­li­gen Bürg­er­meis­ters Karsten
Cor­nelius im Dezem­ber 1998 gegenüber jW, müsse ja »dem
Gutacht­en zufolge kom­plett abge­tra­gen wer­den, um saniert zu
wer­den. Damit ist er kein Denkmal mehr.« Proteste nicht nur
aus der Rus­sis­chen Botschaft sorgten dafür, daß der 1998
begonnene Abriß umge­hend wieder eingestellt wer­den mußte.
Doch über alle Gegengutacht­en, Ein­wände und Vorschläge
zur Sanierung (die übri­gens bil­liger zu haben gewe­sen wäre
als der nun vol­len­dete Abriß) hin­weg behielten
Stadtver­wal­tung und der deutschtümel­nde Heimatvere­in die
Ober­hand. Beobachter sprechen von einer
»Nacht-und-Nebel-Aktion«.

An Stelle der sow­jetis­chen Gräber soll sich dem zuständigen
Land­schafts­gestal­ter zufolge nur noch eine anonyme
Efeu­fläche aus­bre­it­en und damit den Toten ihre Identität
nehmen. An die einst hier zur let­zten Ruhe Gebet­teten wie den
Helden der Sow­je­tu­nion Fedor Schartschin­s­ki, gefall­en bei der
Befreiung des Zwangsar­beit­er­lagers für die Munitionsfabrik
Treuen­bri­et­zen, Werk A, wird kün­ftig kein Hin­weis mehr
erin­nern: »Geschichte von ihrer schwärzesten Seite«, heißt es
dementsprechend in einem Leser­brief aus dem »poli­tis­chen
Kräh­winkel« namens Treuen­bri­et­zen kom­men­tierend. Dafür ist
der Blick auf die deutschen Krieger von 1870, 1914 und 1939
nun wieder unver­stellt — und zeit­gemäß, wie die derzeitige
Welt­lage, bun­des­deutsche Kriegs­beteili­gung inklusive,
erah­nen läßt. 

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