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Das sind Spremberger”

SPREMBERG Seit Son­ntagabend lebt Thi­hang Nguyen in ständi­ger Angst: An dem Tag ver­ließ sie mit ihren drei Kindern ihre Woh­nung und flüchtete in die Obhut von Johann Jakob Werdin — statt am Mon­tag in den Flieger nach Viet­nam zu steigen. “Wir gewähren der Fam­i­lie Schutz”, erk­lärt der Pfar­rer der evan­ge­lis­chen St.-Michael-Gemeinde in Sprem­berg (Spree-Neiße). Das Wort Kirchenasyl will er allerd­ings nicht in den Mund nehmen. Schließlich sei die Fam­i­lie nicht “an Leib und Leben” bedroht.
Die 39-jährige Thi­hang Nguyen ist von den Kreis-Behör­den inzwis­chen wegen ille­galem Aufen­thalt in Deutsch­land zur Fah­n­dung aus­geschrieben. Eben­so ihre drei Söhne Van Thuy, Van Thanh und Thanh Long, neun, acht und zwei Jahre alt. Die Mut­ter und ihre Kinder sollen nach acht Jahren das Land ohne den Fam­i­lien­vater ver­lassen, weil für ihn bish­er keine Rück­über­nahme-Erk­lärung aus Viet­nam vorliegt.
Die Abschiebung sei recht­skräftig, bestätigt Lan­drat Dieter Friese (SPD). “Mir sind die Hände gebun­den.” Beson­ders unglück­lich, so Friese: Der Vater sei 1992 wegen ille­galen Zigaret­ten­han­dels straf­fäl­lig gewor­den. Die Aufen­thalt­ser­laub­nis sei einige Jahre später nur deswe­gen abgelehnt wor­den, weil die Tat noch nicht ver­jährt war. Friese: “Dabei arbeit­et der 39-jährige Van Thuy Hoang seit mehreren Jahren in einem Restau­rant.” Die Entschei­dung habe nichts mit sein­er per­sön­lichen Hal­tung zu tun. Friese hat­te sich in den ver­gan­genen Monat­en für mehrere von Abschiebung bedro­hte Fam­i­lien eingesetzt.
Im Innen­min­is­teri­um hält man sich bedeckt. Die Geset­zes­lage und die Rechtssprechung sei klar, so Sprech­er Heiko Hom­burg. Einen Ermessensspiel­raum gebe es nicht. Einen Zugriff in der Kirche schloss er auf Nach­frage aus.
Nach Infor­ma­tio­nen der MAZ hat die Aus­län­der­be­hörde die Aufen­thalt­ser­laub­nis nicht nur wegen der Vorstrafe ver­weigert, son­dern auch, weil die Fam­i­lie nicht unter die Alt­fall­regelung fällt. Sie sei seit 1996 aus­reisepflichtig und habe nie Anstal­ten gemacht auszureisen — damit halte sie sich nicht unver­schuldet, wie im Falle ein­er schw­eren Krankheit, in Deutsch­land auf. Auch das Ver­wal­tungs­gericht habe erk­lärt, dass es zumut­bar sei, Mut­ter und Kinder getren­nt vom Vater auszuweisen. Dieser müsse nur seine Papiere in Ord­nung bringen.
Während vor den Kirchen­mauern die Fah­n­dung läuft, ver­suchen Thi­hang Nguyen und ihre Kinder, im Gebäude All­t­ag zu leben. Die 39-Jährige kocht, zwis­chen­durch kom­men Lehrerin­nen und unter­richt­en die bei­den Acht- und Neun­jähri­gen. Genächtigt wird auf Luft­ma­tratzen. Wie lange das so weit­erge­hen soll, weiß auch der Pfar­rer nicht.
Er hält die Entschei­dung der getren­nten Abschiebung für unver­ant­wortlich. Schließlich sei auch im Grundge­setz der “beson­dere Schutz der Fam­i­lie” fest­geschrieben, sagt er. “Eine Frau mit Kindern und ohne Mann ist in Viet­nam sozial aus­ge­gren­zt — es wird für sie unmöglich sein, eine Woh­nung oder Arbeit zu find­en.” Beson­ders für die Kinder, die alle in Deutsch­land geboren wur­den, sei es hart. Werdin: “Das sind Sprem­berg­er, ihre Mut­ter­sprache ist Deutsch.”
Sprem­berg ist der zweite diesjährige Fall von Kirchenasyl im Spree-Neiße-Kreis. Im Som­mer hat­te die in Guben lebende viet­name­sis­che Fam­i­lie Nguyen Schutz vor der Zwangsausweisung gesucht. Ihr Fall hat­te bun­desweit für Auf­se­hen gesorgt: Schließlich hat­ten sich die Behör­den ver­ständigt, der vierköp­fi­gen Fam­i­lie eine dauer­hafte Aufen­thalts­genehmi­gung einzuräu­men. Möglich war dies gewor­den, weil sie keine abgelehn­ten Asyl­be­wer­ber waren und der Arbeit­ge­ber bescheinigt hat­te, dass der Fam­i­lien­vater uner­set­zlich ist.

Spek­takuläre Asyl-Fälle

Nicht nur in Sprem­berg, auch in Guben und Forst stem­men sich abgelehnte Asyl­be­wer­ber gegen ihre dro­hende Abschiebung.
Einen Erfolg erzielte gestern eine fün­fköp­fige bosnis­che Fam­i­lie aus Forst. Das Ver­wal­tungs­gericht Cot­tbus hat die für heute geplante Abschiebung vor­erst gestoppt. Dadurch ver­längert sich der Aufen­thalt der Roma-Fam­i­lie um zwei weit­ere Monate. Grund für die Entschei­dung ist der Gesund­heit­szu­s­tand der 32-jähri­gen Frau, die wegen ein­er Fehlge­burt im Kranken­haus liegt. Laut Gericht ist eine gesund­heitliche Besserung der vier­fachen Mut­ter durch eine Behand­lung in Deutsch­land möglich.
Einen Rückschlag gab es hinge­gen für zwei koso­varische Fam­i­lien. Am Dien­stag hat das Innen­min­is­teri­um Spree-Neiße-Lan­drat Dieter Friese (SPD) angewiesen, die achtköp­fige Fam­i­lie Rex­haj auszuweisen. Im Okto­ber hat­te die Behörde bere­its die ein­jährige Dul­dung für die sech­sköp­fige Fam­i­lie Bun­jaku aufge­hoben. Lan­drat Friese hat­te sich im Sep­tem­ber auf einen überge­set­zlichen Not­stand berufen und bei­den Fam­i­lien eine ein­jährige Dul­dung aus­ge­sprochen — laut Min­is­teri­um rechtswidrig. Bis zur endgülti­gen Ausweisung kön­nen allerd­ings noch mehrere Monate verge­hen, da die Fam­i­lien Rechtsmit­tel ein­le­gen können. 

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