POTSDAM. Der Test war erfolgreich, und sofort regt sich Protest: Das Potsdamer Innenministerium hat von Juni bis August 2003 auf Brandenburgs Straßen ein System getestet, mit dem Kennzeichen vorbeifahrender Autos gescannt und überprüft werden können. “Diese Technik kann ein wichtiges
Mittel zur Gewährleistung der inneren Sicherheit sein”, sagte Ministeriumssprecher Heiko Homburg. Könnte man doch über die Nummernschilder gestohlene Autos oder flüchtende Kriminelle aufspüren. Datenschützer fürchten aber, dass langfristig ein flächendeckendes Überwachungsnetz
aufgebaut wird, mit dem alle Fahrten registriert und so genannte Bewegungsprofile erstellt werden könnten.
Keine Speicherung von Daten
Dem widerspricht Homburg mit Blick auf den Test in Brandenburg: “Es wurden keine Daten gespeichert, sondern Kennzeichen von Polizeiautos einprogrammiert, als wären sie zur Fahndung ausgeschrieben.” Wenn die Autos an den Scannern vorbeifuhren, schlug das System Alarm. Das System soll nur eingeführt werden, wenn sich auch andere Bundesländer beteiligen.
Bundesweit wird seit Wochen über Sinn und Zweck eines Systems diskutiert, das Kennzeichen erfasst und mit Fahndungscomputern des Bundeskriminalamtes abgleicht. Die Scanner wurden in Hessen, Bayern und Thüringen getestet.
“Es ist Technik, die darauf abzielt, alle — auch unbescholtene Verkehrsteilnehmer — zu beobachten und zu erfassen”, sagt Brandenburgs Datenschutzbeauftragter, Alexander Dix. Der Einsatz der Technik lasse sich
nicht effektiv begrenzen. “Einmal eingeführt, weckt das System neue Begehrlichkeiten und wird zur Blankovollmacht für die permanente Fahndung”, sagte er. Bisher sei es ein Grundsatz des Rechtsstaates, dass unbescholtene
Bürger eine Dauerbeobachtung durch den Staat nicht hinnehmen müssen. Dies sei nun gefährdet. “Es ist kaum vorstellbar, dass so teure Technik nur genutzt wird, um Autodiebe zu schnappen”, sagte Dix.
Auch der einstige SPD-Innenminister von Niedersachsen und Chef des dortigen Kriminologischen Forschungsinstituts, Christian Pfeiffer, glaubt nicht, dass das System nur für einzelne Fahndungen eingesetzt wird. “Es ist sehr
problematisch, wenn über Technik diskutiert wird, die die Daten von Bürgern erfassen kann, ohne dass ein konkreter Tatverdacht vorliegt”, sagt er. “Das läuft auf eine Qualtiät der Bürgerkontrolle hinaus, die sich Orwell in
seinen schlimmsten Alpträumen nicht ausgemalt hat”, sagte Pfeiffer.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, verteidigte die Tests. “Niemand denkt an die Speicherung von Daten”, sagte er. Aber mit dem anstehenden Wegfall der Kontrollen an der Grenze zu Polen müssten die Kontrollen im Landesinneren verstärkt werden — auch mit Hilfe der Scanner. Wenn dafür eine Änderung des Landespolizeigesetzes nötig sei, würde das die CDU mittragen. Die SPD bleibt zurückhaltend. “Das Ganze ist
nicht mehr als eine Idee”, sagte Innenexperte Werner-Siegwart Schippel. “Aus finanziellen und Gesetzesgründen gibt in dieser Legislatur keinen Handlungsbedarf.” Auf keinen Fall werde die SPD der Erstellung von
Bewegungsprofilen zustimmen. Die PDS-Politikerin Kerstin Kaiser-Nicht hält es für bedenklich, dass das Ministerium noch nicht einmal den Innenausschuss über die Tests informiert hat. “Die Technik kann in Einzelfällen vielleicht
nützlich sein, aber eine flächendeckende Überwachung wäre
unverhältnismäßig”, sagte sie.
Der Sprecher des Innenministers versteht die Aufregung der Kritiker nicht. “Der Datenschutz spielt dabei gar keine Rolle”, sagte Homburg. Das System funktioniere so, als würde ein Polizist mit einem Fernglas die Straßen nach
Kennzeichen von Fahndungswagen absuchen. Auch aus finanziellen Gründe sei im Land kein fächendeckendes Scanner-Netz geplant, sondern der mobile Einsatz
der Technik. “Einen Missbrauch wird es nicht geben, denn jeder sollte davon ausgehen, dass sich Polizisten rechtsstaatlich verhalten”, sagte er.