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Debatte um Kirchenasyl

POTSDAM Als alle Rechtsmit­tel erschöpft waren, erin­nerte sich Spree-Neiße-Lan­drat Dieter Friese (SPD) an das Luther-Wort “Sündi­ge tapfer” und rief im ver­gan­genen Sep­tem­ber einen “überge­set­zlichen Not­stand aus. Statt mehrere abgelehnte Asyl­be­wer­ber ins Koso­vo zurück zu schick­en, erteilte der SPD-Poli­tik­er ihnen eine weit­ere ein­jährige Duldung. 

Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) tobte. Doch strafrechtlich hat­te Frieses eigen­willige Rechts-Auf­fas­sung bis­lang keine Auswirkun­gen. “Auch ein vol­lziehbar aus­reisepflichtiger Aus­län­der kann geduldet wer­den”, erläuterte der Sprech­er des Jus­tizmin­is­ters, Ull­rich Her­rmann, damals. Das Innen­min­is­teri­um pocht hinge­gen nach wie vor darauf, dass Friese nach Recht und Gesetz zu han­deln habe. Etwaige Kon­se­quen­zen für Friese erörtere man “nicht öffentlich”, teilte Sprech­er Heiko Hom­burg mit. Ob die Staat­san­waltschaft inzwis­chen von sich aus wegen Rechts­beu­gung gegen den Lan­drat ermit­telt, ist noch unklar. 

Eben­so unklar ist, wie die Lan­desregierung das Kirchenasyl bew­ertet. Die recht­sex­treme DVU wollte in ein­er par­la­men­tarischen Anfrage wis­sen, ob sich Pfar­rer straf­bar machen, wenn sie Aus­län­dern, deren Aufen­thalt in Deutsch­land been­det ist, in Kirchen Asyl gewähren. Der Innen­min­is­ter blieb eine klare Antwort schuldig: “Eine pauschale Aus­sage zur Straf­barkeit der Asyl gewähren­den Pfar­rer oder ander­er Kirchen­vertreter ist nicht möglich”, so seine knappe Auskun­ft. Es sei grund­sät­zlich in jedem Einzelfall “die Rel­e­vanz etwaiger Beteili­gung­shand­lun­gen in strafrechtlich­er Hin­sicht zu würdi­gen”. Da dies bish­er unterblieben ist, bleiben die Gotteshäuser ein rechts­freier Raum. Seit Mitte 1999 sind dem Innen­min­is­teri­um sieben Kirchenasylfälle in Cot­tbus und den Kreisen Tel­tow-Fläming, Ober­spree­wald-Lausitz, Märkisch-Oder­land und Spree-Neiße bekan­nt geworden. 

Obwohl der Innen­min­is­ter in sein­er par­la­men­tarischen Ent­geg­nung nicht auss­chloss, dass einzelne Kirchenasylfälle strafrechtlich geprüft wür­den, zeigte sich ein­er sein­er schärf­sten Kri­tik­er zufrieden mit der Antwort. Er hätte es zwar lieber gese­hen, wenn Schön­bohm auf die Anfrage mit einem Nein geant­wortet hätte, sagte der Cot­tbuser Gen­er­al­su­per­in­ten­dent Rolf Wis­chnath. Aber dafür, dass sich Kirchenasyl immer in einem rechtlichen Grenzbere­ich abspiele, sei die Antwort “außeror­dentlich zurückhaltend”. 

Er ver­mei­de es im Übri­gen immer von Kirchenasyl zu sprechen, so Wis­chnath. Dieser Begriff aus dem Mit­te­lal­ter sug­geriere einen “heili­gen, sakrosank­ten Raum, der unan­tast­bar ist”. Doch die Kirchen wür­den keinen rechts­freien Raum für sich beanspruchen, ver­sicherte der Kirchen­mann. Man wolle mit dieser “Tat der Barmherzigkeit” nur aufzeigen, dass die Durch­set­zung von Recht im Einzelfall auch wieder neues Unrecht schaf­fen kann. Die oppo­si­tionelle PDS hinge­gen forderte gestern erneut die Ein­set­zung ein­er Härte­fal­lkom­mis­sion. Damit könne die indi­vidu­elle Sit­u­a­tion von aus­ländis­chen Fam­i­lien und Einzelper­so­n­en berück­sichtigt wer­den, erk­lärte der PDS-Lan­desvor­sitzende Ralf Christof­fers. “Kirchenasyl hat eine human­itäre Funk­tion.” Er warnte ein­drück­lich davor, die Fra­gen der Migra­tion und Flüchtlingspoli­tik zum The­ma im Bun­destagswahlkampf wer­den zu lassen. 

Auch zur Härte­fal­lkom­mis­sion äußerte sich Wis­chnath zurück­hal­tend: “Heil und Men­schlichkeit” seien von ein­er Härte­fal­lkom­mis­sion nicht zu erwarten. “Die meis­ten umstrit­te­nen Asylfälle hät­ten mit ein­er Kom­mis­sion auch nicht bess­er gelöst wer­den können.” 

Kom­men­tar von Stephan Breiding 

Reformbedarf 

Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Schön­bohm hat sich mit sein­er Rep­lik auf die Asyl-Anfrage im Par­la­ment sehr zurück­ge­hal­ten. Eine pauschale Antwort sei nicht möglich, es müsse der Einzelfall geprüft wer­den. Tat­sache ist, dass es für Kirchenasyl kein­er­lei Rechts­grund­lage gibt, auf die man sich berufen kann. Doch Pfar­rer, die ihrem Gewis­sen einen höheren Stel­len­wert ein­räu­men als Recht und Gesetz, mussten in Bran­den­burg bish­er keine Kon­se­quen­zen fürcht­en. Und obwohl Schön­bohm auch bei offenkundi­gen Fam­i­lien-Dra­men immer stur auf Abschiebung behar­rt — ein Gotte­shaus hat der gläu­bige Christ bish­er nicht stür­men lassen. Anders als im SPD-regierten Nieder­sach­sen, wo abzuschiebende Aus­län­der von Polizis­ten schon mal in der Nacht aus Kirchen­bet­ten geholt wer­den. Auch wenn in Bran­den­burg das Kirchenasyl schon Erfolg hat­te — eine Dauer­lö­sung ist es nicht. Eher eine War­nung: Die ins­ge­samt 350 Kirchenasylfälle bun­desweit zeigen, dass das Aus­län­der­recht drin­gend reformbedürftig ist.

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