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Demo am 21.3. in Potsdam: Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschismus:

Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschis­mus: Gegen den Wieder­auf­bau der Pots­damer Garnisonkirche!

Aufruf zur Demon­stra­tion am 21.03.2003

16.30 Uhr Pots­dam, Denkmal für den Unbekan­nten Deser­teur am Platz der Einheit

Die Gar­nisonkirche in Pots­dam war Zeit ihrer Exis­tenz weniger eine harm­lose Stätte des Glaubens als vielmehr ein Ort staatlich­er Diszi­plin­ierung und Raum poli­tis­ch­er Insze­nierun­gen. Errichtet wurde sie auf Ver­an­las­sung des preußis­chen Königs Friedrich Wil­helm I. zu dem Zweck, „eine Ver­samm­lung­shalle für die geistig-moralis­che Züch­ti­gung der ‚Riesenker­le’“ zu sein. In der Fol­gezeit diente das Haus zunehmend als Ausstel­lung­shalle für die in ver­schiede­nen Kriegen erbeuteten Trophäen. Fah­nen und Stan­darten der Besiegten aus dem 2. Schle­sis­chen Krieg, später aus den Napoleonis­chen Kriegen und noch viel später, in Wil­helminis­ch­er Zeit, aus dem, nun gesamt-großdeutsch errun­genen Sieg über Frankre­ich, wur­den im Altar­raum zur Schau gestellt, um aller Welt die mil­itärische Macht­fülle und den Herrschaft­sanspruch des Preußen­tums zu demon­stri­eren. In der Gar­nisonkirche wur­den die großen Sieges­feiern, beispiel­sweise nach dem siegre­ichen Dänen­feldzug 1864 gefeiert, und mit dem Glock­en­geläut der Gar­nisonkirche wur­den Sol­dat­en in den Krieg, z. B. in den Ersten Weltkrieg, geschickt. 

Doch nicht allein diese mil­i­taris­tis­che Tra­di­tion machte Preußen so kom­pat­i­bel für die Nazipro­pa­gan­da. Der Obrigkeitsstaat Preußen bedurfte jen­er unkri­tis­chen Ein­stel­lung sein­er Bürg­erIn­nen, die uns heute als „preußis­che Sekundär­tu­gen­den“ bekan­nt ist. Die Iden­ti­fika­tion mit dem Staat und sein­er Macht war in Preußen sowohl im Adel, wie im Heer der Beamten oder dem sozialdemokratis­chen Teil der Arbeit­er­schaft beson­ders aus­geprägt. Der Ruf nach einem starken Staat (Ruhe und Ord­nung), nach Verzicht im Inter­esse aller (Genügsamkeit) und nach Selb­st­diszi­plin­ierung (Fleiß und Pünk­tlichkeit) sind nicht erst heute auch die poli­tis­chen Marken­ze­ichen poten­tieller FaschistIn­nen. Schon Goethe kon­sta­tierte lange vor dem Nation­al­sozial­is­mus: „Vor die Wahl gestellt zwis­chen Unrecht und Unord­nung, entschei­det sich der Deutsche für das Unrecht“. Dann entsch­ieden sich die Nation­alkon­ser­v­a­tiv­en, die Preußen, die Deutschen gegen die Unord­nung und für das Unrecht. Am Tag von Pots­dam reicht­en sie Hitler nicht nur sym­bol­isch die Hand. 

Auch für den preußis­chen Unter­ta­nengeist und die preußis­chen Tugen­den stand die Gar­nisonkirche als Sym­bol. Lange bim­melte sie „Üb immer Treu und Redlichkeit“ vom Kirch­turm über die Stadt und beschwor die soge­nan­nten preußis­chen Tugen­den. Später klang „Üb immer Treu und Redlichkeit“ als Erken­nungsmelodie aus den Volk­sempfängern, wenn die Nazis ihre Erfol­gsmeldun­gen von der Front an die treuen und redlichen Unter­ta­nen ver­melde­ten. Nicht umson­st stellt Oskar Lafontaine fest, daß die preußis­chen Sekundär­tu­gen­den jene Eigen­schaften sind, mit denen man eben­so gut ein Konzen­tra­tionslager betreiben kann. 

Es war daher kein „Miss­brauch“ der Gar­nisonkirche, als die Nazis beschlossen, ger­ade hier die Über­gabe der poli­tis­chen Macht an sie zu insze­nieren, son­dern es lag in der Logik der Tra­di­tion dieses Haus­es, die nicht von den Nation­al­sozial­is­ten erfun­den wurde. Adolf Hitler äußerte 1933, nach dem, von den Nazis möglicher­weise selb­st gelegten, Reich­stags­brand: „Es gibt kein höheres Sym­bol, als daß nach dem Ver­brechen im Reich­stag jet­zt die nationale Regierung nach Pots­dam geht, um an der Bahre des großen, unsterblichen Königs in der Gar­nisonkirche das neue Werk des deutschen Wieder­auf­baus zu beginnen.“ 

Hitler kon­nte also von einem bere­its existieren­den Sym­bol­ge­halt der Gar­nisonkirche aus­ge­hen, der sich für eine öffentlichkeitswirk­same, die nation­al­sozial­is­tis­che Herrschaft legit­imierende Zer­e­monie außeror­dentlich gut eignete. Diesen Sym­bol­ge­halt hat­te und hat die Gar­nisonkirche, für alte wie für neue Nazis! Es wäre naiv, das zu leug­nen. Die in dem Vere­in zum Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche namens „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ zusam­mengeschlosse­nen Leute sind jedoch nicht naiv. Vielmehr liegt der Ver­dacht nahe, dass sie genau in der Tra­di­tion ste­hen, die zu dem Händ­e­druck Hin­den­burgs und Hitlers am 21. März 1933 in der Gar­nisonkirche führte und dass sie mit der Wieder­rich­tung der Kirche auch das Sym­bol für diese Tra­di­tion wieder­erricht­en wollen. Der Vor­sitzende der Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft , Ex-Oberst Max Klaar, forderte 1989 in einem Rund­brief die Wieder­her­stel­lung Deutsch­lands in den Gren­zen von 1937. Die Inschriften der Glock­en des Glock­en­spiels sind ein Sam­mel­suri­um der Namen von Fallschir­mjäger-batail­lio­nen der Bun­deswehr, preußis­chen Prinzen und Infan­teriereg­i­mentern, den zehn Geboten, reak­tionären Sol­daten­vere­inen und ver­lore­nen Ost­ge­bi­eten. Nur let­ztere Inschriften wur­den bei der Auf­stel­lung des Glock­en­spiels in Pots­dam entfernt. 

Nach­dem die Ev. Kirche dank des Engage­ments des ehe­ma­li­gen Pfar­rers der Heilig-Kreuz-Gemeinde Uwe Dittmer jahre­lang den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche kat­e­gorisch abgelehnt hat­te, bröck­elte der Wider­stand seit Ende der 90er Jahre immer weit­er. Auch die Ver­suche der Kirche, den Wieder­auf­bau inhaltlich zu dominieren, sind längst im Sande ver­laufen. Inzwis­chen geben die „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ und die Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe, deren Schirmherr ein gewiss­er Jörg Schön­bohm ist, dank der bere­its gesam­melten Mil­lio­nen den Ton an. 

Längst zeich­net sich die Aufwe­ichung des von der Pots­damer Syn­ode der evan­ge­lis­chen Kirche als „Kom­pro­miss“ beze­ich­neten Konzepts ab, das den Wieder­auf­bau des Gar­nisonkirch­turms mit dem Nagelkreuz auf der Turm­spitze und die Nutzung zu einem von der Kirche durch eine eigene Stiftung betriebe­nen Ver­söh­nungszen­trums vor­sieht. Inzwis­chen hat die Kirche bere­its sig­nal­isiert, auch auf das ohne­hin nur als Ali­bi auf der Kirch­turm­spitze vorge­se­hene Nagelkreuz von Coven­try zu verzicht­en. Der evan­ge­lis­che Hil­fsvere­in hat an die eigens für die Gar­nisonkirche gegrün­dete kirch­liche Stiftung 100.000 ? gespendet und gle­ichzeit­ig die finanzielle Beteili­gung von Stadt und Land für das Wieder­auf­baupro­jekt gefordert. Bei den Pla­nun­gen für den Auf­bau des Stadtschloss­es war die Stadtver­wal­tung vor Jahren mit dem Ver­sprechen ange­treten, den Auf­bau auss­chließlich aus Spenden zu finanzieren. 

Darüber spricht inzwis­chen nie­mand mehr. Vielmehr wird inzwis­chen die Nutzung als Land­tag und die voll­ständi­ge Finanzierung aus öffentlichen Geldern favorisiert. Erste kom­mu­nale Mit­tel sollen 2003 in Mil­lio­nen­höhe aufgewen­det wer­den, um den Stadtschloß­grun­driß freizule­gen, d.h. eine sinnlose Straße über den Alten Markt zu bauen. 

Die Mis­chung aus hemd­särm­liger Infan­til­ität und revan­chis­tis­chem Kalkül mit der Tra­di­tionsvere­ine, Prov­inzpoli­tik­er und Kirchen­vertreter im Chor nach Iden­tität rufen, ist eben­so lächer­lich wie gefährlich. Wie auch die von bemerkenswert­er Unken­nt­nis und heftigem Wider­stand gegen geschichtliche Bin­sen­weisheit­en geprägte Debat­te um die Ehren­bürg­er­schaft für Hitler und Hin­den­burg zeigt, ver­suchen die Wieder­auf­baube­für­worter nicht nur architek­tonisch, son­dern auch his­torisch aus­gerech­net bei den reak­tionären preußis­chen Tra­di­tion­slin­ien Pots­dams anzuknüpfen, die schon die Nazis tre­f­flich zum Auf­bau des Drit­ten Reich­es nutzen kon­nten. Um den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche nicht zu gefährden, wird ihr Sym­bol­ge­halt auf den Tag von Pots­dam reduziert und der Akt des sym­bol­is­chen Schulterschluss
es zwis­chen dem Deutschna­tionalen Hin­den­burg und dem Faschis­ten Hitler zudem allen Ern­stes durch Prof. Sabrow als let­zter Wider­stand­sakt Preußens gegen Hitlers Machtüber­nahme umgedeutet oder der ange­blichen Senil­ität des 85 jähri­gen Hin­den­burg zugeschrieben. 

Die Pots­damer Gar­nisonkirche war bere­its lange vor dem Tag von Pots­dam am 21. März 1933, was sie noch heute ist: ein Sym­bol des mil­i­taris­tis­chen Staates Preußen, ein Sym­bol für Mil­i­taris­mus und Krieg. Preußen wurde nach der Kapit­u­la­tion Deutsch­lands auf Vorschlag Frankre­ichs als eine Gefahr für Frieden und Demokratie qual­i­fiziert und am 25.02.1946 durch ein Gesetz des Alli­ierten Kon­troll­rates aufgelöst. Wir sehen auch heute keine Ver­an­las­sung, diese Entschei­dung in Frage zu stellen. 

Nicht umson­st fordern Recht­sex­trem­is­ten wie Herr Klaar vehe­ment den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche. Sie ist ein Sym­bol für Preußen, wie das Hak­enkreuz ein Sym­bol des Faschis­mus bleibt. Aber während die Ver­wen­dung des aus dem indis­chen Son­nen­rad entwick­el­ten Hak­enkreuzes unter Strafe gestellt ist, wird der Auf­bau der Gar­nisonkirche sog­ar durch öffentliche Gelder unter­stützt. Egal, was man mit Her­rn Klaar u. Co. in der Kopie des Gar­nisonkirchen­turmes am Ende ver­anstal­tet: Die Gar­nisonkirche wird eben­sowenig eine bloße Kirche oder ein Ver­söh­nungszen­trum sein, wie das Hak­enkreuz in Deutsch­land je wieder zum Son­nen­rad wer­den kann. 

Deshalb muß der Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche mit allen Mit­tel ver­hin­dert werden.
Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschis­mus. Stop­pen wir den erneuten sym­bol­is­chen Hand­schlag zwis­chen den Recht­skon­ser­v­a­tiv­en und Nazis in der Garnisonkirche. 

AufruferIn­nen: Kam­pagne gegen Wehrpflicht Potsdam 

Für diesen Demoaufruf wer­den noch Unter­stützerIn­nen gesucht. Grup­pen kön­nen sich bis ein­schließlich Don­ner­stag, 6.3., bei der Kam­pagne gegen Wehrpflicht per Mail unter potsdam@kampagne.de als Unter­stützerIn­nen ein­schreiben lassen. Ein paar Hin­ter­gründe und Links zur Idee zur Demo gibt es hier.

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