BELOW/POTSDAM “Wie kann jemand nur so etwas tun?” Nicht nur der 15-jährige Adam zeigte sich gestern fassungslos bei der Gedenkveranstaltung nach dem Anschlag auf das Todesmarsch-Museum im Belower Wald (Ostprignitz-Ruppin). Unbekannte hatten in der Nacht zu Donnerstag die Gedenkstätte mit einem Brandsatz verwüstet und Mahnsäulen mit rechtsextremen Symbolen und antisemitischen Parolen beschmiert.
Rund 500 Menschen folgten dem Aufruf des Wittstocker Aktionsbündnisses für Toleranz, darunter viele Jugendliche mit Plakaten: “Jetzt reicht es”. “Wir empfinden Zorn und Empörung”, sagte Heinz-Joachim Lohmann, Superintendent des Kirchenkreises Wittstock-Ruppin, in seiner Rede. Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) machte klar, dass Rechtsradikalismus nicht geduldet werde. Wer mit Springerstiefeln durch die Stadt marschiere, vertrete das gleiche Gedankengut wie solche, die den Anschlag verübt haben. “Wir müssen laut sagen, das reicht uns jetzt.”
Eine erste Spur führt nach Mecklenburg. Dort war es in der Nacht zu Freitag zu einem weiteren Anschlag in Grevesmühlen bei Wismar gekommen. Unbekannte hatten auf einem früheren jüdischen Friedhof Hakenkreuze auf einen Gedenkstein gesprüht. Auffällig: Auch für die Parolen im Belower Wald war rote Signalfarbe verwendet worden. Das sei für rechtsextreme Schmierereien eine unübliche Farbe, verlautete aus Sicherheitskreisen.
Seit dem vergangenen Jahr ist es im Nachbarland vermehrt zu antisemitischen Anschlägen gekommen, wie das Innenministerium in Schwerin auf MAZ-Anfrage bestätigte. 2001 wurden 44 Straftaten gezählt. In Brandenburg kam es im selben Jahr zu drei antisemitischen Gewalt- und 20 Propagandadelikten.
Bei einem Anschlag auf das frühere KZ-Außenlager Wöbbelin waren im März Sandsteinköpfe aus einem Gedenkstein herausgeschlagen worden. Schon im Januar hatten Unbekannte am Todesmarsch-Mahnmal in Raben-Steinfeld einen blutigen Schweinekopf deponiert. Für Peter Fischer ein deutliches Signal dafür, dass die Täter sowohl dort als auch im Belower Wald zielgerichtet hätten. “Der Schweinekopf ist seit dem Mittelalter ein Symbol für den rassistischen Begriff Judensau”, erklärte Fischer, der im Zentralrat der Juden die jüdischen Gemeinden und Gedenkstätten im Osten betreut.
Um den Brandanschlag aufzuklären, arbeitet die zehnköpfige Sonderkommission “Below” mit einer neu gegründeten mecklenburgischen Ermittlungseinheit zusammen. Das Potsdamer Justizministerium hatte am Donnerstag 10 000 Euro für Hinweise ausgelobt.
Obwohl es auch in Wittstock eine starke rechtsextremistische Szene gibt, die immer wieder auch landesweit für Schlagzeilen sorgt, kommt sie nach Erkenntnissen von Ermittlern für den Brandanschlag kaum in Frage. Dagegen würden die exakten Planungen und Geschichtskenntnisse der Täter sprechen — der Belower Anschlag erfolgte einen Tag vor Beginn des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana. Das traue man den eher “dumpfen Skinheads” in Wittstock nicht zu, verlautete aus Sicherheitskreisen. Dagegen spreche auch der geringe Organisationsgrad der rund zwei Dutzend gewaltbereiten Rechtsextremen. Versuche von Zusammenschlüssen wie der “Freien Kameradschaft Prignitz-Sturm” seien immer wieder gescheitert.
Besser organisiert ist der benachbarte Kreis Ludwigslust. Der Schweriner Innenministeriumssprecher Christian Lorenz bestätigte, dass dort die “Freien Nationalisten” besonders aktiv seien, ein Zusammenschluss von Rechtsextremen und Kameradschaften in Norddeutschland. Kenner der Szene halten deren Beteiligung an der Belower Tat für “generell möglich”.