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Demo zum 40. Jahrestages der Sprengung der Garnisonkirche

Am 23. Juni 1968 wur­den in Pots­dam die Reste der Gar­nisonkirche gesprengt. Damit wurde ein Bauw­erk beseit­igt, welch­es eines der bedeuten­sten Sym­bole des preussis­chen Mil­itär-Feu­dal­is­mus war. Errichtet wurde die Gar­nisonkirche auf Ver­an­las­sung des preußis­chen Königs Friedrich Wil­helm I. zu dem Zweck, “eine Ver­samm­lung­shalle für die geistig-moralis­che Züch­ti­gung der Sol­dat­en” zu sein. Bis zum 1.Weltkrieg diente das Haus zur Aus­rich­tung der großen Sieges­feiern der Preußis­chen Armee. Außer­dem wurde die Ausstel­lung­shalle für die in ver­schiede­nen Kriegen erbeuteten Trophäen genutzt, um aller Welt die mil­itärische Macht­fülle, den Herrschaft­sanspruch und Über­legen­heit des Preußen­tums zu demon­stri­eren Sie stand sym­bol­isch für die Verquick­ung von Adel, Mil­itär und evan­ge­lis­ch­er Kirche, das Bünd­nis aus Dumpfheit, Reak­tion und Unter­drück­ung, welch­es den zu Recht schlecht­en Ruf Preussen begründete.

Diese Kirche war der Ort, an dem am Tag von Pots­dam die alten feu­dalen Eliten Preussens ihr Bünd­nis mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Bewe­gung durch den berühmten Händ­e­druck zwis­chen Hitler und Hin­den­burg besiegel­ten. Später kündigten die alten preussis­chen Eliten das Bünd­nis auf, als sie erkan­nten, dass der Tag sich näherte, an dem die Rote Armee ihre ost­preussis­chen Güter über­ren­nen würde. Die von ihnen gestell­ten Offiziere, eine Bande aus­gewiesen­er Anti­semiten und Massen­mörder, die im Pots­damer Infan­teriereg­i­ment 9 dien­ten, ver­sucht­en am 20. Juli 1944 Hitler mit einem dilet­tan­tisch durchge­führten Bombe­nat­ten­tat zu töten. Ihr Scheit­ern bedeutete oft ihr Todesurteil. Dieser Machtkampf zwis­chen tra­di­tionellen preussis­chen und neuen nation­al­sozial­is­tis­chen Eliten wird heute gern zum Wider­stand umgel­o­gen. Weil die Gar­nisonkirche die Reg­i­mentskirche des Infan­terireg­i­mentes 9 war, wird sie im gle­ichen Zug als Ort des Wider­standes bezeichnet.

Am 40. Jahrestag der Spren­gung soll nun am ursprünglichen Stan­dort der Gar­nison­skirche die “Stiftung Gar­nisonkirche Pots­dam” gegrün­det wer­den. Die Stiftung wird den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche organ­isieren und finanzieren. Dieser­er Stiftung gehören unter anderem die evan­ge­lis­che Kirche, die Stadt Pots­dam und die “Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe” an. Ihr Schirmherr ist der bran­den­bur­gis­che Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm ist. Selb­st ernan­ntes Ziel der neuen Stiftung ist es, einen “Ort der Ver­söh­nung” zu erricht­en. Angedacht ist eine Dauer­ausstel­lung zum The­ma 20. Juli 1944 und dem ange­blichen Wider­stand preußis­ch­er Offiziere gegen das NS-Regime.

Geplant war zudem, die Kirche als ein Ver­söh­nungszen­trum zu nutzen, das von ein­er eige­nen Stiftung unter­hal­ten wer­den soll. Inzwis­chen hat die Kirche sig­nal­isiert, auch auf das ohne­hin nur als Ali­bi vorge­se­hene Nagelkreuz von Coven­try zu verzicht­en, welch­es den Preuße­nadler auf der Kirch­turm­spitze erset­zen sollte. Denn die bish­er gesam­melten 300.000 Euro der Kirche sehen gegenüber den von der “Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel” (TPG) gesam­melten ca. 6 Mil­lio­nen eher spär­lich aus. Diese hat­te die TPG allerd­ings mitgenom­men, als sie das gemein­same Pro­jekt im Stre­it ver­ließ. Die TPG, welche aus dem Umfeld eines west­deutschen Fallschirm­springer­batail­lon ent­stand, stieß das Pro­jekt des Wieder­auf­baus bere­its Mitte der 80er mit der Geld­samm­lung für das Glock­en­spiel der Gar­nison­skirche an. Die Forderun­gen der TPG nach einem Ver­bot von fem­i­nis­tis­chen Pfar­rerin­nen, homo­sex­uellen Trau­un­gen und Kirchenasyl in “ihrer” Kirche führte zum Bruch mit der evan­ge­lis­chen Kirche. Doch scheinen die übrig gebliebe­nen Organ­i­sa­tio­nen nun gemerkt zu haben, dass mit Wis­chi­waschire­vi­sion­is­mus kein Geld zu holen ist. Durch ihre finanziellen Mit­tel kann die TPG Stück für auf informellem Wege ihre Forderun­gen durch­set­zen, welche einen noch reak­tionär­eren Charak­ter haben, als es der Wun­sch nach dem Wider­auf­bau der Gar­nisonkirche ohne­hin schon ist.

Preußen ist nicht sexy!

Der Wieder­auf­bau der Gar­nison­skirche ist jedoch nur das Flag­gschiff der Preußen­re­nais­sance. So wird in Pots­dam ger­ade an der Neuau­flage des Preußis­chen Tol­er­anzedik­ts gear­beit­et, und der Wieder­auf­bau des Stadtschloss­es ist im vollen Gange. Dass diese Renais­sance über Pots­dams Gren­zen hin­aus von Bedeu­tung ist, sieht man beispiel­sweise am Mag­a­zin der Süd­deutschen Zeitung. Dieses wid­mete dem The­ma eine ganze Aus­gabe unter dem Titel „Preußen ist sexy“.

Aber Preußen ist wed­er sexy, noch tol­er­ant oder glam­ourös. Es ste­ht für eine rück­sicht­slose Poli­tik des Herrschaft­sanspruch­es, Zwang zur Obrigkeit­shörigkeit, Diszi­plin­ierung und Mil­i­taris­mus. Der Preußen­hype wird getra­gen von Men­schen mit reak­tionären Gesellschaftsvorstel­lun­gen. Aber wir haben keinen Bock auf Preußen! Wir sind für eine selb­st bes­timmte, freie Gesellschaft ohne Geschicht­sre­vi­sion­is­mus, Diszi­plin­ierung und das Abfeiern autoritär­er Gesellschaftsstrukturen!

In diesem Sinne: Preußen war, ist und bleibt scheiße!

Das wollen wir am 23. deut­lich zeigen und gle­ichzeit­ig prak­tis­che Architek­turkri­tik feiern! Ab 16:30 Uhr am Glock­en­spiel in der Dor­tus­traße, Potsdam.

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