21. März 1960: 69 Menschen sterben bei einer friedlichen Demonstration in Sharpville, Südafrika, durch die Maschinengewehrsalven der weißen Gewaltherrschaft. 1969 erklären die vereinten Nationen diesen Tag zum Internationalen Tag zur Überwindung von Rassismus. Der Flüchtlingsrat Brandenburg vergibt seit 1997 zu diesem Tage den DENKZETTEL für systeminternen und strukturellen Rassismus in Brandenburger Behörden und Ämtern. In diesem Jahr geht der DENKZETTEL für strukturellen und systeminternen Rassismus zum Antirassismus-Tag 2010 an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel.
In einer rechtlichen Stellungnahme unterstellt das Rechtsamt der Stadt Brandenburg a. d. Havel dem gehörlosen Flüchtling Herrn C. jahrelange Vortäuschung dieser Gehörlosigkeit, obwohl diese fachärztlich bescheinigt ist. Als Begründung für die Unterstellung dieser Vortäuschung wird dann auch noch die jahrelange sportliche Betätigung von Hern C. in dem Berliner Gehörlosen Sport-Club Comet e.V. angeführt (s.a. Denkzettel). Mit dieser Stellungnahme werden absichtlich und bewusst vorliegende Fakten ignoriert um Gründe für eine Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis vorbringen zu können.
Hintergrund: Im Jahr 1999 flieht der gehörlose Herr C. aus Sierra Leone nach Deutschland und lebt seitdem in Brandenburg a.d. Havel. In Sierra Leone lebte er sehr abgeschieden von der restlichen Dorfbevölkerung und konnte sich ausschließlich mit seinen Eltern verständigen. In Brandenburg fand er schnell Anschluss an Mitglieder des Gehörlosenvereins, mit deren Hilfe er die deutsche Gebärdensprache erlernte und mittlerweile auch einige deutsche Wörter lesen und schreiben kann. Seit mehreren Jahren spielt er im Berliner Gehörlosen Sport-Club Comet e.V. Fußball. Auf eigene Initiative hat er im Herbst 2009 eine Arbeit gefunden, die Arbeitserlaubnis erhalten und verdient jetzt selbstständig seinen Lebensunterhalt. Allerdings lebt er auch nach über 10 Jahren immer noch mit dem Status der Duldung. An den von der zuständigen Ausländerbehörde geforderten Mitwirkungspflichten, z.B. Teilnahme bei Botschaftsvorführungen, hat er bereitwillig teilgenommen.
In einem gerichtlichen Klageverfahren zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis unterstellt das Rechtsamt der Stadt Brandenburg a.d. Havel ihm nun im Januar 2010, dass er sehr wohl hören könne: „Seine vielfältigen sportlichen Aktivitäten verdeutlichen gleichwohl, dass er durchaus in der Lage ist, sich zu verständigen und auch das Gesagte auf jeden Fall bei einer bestimmten Lautstärke zu verstehen.“
Es ist völlig unverständlich, wie eine solche Unterstellung nach 10 Jahren noch immer zustande kommt, zumal fachärztliche Atteste der Ausländerbehörde vorliegen, welche Herrn C. seine völlige Gehörlosigkeit bescheinigen, abgesehen davon, dass die Argumentation des Rechtsamts jeglicher Logik entbehrt.
Außerdem unterstellt das Rechtsamt Herrn C., dass er seine Heimatsprache in Schriftform beherrscht, was daraus abgeleitet wird, dass er in der Lage war deutsche Buchstaben zu erlernen. Hintergrund: Aufgrund seiner Gehörlosigkeit war Herr C. gezwungen, die lateinischen Buchstaben zu erlernen, um bei Behörden seine Anliegen vortragen zu können. Inzwischen geht er auch ohne Begleitung zu Behörden und schreibt dort in 2–3 Wörtern auf, was er möchte. Ganze Sätze kann Herr C. weder sinnerfassend lesen, noch schreiben.
Dem Flüchtlingsrat Brandenburg fehlt jegliches Verständnis dafür, wie solche realitätsfernen und jeglicher Logik entbehrenden Rückschlüsse aus Akten getroffen und zur Beurteilung einer Situation eines Menschen herangezogen werden.
Aufgrund dieser unmenschlichen diskriminierenden und jegliche Tatsachen ignorierende Umgangsweise mit dem Flüchtling Herrn C. wird der diesjährige Denkzettel für strukturellen und systemimmanenten Rassismus dem Rechtsamt Brandenburg a.d. Havel, und hier der Sachbearbeiterin Frau Blask verliehen.