(Berliner Zeitung) POTSDAM. Unter neuer Führung soll Brandenburgs Verfassungsschutz
restriktiver beim Einsatz von V‑Leuten vorgehen und eine offensivere
Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das kündigte Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Geheimdienst-Chefin
Winfriede Schreiber an. Sie hat zum 1. Januar Heiner Wegesin abgelöst, der
in den einstweiligen Ruhestand geht.
Aus den V‑Mann-Affären der Vergangenheit seien Konsequenzen gezogen worden,
sagte Schönbohm. “V‑Leute sind wichtig. Aber der Zweck heiligt nicht alle
Mittel. Probleme, wie es sie gab, wird es nicht mehr geben.” Schreiber
sagte: “Die Grenzen beim Einsatz von V‑Leuten sind fein und scharf
einzuhalten. Als ehemalige Verwaltungsrichterin bin ich da sehr genau”,
sagte Schreiber. Seit Mitte 2002 war sie als Polizeipräsidentin in Frankfurt
(Oder) zuständig für Ost-Brandenburg.
Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes bleibe die Bekämpfung des
Rechtsextremismus, erklärten Schönbohm und Schreiber. Die Gefahr einer
gesellschaftlichen Verankerung sei sogar gestiegen, weil rechtsextreme
Aktivisten nicht mehr “dumpf-chauvinistisch”, sondern zunehmend
“pseudo-bürgerlich” aufträten, so Schönbohm. “Es ist ein Irrtum zu glauben,
ein guter Verfassungsschutz könne den Rechtsextremismus reduzieren.” Seine
Aufgabe sei es, die Situation aufzuklären.
Weiterer Arbeitsschwerpunkt des Verfassungsschutzes soll der
Ausländerextremismus sein. Wegen der Berlin-Nähe bestehe die Gefahr, dass
Brandenburg als Rückzugs- und Ruheraum von Islamisten genutzt werde, so
Schreiber. Bislang deute aber nichts auf verfassungsfeindliche oder
terroristische Bestrebungen hin. Jetzt gelte es ein Frühwarnsystem zu
schaffen.
Verstärkt gegen Extremisten
Verfassungsschutzchefin regt Debatte an
(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Der Verfassungsschutz in Brandenburg will seine Aktivität gegen
islamistischen Ausländerterrorismus verstärken, kündigte die neue
Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber gestern in Potsdam an. Die
“potenzielle Gefahr” sei “groß”, begründete die 59 Jahre alte
Verwaltungsjuristin bei der offiziellen Vorstellung durch Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) das Vorhaben.
Da durch die Nähe zur Bundeshauptstadt ein Verflechtungsraum für
extremistische Bestrebungen mit entsprechenden Rückzugs- und
Tarnmöglichkeiten existiere, müsse auch die Zusammenarbeit mit Berliner
Behörden bei der Bekämpfung des Ausländerextremismus verbessert werden, so
Schreiber. Neben dem Rechtsextremismus — der nach wie vor die größte
Herausforderung für Brandenburg darstelle — sei “auch der
Ausländerextremismus ein Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes”,
unterstrich Schönbohm.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Bedrohung durch islamistische Terroristen in
Brandenburg gibt es laut Schreiber jedoch weiterhin nicht. “Bisher haben wir
nichts, was auf diese Bestrebungen hindeutet”, sagte die bisherige
Polizeipräsidentin von Frankfurt (Oder), die im November 2004 überraschend
zur Nachfolgerin des seit Anfang 2000 amtierenden Verfassungsschutzchefs
Heiner Wegesin ernannt wurde.
Auch über die Erscheinungsformen islamistischen Terrors in der Mark kann
bisher offenbar nur spekuliert werden. Eine Zahl so genannter Hassprediger
gegen den Westen nannte Schönbohm trotz Nachfragen nicht. Eine Debatte über
die Gefährlichkeit von Hasspredigern war vor der Landtagswahl im September
2004 geführt wurden, nachdem der Imam einer Potsdamer Moschee öffentlich als
Hassprediger bezeichnet worden war. Daraufhin hatte der Imam Strafanzeige
wegen Beleidigung und übler Nachrede bei der Staatsanwaltschaft Potsdam
erstattet. Derzeit soll das Problem nach Schönbohms Angaben auf hoher Ebene
zwischen den Ministerien des Inneren und der Justiz geklärt werden. Es geht
dabei offenbar um eine Einigung über die Definition eines Hasspredigers.
Nach Schönbohms Auffassung soll die Verfassungsschutzbehörde mit ihren
Erkenntnissen künftig stärker als bisher eine zivilgesellschaftliche
Auseinandersetzung mit den verschiedenen Spielarten des Extremismus anregen.
Jugendlichen beispielsweise könne so die Bedrohung des Rechtsstaats durch
den Rechtsextremismus eindringlicher verdeutlicht werden — was oft notwendig
sei.
Zugleich solle in einer mit Verfassungsschutzerkenntnissen belebten Debatte
über Ausländerextremismus “ein politischer Konsens” darüber erzielt werden,
dass bestimmte Formen verbaler Hetze nicht tolerabel seien. Äußerungen des
Hasses, die gewiss Empörung hervorrufen würden, sofern sie in einer
christlichen Kirche gepredigt würden, dürften auch in einer Moschee nicht
hingenommen werden, so Schönbohm. Um derartige Hasspredigten anzuprangern,
sei es auch nicht zwingend erforderlich, dass der justiziable Tatbestand der
Volksverhetzung erfüllt sei.