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«Die hören oft nur, was sie hören wollen»

In ein­er Woche geht im Forster Kreishaus eine Ausstel­lung über Recht­sex­trem­is­mus zu Ende. Schulen aus dem Spree-Neiße-Kreis nutzten die Möglichkeit,
Jugendliche mit Infor­ma­tio­nen über Recht­sex­trem­is­mus zu kon­fron­tieren. Nicht
alles, wovor der Ver­fas­sungss­chutz warnt, find­en Lausitzer Schüler schlimm. 

«Hört sich gar nicht so schlecht an im ersten Moment» , sagt Man­fred*. «Die
Musik ist ruhig, der Typ auf der CD sieht auch nicht gefährlich aus, aber
der Text ist, wenn man genau hin­hört, richtig krass.» Man­fred ist vierzehn
Jahre alt und mit sein­er acht­en Klasse ein­er Gesamtschule in Forst an diesem
Vor­mit­tag in der Ausstel­lung «Die braune Falle» im Forster Kreishaus
unter­wegs. Das Lied, das ihm im ersten Moment so harm­los erschien, ist von
einem recht­sradikalen Lie­der­ma­ch­er, der in fast jedem
Ver­fas­sungss­chutzbericht auf­taucht. Musik, so Ver­fas­sungss­chützer, ist für
Jugendliche die Ein­stiegs­droge Num­mer eins in die braune Szene. Drei
typ­is­che Musik­beispiele laufen in der Ausstel­lung über Kopfhör­er als
End­loss­chleife. Man­fred hört so etwas zum ersten Mal. 

Das Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz hat die Wan­der­ausstel­lung konzipiert,
die in diesem Jahr nur in den östlichen Bun­deslän­dern unter­wegs ist. In
Forst haben in den ver­gan­genen zwei Wochen über sechzehn Schulk­lassen die
Tafeln und Mul­ti­me­di­awände angeschaut und Videos angek­lickt. Von Schülern
der acht­en Klassen bis zu Azu­bis, von Gesamtschulen und Gym­nasien bis zu
Oberstufenzentren. 

Eine halbe Stunde nach der acht­en Klasse kom­men an diesem Vormittag
ange­hende Mecha­tron­iker vom Ober­stufen­zen­trum in Forst in die
Extrem­is­musausstel­lung. Sie ste­hen kurz vor der Gesel­len­prü­fung. Vie­len von
ihnen ist recht­sradikale Musik offen­sichtlich nicht fremd. «Sehr junge
Jugendliche kann man damit bes­timmt ansprechen» , sagt Robert, ein­er der
Azu­bis. Namen bekan­nter Nazirock­bands kann er aufzählen. Eine «poli­tisch
rechte Mei­n­ung» find­et er auch nicht verkehrt. «Will­ste mal sehen, was in
Hoy­er­swer­da los war» , lockt ihn ein ander­er Lehrling vor eine Videowand.
Dort laufen kurze Film­se­quen­zen über recht­sradikale Gewalttaten. 

Offene Ausländerfeindlichkeit 

Während Namen und Jahreszahlen von frem­den­feindlichen Über­grif­f­en über den
Bild­schirm flim­mern und im Hin­ter­grund das bren­nende Asyl­be­wer­ber­heim in
Ros­tock zu sehen ist, machen Robert und einige andere aus seiner
Aus­bil­dungsklasse keinen Hehl daraus, dass auch sie der Mei­n­ung sind, dass
zu viele Aus­län­der in der Lausitz leben. Kein­er der jun­gen Män­ner trägt
Klei­dung, die auf eine recht­sex­treme Gesin­nung hin­weist. «Mein Kumpel wurde
in Kamenz im Bus von fünf Türken mit einem Mess­er bedro­ht» , sagt Christian.
Sebas­t­ian beklagt, dass ihn Türken in Sen­ften­berg verspot­tet hät­ten, weil er
einen Kinder­wa­gen durch die Stadt schob. «Ich denke, dass Deutsch­land so
viele Aus­län­der herein­lässt, um etwas gutzu­machen, aber das passt heute
nicht mehr in die Welt» , fügt er hinzu. Den Aus­län­der­an­teil in der Region
schätzt der ange­hende Fachar­beit­er auf 30 bis 40 Prozent. 

Hart­mut Diet­ze, der bei den Azu­bis poli­tis­che Bil­dung unterrichtet,
schüt­telt den Kopf. Er hat mit der Klasse über die Geschichte der
Gas­tar­beit­er in der Bun­desre­pub­lik disku­tiert und ihnen auch erk­lärt, dass
in Bran­den­burg weniger als drei Prozent Aus­län­der leben und die
Aus­län­der­feindlichkeit ger­ade meist da auftritt, wo es kaum Fremde gibt.
«Die Jugendlichen hören oft nur das, was sie hören wollen» , beklagt der
Lehrer. «Die geben gern anderen die Schuld, wenn sie Prob­leme haben, zum
Beispiel den Ausländern.» 

Schüler hät­ten auch schon recht­sradikale Büch­er in seinen Unterricht
mit­ge­bracht, trotz­dem resig­niert er nicht: «Wir sind doch die Let­zten, die
mit den Jugendlichen über­haupt noch reden.» Irgend jemand müsse denen doch
sagen, was an ihren Auf­fas­sun­gen falsch sei. «Ich lasse so etwas nicht
ein­fach ste­hen» , ver­sichert der Berufsschullehrer. 

Dass es mit eini­gen sein­er Schüler noch viel zu disku­tieren gibt, zeigt
deren Mei­n­ung über die Nazidik­tatur. «Hitler hat­te ja Mil­lio­nen Anhänger, da
kann der doch nicht dumm gewe­sen sein» , sagt Robert. Sebas­t­ian stimmt ihm
zu: «Der hat durchge­zo­gen, was er wollte und da haben genug mit­gemacht.» Bei
der Demokratie, die es jet­zt gibt, wür­den alle nur immer in alles
hineinre­den, fügt ein ander­er Azu­bi hinzu: «Wenn ein­er sagt, wo es lang
geht, dann wird wenig­stens was draus.» Die Umste­hen­den nicken. 

Von der Mut­ter gelernt 

Während die ange­hen­den Mecha tron­iker sich noch die Ausstel­lung anschauen,
ver­sucht nebe­nan Katrin Bur­chardt von der Regionalen Arbeitsstelle für
Aus­län­der­fra­gen, mit den Achtk­lässlern über das Gese­hene zu reden. «Das war
sehr schw­er» , sagt sie hin­ter­her, «da fehlt noch viel.» Der
Nation­al­sozial­is­mus stand für die Gesamtschüler noch nicht auf dem Lehrplan.
Ander­er­seits seien Vierzehn­jährige schon dur­chaus Ziel­gruppe bei der
Anwer­bung für die recht­sradikale Szene. 

Anke* fand die Ausstel­lung «cool» . «Weil ich sel­ber eine rechte Meinung
habe» , sagt die Vierzehn­jährige selb­st­be­wusst. «Aus­län­der leben hier auf
unsere Kosten» , behauptet sie. Das habe ihr ihre Mut­ter erk­lärt. An dieser
Überzeu­gung habe auch der Ausstel­lungs­be­such nichts geän­dert. Ihre Haltung
zu Recht­sex­trem­is­ten ist zwiespältig. Gewalt lehnt die Vierzehn­jährige ab,
die aus­län­der­feindliche Hal­tung nicht: «Ich finde es gut, dass die ihre
Mei­n­ung sagen und sich nicht ver­steck­en.» (*Namen geändert)

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