Gutgelaunt und medienwirksam nahm Landesinnenminister Jörg Schönbohm am Freitag in Erkner bei Berlin die erste Videoüberwachungsanlage der Polizei in Brandenburg per Knopfdruck in Betrieb. Mit zwei Kameras wird der Vorplatz des S- und Fernbahnhofs der Kleinstadt sowie der Parkplatz Parken und Reisen (P&R) ab sofort von Polizeibeamten vor zwei Monitoren in der Einsatzzentrale aus rund um die Uhr überwacht.
Weitere Überwachungsanlagen in Brandenburg werden zunächst bis zum Ende des Jahres auf dem Bahnhofsvorplatz in Bernau, vor der Diskothek Dancehouse in Rathenow und im Bereich des Hauptbahnhofes der Landeshauptstadt Potsdam geschaltet, andere Anlagen befinden sich in der Planung. Vorausgegangen war der »Scharfschaltung« der Anlage, so O‑Ton Schönbohm, eine Änderung des Brandenburger Polizeigesetzes im Dezember 2000. Demnach darf die Polizei »zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich zugängliche Straßen und Plätze mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn auf der Grundlage von Lageerkenntnissen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß an diesen Orten Straftaten drohen«. Die Gesetzesänderung ist bis zum Jahr 2006 befristet. Dann soll der Landtag darüber befinden, ob aufgrund der erzielten Ergebnisse die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen dauerhaft festgeschrieben wird. Bis dahin soll die Überwachungsaktion der Polizei lediglich ein »Pilotprojekt« bleiben, welches den Steuerzahler einmalige 70000 Euro für die Installation und jährlich 255000 Euro für den Betrieb kostet.
Schönbohm beeilte sich, den anwesenden Journalisten zu versichern, daß jeder Mißbrauch der Videoüberwachung der Bürger durch die Polizei ausgeschlossen sei. Denn schließlich sei »die Kameraeinstellung so zu wählen, daß bei Übersichtsaufnahmen die Erhebung von identifizierenden Merkmalen nicht möglich ist«. Erst bei einem »begründeten Anfangsverdacht« dürfe der observierende Beamte den Zoom betätigen und die Aufzeichnungsanlage einschalten. Aufzeichnungen, die nicht als gerichtstaugliche Beweismittel in Strafverfahren eingesetzt werden, müßten nach dreißig Tagen automatisch gelöscht werden. Außerdem würden die beobachteten Bürger, so Schönbohm, durch zwei auf dem Gelände aufgestellte Warntafeln von der deswegen »offen« genannten Videoüberwachung informiert. Bürger, die mit der visuellen Bespitzelung »Probleme haben«, könnten auf einer von der Polizei eingerichteten Telefonleitung eine Nachricht hinterlassen. »Wir rufen dann bestimmt zurück«, versprach Polizeidirektor Ulrich Ilus, Schutzbereichsleiter des Kreises Fürstenwalde.
Die Polizeipräsidien Brandenburgs hatten dem Innenministerium zehn Vorschläge für zu beobachtende öffentliche Räume unterbreitet. Die Wahl war unter anderem auf Erkner gefallen, weil hier im Jahre 2000 auf dem P&R‑Parkplatz ganze 176 Fahrräder gestohlen und immerhin 33 Autos aufgebrochen worden waren. Durch die offene Videoüberwachung erhofft sich die Polizei nun einen deutlichen Rückgang der Diebstähle aufgrund des präventiven Effektes. Aber auch für die Präsentation der neuen Polizeistrategie gegenüber den Medienvertretern bot sich der Überwachungsort Erkner-Bahnhofsvorplatz trefflichst an. Auf den Überwachungsmonitoren waren nämlich außer geparkten Autos und abgestellten Fahrrädern tatsächlich keine Bürger zu erkennen. Lediglich die zu Demonstrationszwecken einbestellten Polizeibeamten in Zivil, die sich als Pseudo-Autoknacker von der heraneilenden Besatzung eines Funkstreifenwagens festnehmen ließen, sorgten für Bewegung auf den Monitoren. Möglicherweise hätte eine gleichsam inszenierte Inbetriebnahme der Überwachungskameras auf dem Pahnhof Potsdam oder vor der Diskothek Dancehouse in Rathenow einen bedenklicheren Eindruck hinterlassen.
Doch machte Ex-General Schönbohm deutlich, daß ihm an Kritik und negativer Publicity hinsichtlich der nun in Gang gesetzten raumgreifenden Video-Überwachung in Brandenburg keineswegs gelegen ist. Über eine Äußerung des brandenburgischen Bildungsministers Steffen Reiche (SPD) zeigte sich Schönbohm entrüstet. Reiche soll sich demnach gegen »neue Videotechnik aus alten Stasi-Einrichtungen« ausgesprochen haben. Dies sei die »dümmste Bemerkung«, die er »jemals gehört habe«, erklärte er. Ansonsten weiß der brandenburgische Innenminister offensichtlich eine breite politische Front hinter sich. So beeilten sich der Bürgermeister von Erkner, Joachim Schulze (SPD), und der Landtagsabgeordnete Jörg Vogelsänger (SPD), dem Innenminister zu der neuen Videoüberwachung zu gratulieren und ihm ihre uneingeschränkte Solidarität zu versichern. Nur bei PDS und Grünen in Erkner soll es »Bedenkenträger« gegen die Vollzeit-Überwachung geben. Schönbohm fragte sich dagegen ganz öffentlich, warum die Berliner CDU in ihrem vergangenen Wahlkampf das Thema Videoüberwachung nicht stärker auf die Agenda gesetzt hatte. »Dabei habe ich denen doch angeboten, daß ich da mit reingrätsche«, bedauerte Schönbohm. Sofort fielen ihm überwachbare Plätze wie der Breitscheidplatz oder das Kottbusser Tor in der Hauptstadt ein. Doch hin und wieder hat selbst ein Jörg Schönbohm einen besinnlichen Augenblick. »Wer weiß, ob ich 2006 noch Innenminister bin«, sinnierte der CDU-Politiker, »vielleicht ist ja dann schon Schill in Brandenburg das Zünglein an der Waage.«
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