(RÜDIGER BRAUN, MAZ) Es war zwar nicht der Verhandlungssaal, wohl aber das Schloss Cecilienhof, vor dessen Türen gestern die festliche Konferenz zur Konferenz stattfand. Am 17. Juli 1945 hatten sich US-Präsident Harry S. Truman, der sowjetische Staatsführer Josef Stalin und zunächst Winston Churchill als Vertreter der Briten zusammengesetzt, um über die Zukunft Europas zu verhandeln. Gestern wurde zwei Intellektuellen von Rang vom Potsdamer Einstein Forum die Frage vorgelegt, ob die Demokratisierung zumindest Westdeutschlands in Folge dieses Treffens ein Modell für die Politik unserer Tage sein könne. Dass die frühere Entwicklung Gutes bewirkte, betonte im Grußwort Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU): Sie persönlich sei glücklich, “dass wir jetzt auch im Osten demokratische Verhältnisse haben”. Doch können heute auch Iraker glücklich sein, denen die Amerikaner mit gern genutztem Verweis auf die Niederringung der Nazis angeblich ebenfalls nur Freiheit bringen wollten, als sie im März 2003 einmarschierten?
“Die Sieger sind ihrem Sieg keinesfalls gewachsen”, stellte der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger zunächst in einer Rede fest, die er nur als “Vorspeise” für den Vortrag des amerikanischen Philosophen Michael Walzer verstanden wissen wollte. Während die einstigen Kriegsverbündeten mit Plänen zum Umgang mit dem besiegten Deutschland und auch mit dem notwendigen Wissen über das Feindesland an den Verhandlungstisch getreten seien, hätten sich die Amerikaner heute offensichtlich nicht die geringsten Gedanken über ihr Handeln nach Kriegsende gemacht und darüber hinaus auch keine Ahnung von der Mentalität der Iraker: “Die Expertise wurde systematisch ignoriert. Die Amerikaner hatten nicht einmal hinreichende Sprachkenntnisse”, kritisierte Enzensberger. Die Streitkräfte seien nicht in der Lage, die sichere Arbeit der neuen irakischen Regierung zu garantierten: “Der Vergleich mit 1945 fällt verheerend aus”, bilanzierte Enzensberger, der vor 14 Jahren einmal selbst Saddam Hussein mit Hitler verglichen hatte. Für Enzensberger scheinen die USA an den Strapazen des Krieges zu scheitern. “Die Regierung hat es nicht nur an Kenntnissen über den Gegner fehlen lassen, sondern schlicht an vorausschauender politischer Intelligenz”, sagte Enzensberger.
Dass ausgerechnet der Autor des Buches “Gibt es einen gerechten Krieg?”, der amerikanische Philosoph Michael Walzer, in eine ähnliche Kerbe schlagen und die Bush-Administration für ihre neue Strategie des Präventivschlages scharf kritisieren würde, konnte überraschen. “Wir dürfen nicht antworten auf die Übel, die Menschen tun können, sondern nur auf die, die sie tatsächlich tun”, sagte Walzer. Den Irakern die ganze Last eines schnellen Regimewechsels aufzubürden, fand er unmoralisch. Stattdessen riet Walzer zur Strategie der Eindämmung aggressiver Regime, die sehr wohl auch gewaltsame Aktionen wie Embargos beinhalten könne, aber von vielen Staaten gemeinsam getragen werden müsse. Demokratie könne dadurch indirekt gefördert werden. “Wenn wir uns für diesen indirekten Weg der gewaltgestützten Eindämmung in einem System kollektiver Sicherheit entscheiden, dann können wir Gerechtigkeit erreichen, ohne die schrecklichen Zerstörungen des Krieges in Kauf nehmen zu müssen”, schloss Walzer unter Applaus eines trotz Sommerhitze zahlreich erschienenen Publikums.