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Eingeschlafene Füße und aufgeweckte Kleingärtner_innen

(13.9.2008)Auf dem Weg nach Eisen­hüt­ten­stadt schlafen mir immer die Füße ein. Ich ver­mute, weil die “Atmo­sphäre” dieser “Stadt” einem so das Herz schnürt, dass… na ist schon klar was ich meine, oder? Dabei war dies­mal der Anlass des Besuch­es sog­ar mal ein halb­wegs erfreulich­er. Nach Jahren der Stille um den Abschiebek­nast und die so genan­nte Zen­trale Aus­län­der­be­hörde, gab es am Sam­stag endlich ein­mal wieder eine
Demon­stra­tion
gegen eben­jene Ein­rich­tun­gen und die men­schen­ver­ach­t­en­den Bedin­gun­gen, die dort herrschen. (Vgl. Son­der­seite zu Ver­fahren um Fes­selun­gen und Briefe aus der Abschiebe­haft )

Ander­er­seits Freude hin oder her, diese “Stadt” ist — mit Ver­laub – so Scheiße, dass auch ein freudi­ger Anlass sel­ten ungetrübt ist. Gut — die Demo begann direkt am Bahn­hof und so blieb es jenen, die das Glück hat­ten anreisen zu dür­fen und nicht in “Eisen” leben zu müssen, erspart, allein durch die Ein­blöde, Verzei­hung: Einöde, zu laufen. Aber auch im Aggre­gatzu­s­tand ein­er Demon­stra­tion ist es rel­a­tiv skur­ril durch die sam­stäglich leere Beeskow­er Straße zu laufen. Sechzig Per­so­n­en, das war der unge­fähre zahlen­mäßige Umfang der Ver­anstal­tung, ist für Eisenhütten“stadt” kein schlechter Schnitt. Aber Demon­stra­tion kommt von demon­strare — zeigen. Na und wenn der Akt des Zeigens funk­tion­ieren soll, dann braucht man auch jemand, dem man es zeigen kann.


Bevor sich aber jemand fand, dem man/frau es zeigen kon­nte, wurde es uns bzw. genauer ein­er Demon­stra­tionsteil­nehmerin gezeigt. Sie hat­te einen Gewürzge­bläse dabei — zum Würzen von Speisen, aber wahrschein­lich auch zur Vertei­di­gung gegen Angriffe von nicht wohl gesonnenen Men­schen. Dies in der Tasche vergessen habend, fiel dies einem eifrigen Polizis­ten auf, der wegen dieses Pfef­fer­sprays für eine umge­hende Inge­wahrsam­nahme der Teil­nehmerin sorgte. Wie später zu erfahren war, sorgte diese Lapalie darüber hin­aus für eine voll­ständi­ge ED-Behand­lung und gle­ich zwei Anzeigen. Die erste lautete auf Ver­stoß gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz, die zweite auf Ver­dacht des Ver­stoßes gegen das Waf­fenge­setz. Die Würzmis­chung war dem Onkel Polizis­ten wohl etwas zu scharf ger­at­en und zu Kopf gestiegen. 

Soweit so gewöhn­lich. Nach­dem die Demon­stra­tion noch eine Hochzeits­ge­sellschaft ein wenig aufge­hal­ten hat­te und die Lin­de­nallee durch­querte, gab es eine Zwis­chenkundge­bung vor dem Rathaus bzw. der Kreuzung zur “Straße der Republik.”

Dominierte bis dahin vor allem der Lau­ti mit einem teil­weise etwas gewöh­nungs­bedürfti­gen, weil arg pun­klastigem Musikpro­gramm, die akustis­che Erschei­n­ung der Demon­stra­tion, so wur­den an dieser Stelle Rede­beiträge ver­schieden­er Grup­pen ver­lesen.

Die Anti­ras­sis­tis­che Ini­tia­tive Berlin konzen­tri­erte sich auf die Funk­tio­nen der Abschiebe­haft und illus­tri­erte anhand ver­schieden­er Zahlen, dass die Abschiebe­haft vor allem der Ein­schüchterung von Flüchtlin­gen und der Sich­er­stel­lung von Abschiebun­gen dient. Ein kurz­er his­torisch­er Exkurs sollte zeigen, dass Abschiebe­haft his­torisch immer auch ein Ver­such war poli­tis­chen Wider­stand zu brechen. Der Ver­weis auf das “Frem­den­recht” in der Weimar­er Repub­lik und die Reduk­tion auf Die rev­o­lu­tionären Aus­län­der auf die diese Poli­tik auch immer wieder zielte, war allerd­ings dann doch in der Kürze etwas sehr bemüht. (Vgl. Der Tra­di­tion verpflichtet: Eine kurze Geschichte der Abschiebe­haft Auch wenn jed­er Wider­stand gegen Ras­sis­mus poli­tisch ist, mar­gin­al­isiert man eben doch viele Opfer ras­sis­tis­ch­er Poli­tik, die sich selb­st nicht als „rev­o­lu­tionär“ ver­standen oder deren Wider­stand sich ein­er solchen Kat­e­gorisierung entzieht. Vielle­icht war eine Moti­va­tion Gemein­samkeit­en zwis­chen den sich als links ver­ste­hen­den Teil­nehmenden und Flüchtlingsaktivist_innen herzustellen.

Im Anschluss sprach die örtliche Antifa über den alltäglichen Ras­sis­mus im All­ge­meinen und über per­ma­nente Passkon­trollen, denen sich Flüchtlinge unterziehen müssen im Beson­deren. Betont wurde, dass die Schika­nen nicht allein von der Polizei aus­ge­hen, son­dern eben­so von Pri­vat­per­so­n­en, wie zum Beispiel Taxifahrer_innen aus­geübt wer­den. Aus Angst vor Repres­sio­nen (Vgl. Tax­i­fahrerprozesse) kon­trol­lieren diese alle Men­schen, die von ihnen, auf­grund völkisch-ras­sis­tisch Kri­te­rien, als nicht deutsch ein­ge­ord­net werden.

Der dritte, offen­bar spon­tan und impro­visierte Rede­beitrag wurde von ein­er Per­son gehal­ten, die sich als Organ­isator der Mon­tags­demos in Eisenhütten“stadt” vorstellte. So löblich der Ver­such ist, Verbindun­gen zwis­chen ver­schiede­nen poli­tis­chen Kämpfen herzustellen — diese Rede war eher ein Tief­punkt der Ver­anstal­tung. Der Red­ner zog kon­tinuier­lich Par­al­le­len zwis­chen Asylbewer_innen und Hartz-IV Empfänger_innen. So hät­ten let­ztere eben so wenig Bewe­gungs­frei­heit wie erstere, da ihnen das Geld zum Reisen fehle. Er betonte zudem, dass auch jene, die sich poli­tisch gegen Sozial­ab­bau engagieren wür­den zur Zielscheibe von Nazis wür­den. So richtig das im Einzel­nen sein mag, so sehr wirk­te das in der Gle­ich­set­zung als Rel­a­tivierung von dem Ras­sis­mus, dem sich nicht­deutsche oder nichtweiße Per­so­n­en in Deutsch­land gegenüber sehen. Zumin­d­est Weiße Hartz IV-Empfän­gerin­nen, die wohl die Mehrheit in Eisen­hüt­ten­stadt sind, kön­nen immer noch alle Priv­i­legien in Anspruch nehmen. (Einige Beispiele für Weiße Priv­i­legien: >a href=“http://seamonkey.ed.asu.edu/~mcisaac/emc598ge/Unpacking.html#daily” target=“_new”>Unpacking the Invis­i­ble Knap­sack) Abge­se­hen davon, dass es eben auch Hartz IV – Empfän­gerin­nen gibt, die sich selb­st ras­sis­tisch betäti­gen, also nicht allein auf ihre gesellschaftlich mar­gin­al­isierte Posi­tion reduziert wer­den können. 
Der let­zte Rede­beitrag wurde vom Anti­ras­sis­tis­chen Aktions­bünd­nis Eisen­hüt­ten­stadt beiges­teuert. Sie beschrieben noch ein­mal den ras­sis­tis­chen All­t­ag in Eisenhütten“stadt” und die Prob­leme, die es bei der konkreten Vor­bere­itung der Anti­ras­sis­tis­chen Aktionswochen, in deren Rah­men die Demon­stra­tion stat­tfand, gab. So wur­den nach langem Hin­hal­ten für alle im Rah­men der Aktionswochen stat­tfind­en­den Ver­anstal­tun­gen die Räume ver­weigert. Begrün­dung: “Die Stadt müsse neu­tral bleiben” und wenn Ver­anstal­tun­gen von “linken Grup­pierun­gen” im Kul­turzen­trum stat­tfän­den, müsse sich dieses auch für Ver­anstal­tun­gen von Nazis öff­nen. Log­i­ca Eisen­hüt­ten­stad­tien­sis. (lat. Eisen­hüt­ten­städter Logik) Einzige Aus­nahme wäre für die Stadt die Abschlusspar­ty gewe­sen. Bedin­gung um an die Räume zu kom­men wäre allerd­ings gewe­sen die Par­ty mit dem lokalen Bünd­nis “Aktion Courage” zusam­men durchzuführen. Immer­hin als Feigen­blatt tau­gen sie dann doch, die ver­meintlichen Linksextremist_innen.

Nach dieser kurzen Unter­brechung lief die Demo dann weit­er in Rich­tung der kurz vorm Arsch der Welt gele­ge­nen Zen­tralen Aus­län­der­be­hörde, die gle­ichzeit­ig auch Zen­trale Erstauf­nahmestelle für Asylbewerber_innen im Land Bran­den­burg ist. Dort ange­langt geschah nicht viel. Die Polizei und Mitarbeiter_innen versper­rten den Weg zum Gelände. Einzige Freude war, dass einige Mitarbeiter_innen der Behörde, die offen­bar ger­ade auf dem Heimweg waren noch einige Minuten warten durften, ehe sie ihren unwohlver­di­en­ten Feier­abend antreten durften.
Nach dieser erneuten Zwis­chenkundge­bung bewegte sich die Demo dann zum hin­teren Zaun der ZABH, der gle­ichzeit­ig auch ein­er der weni­gen Orte ist, an welchem man von den Insassen des Abschiebek­nasts gehört wer­den kann.

Hier hiel­ten Vertreter von der Flüchtlingsini­tia­tive Bran­den­burg Rede­beiträge, die auf die Bewe­gungs­frei­heit, die für Europäer_innen in afrikanis­chen Län­dern selb­stver­ständlich zu sein scheint, auch für Afrikaner_innen in Europa ein­forderte. Diese und die Forderung nach der Abschaf­fung von Abschiebe­haft und Abschiebung wurde von den Insassen des Knastes mit hör­barem Jubeln und Winken begrüßt. Spätestens hier wurde zumin­d­est mir klar, dass es sich gelohnt hat­te nach Eisen­hüt­ten­stadt zu fahren. Ohne aus eigen­er Anschau­ung zu wis­sen, wie es ist, unschuldig im Knast zu sitzen — ob es eine Hil­fe ist, wenn vor dem Knast Men­schen ihre Anteil­nahme demon­stri­eren, die Rufe aus den Zellen kündigten davon, dass es min­destens eine Unter­brechung des Knastall­t­ags war. Im besten Fall hat es vielle­icht eini­gen der Män­ner und Frauen im Gefäng­nis Kraft gegeben, den Knastall­t­ag durchzustehen. 

Der Rück­weg führte dann wieder an den zynis­chen Schildern der Klein­gartenkolonie “Fro­he Zukun­ft” vor­bei, die der ZABH gegenüber­liegt. Die rotieren­den Kaf­feelöf­fel waren auch über die über­trieben hohen Heck­en zu hören. Das Gefühl hier wenig­stens kurz auch gestört zu haben, war irgend­wie auch befriedigend. 

Nun aber schnell weg. Hof­fen wir, dass das bald Jed­eR kann. Wann immer er oder sie will.

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