(nolager.de) Vom 2. bis 5. September 2004 wird in Eisenhüttenstadt
ein antirassistisches Camp stattfinden, das den
Abschluss der Anti-Lager-Tour gegen Abschiebung und
Ausgrenzung darstellt.
Wir verhandeln seit mehreren Wochen mit der
Stadtverwaltung um einen öffentlichen Platz für unser
Camp und um eine Unterstützung unseres Protestes. Die
Stadtverwaltung von Eisenhüttenstadt versucht jedoch,
unser Anliegen durch das Verbreiten von Gerüchten und
Diffamierungen zu unterbinden. Der Grund für unser
Kommen nach Eisenhüttenstadt sei in erster Linie in
der gewollten Randale zu suchen, wie wir es in unseren
Aufrufen ankündigen würden. Dies ist eine bewusste
Überinterpretation. Gleichzeitig wird auf stumpfe
rassistische Stereotypen Bezug genommen, wenn
innerhalb der Verwaltung Gerüchte gestreut werden, wir
würden „Drogen mit nach Eisenhüttenstadt bringen, um
Eisenhüttenstadt als friedliebende und
familienfreundliche Stadt zu zerstören“, wie uns eine
Vertreterin im PDS-Büro am Telefon sagte. Hier wird
auf relativ simplem Niveau auf rassistische
Argumentationsketten wie »Flüchtlinge – Drogen« oder
»Randale – Linke« zurückgegriffen. Gegen diese
Diffamierungen wenden wir uns hiermit öffentlich.
Wir kommen nach Eisenhüttenstadt, weil wir das
Abschiebesystem der Bundesrepublik grundsätzlich
kritisieren, aber auch um gegen die unhaltbaren
Zustände in der Zentralen Ausländerbehörde ZABH zu
protestieren. Wir sind gegen Einrichtungen wie
Sammellager und das mit ihnen einhergehende
gesetzliche Bewegungsverbot (die Residenzpflicht) oder
Abschiebeknäste, die Menschen, die Schutz suchen,
einsperren und sie zu Opfern von Denunziation als
Kriminelle und Schmarotzer herabsetzen. Wir möchten
nicht länger zusehen, dass Menschen in Not als
politische Manövriermasse entmündigt, auf der Straße
angegriffen und über Jahre hinweg psychisch gebrochen
werden. In dieser Hinsicht bewerten wir auch kleine
Lebensverbesserungen der Menschen im Knast und in der
Aufnahmestelle als begrüßenswert. Eisenhüttenstadt hat
in dieser Hinsicht jedoch keine ruhmreiche Geschichte.
Die Zustände in dem Abschiebeknast wurden bereits 1998
von der Europäischen Antifolterkommission als
Folterstätte gebrandmarkt. Zwar wurden die entdeckten
in den Boden eingelassenen Hand- und Fußfesseln
entfernt. Stattdessen gibt es ein in Psychiatrien
gebräuchliches, nicht menschenwürdigeres
Gurtfesselsystem, welches widerständige Flüchtlinge
mit gespreizten Armen und Beinen auf ein Bettgestell
fesselt. Sogenannte Ruhigstellungen für bis zu 42
Stunden am Stück sind keine Seltenheit.
Die wohnlichen Zustände in der Zentralen
Erstaufnahmeeinrichtung sind mehr als dem Lande
Brandenburg unwürdig. Untergebracht in Mehrbettzimmern
ist das gesamte Gebäude verdreckt und die sanitären
Einrichtungen würden keiner unangemeldeten Kontrolle
der Gesundheitsbehörde standhalten. Ähnlich sieht das
in den Küchen aus. Erst langjährige Proteste und die
ausdauernden Nachfragen weniger engagierter Menschen
konnten kleinere Verbesserungen in der medizinischen
Versorgung und den Aufbau einer kirchlichen
Rechtsberatung mit sich bringen.
Wir haben bereits im Vorfeld versucht, die
zivilgesellschaftlichen Strukturen der Aktion Courage
der Stadt Eisenhüttenstadt als Stadt ohne Rassismus
mit in unseren Protest einzubinden. Gerade an Gruppen,
die auch im Rahmen der Aktion Courage arbeiten, haben
wir uns gewandt, die in ihrem Selbstverständnis im
Jahr 2000 einmal formulierten, „ein mutiges Zeichen
gegen Rassismus“ in Eisenhüttenstadt setzen zu wollen.
Die Stadtverordnetenversammlung verpflichtete sich im
März 2000 mit Zweidrittelmehrheit zur Ergreifung
“aller erforderlichen Maßnahmen, um jeder Art von
Diskriminierung in der Stadt Eisenhüttenstadt
entgegenzuwirken”.
Uns geht es darum, das vorherrschende Nichtbeachten
der menschenunwürdigen Zustände in der ZABH zu
skandalisieren und in Zusammenarbeit mit den Menschen
und Strukturen vor Ort dafür zu sorgen, dass es diese
Zustände in naher Zukunft nicht mehr gibt. Dafür
brauchen wir die Unterstützung einer möglichen
Mehrheit in der Stadt Eisenhüttenstadt – wir kommen,
um gemeinsamen Protest und Widerstand gegen die von
Herrn Schönbohm direkt zu verantwortenden Zustände zu
organisieren und nicht, um gegen die Menschen in
Eisenhüttenstadt zu protestieren.
Wir fordern alle zivilgesellschaftlichen und
politischen Kreise der Stadt Eisenhüttenstadt auf,
sich unseren Protest unvoreingenommen zu betrachten
und uns in unserem Anliegen für einen Platz in
Eisenhüttenstadt ohne Rassismus und Lager zu
unterstützen und sich diesem anzuschließen.
Für weitere inhaltliche Gespräche und Diskussionen
stehen wir immer und gerne zur Verfügung. Gleichzeitig
laden wir hiermit noch einmal alle Bürgerinnen und
Bürger der Stadt Eisenhüttenstadt ein, uns auf unserem
Camp zu besuchen, mit uns zusammen zu diskutieren, zu
protestieren und zu demonstrieren mit dem Ziel,
effektive Strategien zu entwickeln, wie den
unhaltbaren Zuständen in der ZABH ein schnelles Ende
bereitet werden kann.