(BM, M. Lukaschewitsch) Potsdam — Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ermittelt die
Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg wegen des Verdachts der Bildung
einer terroristischen Vereinigung. Im Fokus der Ermittler: eine Bande von
elf 14- bis 19-jährigen Schülern und Abiturienten aus dem Havelland. Die
Gruppe jugendlicher Neonazis steht im Verdacht, für eine Serie von acht
Brandanschlägen auf türkische oder asiatische Imbissstände in der Region in
der Zeit von August 2003 bis Mai dieses Jahres verantwortlich zu sein. Der
Anführer, ein 19-jähriger Abiturient aus Nauen, sitzt seit Anfang Juli in
Untersuchungshaft, die Haftbefehle gegen zwei weitere Täter sind unter
strengen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Zwei weitere minderjährige
Tatverdächtige wurden in Jugendheimen untergebracht — als Ersatz für die
Untersuchungshaft.
Die mutmaßlichen Terroristen wollten ausländische Imbissbudenbetreiber aus
der Region vertreiben. Das bestätigte gestern Rolf Grünebaum, Sprecher von
Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Das Ziel der Brandanschläge habe
Rädelsführer Christopher H. in einem als Satzung deklarierten Schriftstück
formuliert. “Dies ist entscheidend für den Terrorismus-Verdacht”, so
Grünebaum. Die Gruppe — zum Teil aus dem Goethe-Gymnasium in Nauen
(Havelland) — gab sich den Namen “Freikorps”. Straff organisiert, hielt sie
regelmäßig konspirative Treffen ab. Und erhob sogar einen Mitgliedsbeitrag
von den Angehörigen.
Zunächst wurden die Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft in
Karlsruhe geführt. Doch die Bundesankläger gaben das Verfahren zurück nach
Brandenburg.
Die Ermittler alarmiert vor allem die gezielte und systematische
Vorgehensweise der jungen Täter, mit den nächtlichen Brandanschlägen Angst
und Schrecken unter den ausländischen Imbissbetreibern zu säen.
“Das ist eine bislang noch nicht da gewesene Qualität”, sagte der
Generalstaatsanwalts-Sprecher Grünebaum. “Es ist auch nicht davon
auszugehen, dass es sich um spontane Taten handelt, die unter
Alkoholeinfluss verübt wurden.”
Der Anführer der Gruppe und der überwiegende Teil der Mitglieder stamme aus
geordneten sozialen Verhältnissen, sagte Grünebaum.
Die Täter seien planmäßig vorgegangen. “Sie kundschafteten ihre Ziele
offenbar in Ruhe aus und schlugen nach bisherigen Erkenntnissen dann nachts
zu.” Meistens hätten sie Molotowcocktails auf die Imbissbuden geschleudert.
Die Folgen waren verheerend: Sämtliche Stände brannten nieder, Sachschaden
von 770 000 Euro entstand. Daher wird gegen die rechtsgerichteten Täter auch
wegen des Verdachts der Brandstiftung ermittelt. Zeugen gibt es offenbar
bislang nicht: Die Täter hätten sich nach bisherigen Ermittlungen
vergewissert, dass sich keine Menschen in den Ständen befanden. Ob die Täter
ihr Ziel erreicht haben, die ausländischen Imbissbesitzer im Havelland zu
vertreiben, konnte Grünebaum gestern nicht sagen.
Über die Neonazi-Gruppe “Freikorps” lagen nach Angaben aus
Sicherheitskreisen beim Verfassungsschutz bislang keine Erkenntnisse vor.
Von Querverbindungen zu anderen militanten Neonazi-Gruppen ist dort nichts
bekannt. “Die Bande hat auf eigene Rechnung agiert”, heißt es in
Verfassungsschutzkreisen.
Fünf Euro für den rechten Terror
(TAZ) BERLIN Die aufgeflogene rechtsextreme Terrorgruppe aus Brandenburg plante offenbar auch den Bau von Sprengsätzen. Laut Informationen der Generalstaatsanwaltschaft Potsdam wurden bei Mitgliedern der “Wehrsportgruppe Freikorps” Chemikalien gefunden, mit denen sich Sprengstoff herstellen lässt. Außerdem weisen Einschusslöcher in einem Blechtopf auf Schießübungen hin. Das “Freikorps” soll unter Führung des 19-jährigen Christopher H. acht Brandanschläge auf Döner- und Asia-Imbissstände verübt haben (taz berichtete). Gegen insgesamt elf Schüler und junge Erwachsene wird ermittelt. Offenbar mussten die Rechtsextremisten fünf Euro monatlich in die Gruppenkasse einzahlen — so legt es jedenfalls ihre Satzung fest. “Die waren erschreckend gut organisiert”, sagte Rolf Grünebaum von der Potsdamer Generalstaatsanwaltschaft.