(Juri Eber) Noch einen Monat bis zur Fußballweltmeisterschaft. In Großbritannies Botschaft erlebte Deutschland diese Tage eine erste Niederlage im Leistungsvergleich. Britische Konzepte gegen Rassismus und Antisemitismus in Stadien sind sehr viel effizienter, als bei uns.
Am 9. Juli startet die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Die Polizei bereitet sich auf Hooligans aus aller Welt vor, die deutschen Fußballfans auf Menschen aus aller Welt — mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Wo die einen auf das große Geschäft hoffen und andere auf schöne Tore, werden wieder andere ihre Borniertheit durch rassistische und antisemitische Gesänge, Spruchbänder und Aufrufe demonstrieren. Diese kommen tief aus der Mitte der Gesellschaft und sind somit auch in der deutschen Fankultur fest verankert. Drei Beispiel sind exemplarisch dafür, welchen Anfeindungen sich Spieler mit migrantischem Hintergrund und/oder jüdischem Glauben in Deutschland ausgesetzt sehen:
1. Circa 50 Ultra-Fan´s des 1. FC Lok Leipzig bildeten kürzlich beim Sachsen-Pokal-Spiel zwischen der A‑Jugend von Lok Leipzig und dem Lokalrivalen Sachsen Leipzig ein lebendiges Hakenkreuz.
2. Fans des Energie Cottbus zeigten während eines Fußballspiels ein ca. 4x10m großes Transparent auf dem in Fraktur-Schrift “Juden” stand. Das “D” in dem Wort wurde durch das Logo Dynamo Dresdens ersetzt. Links und rechts des Wortes prangte jeweils ein Davidstern mit den Initialen “DD” (Dynamo Dresden) im Zentrum.
3. Adebowale Ogungbure, Spieler des FC Sachsen Leipzig wird bei jedem Spiel mit rassistischen Schmähungen wie „Drecks-Nigger, Affe, Bimbo und Scheiß-Neger” beschimpft. Beim einem Spiel gegen den Halleschen FC wurde er — von auf den Platz stürmenden Fans des HFC — geschlagen, bespuckt, gewürgt und getreten. Ein Mitspieler verhinderte schlimmeres und zog ihn in die Umkleidekabine.
Null-Toleranz-Kultur
In England gibt es in den Fankurven nur selten diese offenen Formen von Rassismus und Antisemitismus. Es hat sich eine “Kultur der null Toleranz etabliert, die dem konsequent und aggressiv entgegentritt”, so Lucy Falkner von der “Football Association” (FA) auf einer Konferenz am 5. Mai 2006 in Berlin. Organisiert wurde sie von der britischen Botschaft unter dem Titel “Fußball für alle — Fußball, ethnische Minderheiten und die Weltmeisterschaft” und hat Experten aus England und Deutschland die Möglichkeit geboten Wissen und Erfahrungen antirassistischer Arbeit im Fußball auszutauschen. Die Veranstalter meinen, dass “Fußball die Kraft hat, gesellschaftliche Barrieren zu beseitigen und Menschen aller sozialen Schichten zu inspirieren”. Doch es ging nicht nur um Rassismus. Lucy Falkner betonte, dass „auch Homophobie, sexuelle Belästigung und Antisemitismus nicht totgeschwiegen werden darf”.
Bis zu 3 Jahre Haft kann ein Fan in England bekommen, wenn er sich diskriminierend verhält oder äußert. Aber nicht nur da: wird ein englischer Fan in Deutschland wegen solcher Delikte festgenommen, so hat er sich ebenfalls in England dafür zu verantworten. Das ist — neben den erwarteten Ausschreitungen — einer der Gründe, weshalb 79 “Bobbys” (britische Polizisten) zur WM in Frankfurt, Köln und Nürnberg eingesetzt werden. Doch nicht nur England hat reagiert. Die FIFA hat zur WM sogar einen neuen Strafenkatalog herrausgebracht. Jetzt droht Vereinen, die nicht entschieden gegen Rassimus in ihren Stadien vorgehen Punktabzug, Platzsperren oder sogar der Zwangsabstieg.
Und Deutschland?
In England sind Antirassistische Initiativen, wie “Kick it out”, soweit, dass man sich überlegt wie man latente — also im Unterbewusstsein wirkende — Rassismen im bzw. mit Fußball überwinden kann. Dagegen wird “in der deutschen Gesellschaft das Problem des Rassismus kaum wahrgenommen und wenn es jemand wahrnimmt, dann sind es antifaschistische Kampfgruppen”, so ein Vertreter des BFC Dynamo. Initiativen wie “Kick it out” sind in Endland seit 13 Jahren aktiv und bekommen dabei kontinuierlich finanzielle, wie auch organisatorische Unterstützung von der FA. Dem deutschen Pendant, dem Deutschen Fußball Bund (DFB), fließt das Geld nicht so leicht von der Hand. Flutlicht wäre eine Initiative die dringend Geld benötigt, um kontinuierliche antirassistische Arbeit zu gewährleisten und mehr zukunftsweisende Projekte wie „Migration und Fußball” zu finanzieren. Das sie kein Geld bekommen kritisiert auch Claude Moraes — Mitglied des Europäischen Parlaments: “Die Behauptung, dass etwas gegen Rassismus getan werden muss, muss sich materialisieren und da sehe ich die Umsetzung noch nicht.” Der DFB trumpft zwar ab und zu mit kurzen Kampagnen auf — doch kontinuierliche Unterstützung gibt es nicht.
1992 organisierte der DFB eine Kampagne unter dem Motto “Friedliches Miteinander. Mein Freund ist Ausländer”. Im Zuge der Kampagne wurde auch ein 10 Punkte Programm gegen Rassismus, welches in Vereinssatzungen übernommen werden sollte verabschiedet. Leider ist das Programm nur in wenigen Vereinssatzungen übernommen worden, was vor allem an der nicht-langfristig ausgerichteten Arbeit liegt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Unterstützung des DFB in langjährige antirassistische Projekte, wie Flutlicht oder BAFF eher mangelnd ist. Um die Stadionatmosphäre zu ändern muss allerdings einiges passieren und, so betont Paul Elliott, ehemaliger Fußball-Profi von Celtic Glasgow, „besser präventiv als heilend”.