(MAZ, 6.12., Peer Straube) BABELSBERG Olli Dittrich gibt mit schnarrendem Rrr den “Führer”. Christoph
Maria Herbst alias Butler Hatler macht in der Edgar-Wallace-Parodie “Der
Wixxer” mit ausgestrecktem rechtem Arm morgendliche Dehnübungen. Dirk Bach
spielt Eva Braun.
Drei Ausschnitte aus Fernsehsketchen und Kinofilmen flimmern an diesem
Sonnabendnachmittag über die Wand in einem kleinen Raum im dritten Stock der
Hochschule für Film und Fernsehen (HFF). Es ist ein Experiment. Fünf
Medienwissenschaftsstudenten haben per Inserat zehn Probanden eingeladen.
Zwischen 15 und 70 Jahre sind die Teilnehmer alt. Das Projekt nennt sich
“Holocaust-Darstellungen in den Medien — wo liegen die Grenzen des guten
Geschmacks?”
Drei Ausschnitte, jede eine Parodie auf Adolf Hitler, den größten Verbrecher
der Menschheitsgeschichte. Kann man, ja, darf man über Hitler lachen? In dem
kleinen Raum zumindest tut es niemand. “Geschmacklos”, urteilt ein Mann
mittleren Alters. “Verharmlosung”, ruft eine Frau. “Nicht witzig”, findet
ein Mädchen. “Das ist zeitlich noch viel zu nah”, gibt eine Frau zu
bedenken. Erstaunt registrieren die Studenten den generationsübergreifenden
Konsens.
Dann wird eine Cartoon-Serie gezeigt. Walter Moers “Adolf” und Bilder aus
“Der Führer privat” von Ex-Titanic-Zeichner Achim Greser. Man hört ein
leises Kichern. Also doch. “Das ist intelektueller, nicht so platt wie bei
Dirk Bach”, sagt ein Mann. Aha, auf die Qualität des Humors kommt es an.
Eine Frau widerspricht. “Hitler schließt Komik generell aus. Angesichts der
Opfer kann man niemals darüber lachen.”
Weitgehende Zustimmung erfährt dagegen eine vor Jahren heiß umstrittene
Wahlwerbeaktion der nordrhein-westfälischen FDP. Der damalige
Spitzenkandidat Jürgen W. Möllemann warb mit großformatigen Fotos von
Hitler, dem Sektenführer Bhagwan und dem Kinoschlitzer Freddy Kruger für
eine neue Schulpolitik: Darunter prangte der Slogan: “Wenn wir nicht schnell
für mehr Lehrer sorgen, suchen sich unsere Kinder selber welche.” Provokant,
aber zulässig, urteilen die meisten. Eine Kampagne der
Tierschutzorganisation Peta, die auf einem Plakat KZ-Häftlinge einer
Hühner-Legebatterie gegenüberstellt, findet keine Gnade.
“Aufschlussreich und interessant”, lautet hinterher eine erste Bilanz der
Studenten. Den Verlauf der Diskussion hatten sie sich trotzdem anders
vorgestellt. Zumindest bei der satirischen Auseinandersetzung mit Hitler, so
die Potsdamerin Maren Gäbel, habe man von den Jüngeren doch eher eine
lockerere Einstellung erwartet.
Als repräsentativ darf die Meinung der Teilnehmer wohl eher nicht gelten.
Gerade die Generation der Enkel und Urenkel entdeckt Hitler zunehmend als
Witzfigur und setzt sich auf diese Weise mit dem Thema auseinander.
Im Januar wollen die Studenten eine Collage aus den gezeigten Ausschnitten
und den Reaktionen der Teilnehmer im Internet präsentieren.