Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm hat sich eine neue
Verfassungsschutzchefin geholt, die sich verstärkt dem “ausländischen
Islamismus” widmen soll. Allerdings gibt es schätzungsweise nur 20 bis 50
Islamisten in Brandenburg
(TAZ, Daniel Schulz) Brandenburg bekämpft den virtuellen Islamismus. Für den Verfassungsschutz
des Landes ist zwar erklärtermaßen der Rechtsextremismus das größte Problem.
Dennoch wollen die Geheimdienstler den “islamistischen Ausländerextremismus”
besonders heftig bekämpfen. Zwar gebe es weder Straftaten noch eine
absehbare Bedrohung durch islamistische Terroristen, “doch die potenzielle
Gefahr ist groß”, behauptet die neue Verfassungsschutzchefin Winfriede
Schreiber. Sie tritt ihren Job in dieser Woche an.
Als “Ruheraum” und “Rückzugszone” für Islamisten aus Berlin könnte
Brandenburg dienen, fürchtet Schreiber. Sie war von Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) extra geholt worden, um sich stärker dem Islamismus zu
widmen. Der alte Verfassungsschutzchef war zuvor mit einer Intrige aus dem
Weg geräumt worden. Konkrete Anhaltspunkte für islamistische Bedrohungen
sieht Schreiber jedoch nicht. Ihr Dienstherr hatte im Dezember vorigen
Jahres geschätzt, es könne etwa 20 bis 50 Islamisten in Brandenburg geben.
Das Landesinnenministerium will diese Zahl aber nicht bestätigen. Zum
Vergleich: Die Zahl der Rechtsextremisten stieg im vergangenen Jahr von 220
auf 300. Der bundesweite Zuwachs von rechtsextremistischen Straftaten spielt
sich vor allem in Brandenburg und Berlin ab.
Zwar sagt auch Schönbohm immer wieder einmal, der Rechtsextremismus sei
Brandenburgs größtes Problem. Doch das liebste Thema sind dem Brandenburger
CDU-Chef und seiner Partei die Islamisten. Als der Verfassungsschutzbericht
im Mai vergangenen Jahres erschien, schrieb Schönbohm in einem Papier, “dass
die größte Bedrohung unserer Sicherheit vom islamistischen Terrorismus”
ausgehe. Die Rechten wurden irgendwo dahinter erwähnt. Schönbohms
stellvertretender Parteivorsitzender Sven Petke bezeichnete einen Imam kurz
vor der Landtagswahl im vergangenen September als “Kaplan von Potsdam” und
“Hassprediger gegen den Westen.” Der Prediger stellte Anzeige wegen
Verleumdung, und die Parlamentarische Kontrollkomission rügte Petke für sein
Verhalten.
Strafrechtlich relevante Äußerungen konnte das Justizministerium bisher in
keiner Predigt entdecken. “Es scheint da eine verschobene Wahrnehmung zu
geben”, sagt Anetta Kahane, Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich
außer mit Rechtsextremismus auch seit längerem mit islamistischen Umtrieben
befasst. Kahane ist zwar froh, dass das Thema Islamismus derzeit kontrovers
behandelt wird. “Aber Brandenburg mangelt es sowohl an Ausländern als auch
an Islamisten.” Die Brandenburger CDU solle aufpassen, welche Absichten sie
in der Islamismus-Debatte verfolge.
Nach Ansicht der Opposition passt Schönbohm die Arbeit des
Verfassungsschutzes dem harten Ton der Bundes-CDU in der Debatte an. Auch
Schönbohm selbst tritt immer wieder mit forschen Forderungen auf. “Er muss
eben auf seine bundespolitische Präsenz achten”, spöttelt der Brandenburger
PDS-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg, “aber es fehlt die faktische
Untersetzung für diese gewagte These.” Auch die Brandenburger Grünen sehen
die Islamismus-Linie des Verfassungsschutzes als “nicht durch die Realität
gedeckt”.