F: In Potsdam wird derzeit eine Ausstellung gezeigt, die sich mit der Situation von Fl¨¹chtlingen beschäftigt. Was ist da zu sehen?
Es handelt sich eigentlich um zwei Ausstellungen. Beide thematisieren die Ausgrenzung, Kriminalisierung und Abschiebung von Flüchtlingen. “Deportation Class — Gegen das Geschäft mit Abschiebungen” befaßt sich speziell mit der Abschiebepraxis der Lufthansa. “Menschenwürde auf Rabatt — Flüchtlinge im toleranten Brandenburg” beschäftigt sich mit der Alltagssituation aus Sicht der betroffenen Flüchtlinge, konkret mit dem Sachleistungsprinzip und der Residenzpflicht. Parallel laufen auch Diskussionsveranstaltungen mit Vertretern von Politik und Flüchtlingsinitiativen.
F: Die Aktion Noteingang hat die Ausstellung mit initiiert. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Die kam uns während der Kampagne zur Abschaffung von Wertgutscheinen im Land Brandenburg, die im Frühjahr in Potsdam gestartet wurde. Ziel ist, das Asylbewerberleistungsgesetz so zu ändern, daß Flüchtlinge Bargeld statt Wertgutscheinen und Sachleistungen ausgehändigt bekommen. Ein erster Erfolg war, daß die Stadtverordentenversammlung Potsdam Anfang Juli einem Antrag mit großer Mehrheit zustimmte, mit dem die Landesregierung aufgefordert wurde, den Runderlaß zur Durchführung des Gesetzes so zu ändern, daß die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gewährung von Geldleistungen zu ermöglichen. Außerdem sollte die Landesregierung eine Initiative zur bundesweiten Abschaffung des Sachleistungsprinzips in Gang bringen.
F: Wie hat das Land auf den Beschluß Potsdams regiert?
Anfang November hat Sozialminister Alwin Ziel im Auftrag von Ministerpräsident Manfred Stolpe geantwortet. Die Änderung des Runderlasses für das Land Brandenburg werde man prüfen, sobald die von Ziel initiierte Arbeitsgruppe für Flüchtlingsfragen ihre Empfehlungen vollständig vorgelegt habe, hieß es in dem Schreiben. Konkreter drückte er sich zur geforderten bundesweiten Initiative aus. Diese ist nach Auffassung Ziels »weder bei der Bundesregierung noch bei Bundesrat noch innerhalb der Landesregierung?durchsetzbar. Es bestünde »ein überwiegender politischer Konsens über die Notwendigkeit einer Begrenzung ungesteuerter Flüchtlingszuwanderung auch durch die im Asylbewerberleistungsgesetz geregelten Leistungseinschränkungen? Für mich bedeutet das, daß auf Landes- sowie auf Bundesebene ein rassistischer Konsens herrscht. Es ist bezeichnend für das »tolerante Brandenburg, daß Isolation, Ausgrenzung und Erniedrigung zur Abwehr von Flüchtlingen genutzt werden und allgemein anerkannte Grundrechte in bezug auf Flüchtlinge keine Anwendung finden.