POTSDAM Die Parteien in Brandenburg, glaubt Katrin Freund fest, werden sich bald umschauen. “Wir sind neu und es herrscht so viel Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien — auch mit der CDU”, sagt die 34-Jährige.
Die gebürtige Chemnitzerin soll mit Getreuen in Brandenburg die Schill-Partei aufbauen. Jene rechtspopulistische Truppe, die es in Hamburg aus dem Stand auf 19,4 Prozent brachte, gleich in die Regierung einzog und seither wie ein Gespenst umher geht und den Parteien bundesweit das Fürchten lehrt.
Vor allem den Osten will “Richter Gnadenlos” mit seiner Ein-Mann-Partei aufmischen. In Brandenburg habe man es zwar “nicht so eilig”, meint Katrin Freund, schließlich werde erst 2004 der Landtag in Potsdam neu gewählt. Doch die Ex-Lebensgefährtin von Ronald Barnabas Schill ist schon jetzt ständig unterwegs, um geeignete Führungsfiguren für die Ost-Ausdehung zu finden. Namen will sie allerdings noch nicht nennen.
Es gebe großes Interesse, bei der Schill-Partei mitzumachen, gibt sie sich zuversichtlich. Das seien Menschen aus dem Bürgertum, Enttäuschte, die sich neu betätigen wollten und Mitglieder von Parteien. “Hauptsächlich von der CDU, weniger von der PDS.”
Derzeit würden Mitgliedsanträge geprüft. Für Januar, kündigte sie an, sei ein Treffen aller Interessierten geplant. Ziel sei es, im kommenden Jahr in Brandenburg einen eigenen Landesverband zu gründen.
Dafür gibt es laut Satzung aber strenge Formalien zu beachten: Um einen Ortsverband ins Leben zu rufen, sind 30 Mitglieder nötig. Einen Kreisverband können mindestens drei Ortsverbände mit mehr als 100 Mitgliedern gründen. Die Gründung des Landesverbandes ist möglich, wenn es mehr als drei Kreisverbände und 500 Mitglieder gibt.
Oberste Priorität hat aber zunächst Sachsen-Anhalt, wo am 21. April 2002 der Landtag neu gewählt wird. Meinungsforscher trauen der Protest-Partei einen ähnlichen sensationellen Erfolg wie am 23. September in Hamburg zu. Auf 20 Prozent könnte die Partei kommen. Parallel läuft der Parteiaufbau in Mecklenburg-Vorpommern, wo im Herbst 2002 neu gewählt wird. Offen ist, ob die Partei für den Bundestag im Herbst antritt.
Die innere Sicherheit als alleiniges Thema wie in Hamburg reicht der Schill-Partei im Osten aber nicht aus. Deshalb würden Schwerpunkte auch die Arbeitslosigkeit und die Abwanderung vor allem junger Menschen sein, hieß es.
Wie in Sachsen-Anhalt soll in Brandenburg scharf darauf geachtet werden, wer in die Partei aufgenommen wird. Jeder Aspirant muss einen Lebenslauf vorlegen und sein “politisches Vorleben” der letzten zehn Jahre offenlegen. Wer einmal Mitglied in einer rechtsextremen Partei war, soll keine Chance haben. Das soll zwar auch für eine Stasi-Mitarbeit gelten. Doch dafür gebe es bisher keinen Vorstandsbeschluss, sagt Freund.
Das Abwerben von CDU-Leuten hat zumindest in Sachsen-Anhalt schon geklappt. Der 45-jährige Unternehmer Ulrich Marseille ist im Oktober aus der CDU ausgetreten und leitet den Aufbau der Schill-Partei in Magdeburg. Die SPD in Sachsen-Anhalt habe das Land “an den Rand des Ruins” getrieben; die CDU werde von den DDR-Blockpartei-Mitgliedern geprägt, begründet der Mehrheitsaktionär der Marseille-Klinien sein neues Engagement.
Marseille ist auch in der brandenburgischen CDU kein Unbekannter. Der Betreiber von Altenheimen und Reha-Kliniken war Groß-Spender der Union. Er spendierte der Schönbohm-CDU 1999 im Wahlkampf 165 000 Mark. Für Schlagzeilen sorgte er im Februar 2001: Auf Bitten seiner Anwälte sollte sich CDU-Justizminister Kurt Schelter in einen Rechtsstreit zwischen Marseille und dem Sozialministerium einmischen. Daraufhin ließ Schelter zwei Gutachten anfertigen, was ihm von der PDS den Vorwurf einbrachte, sich unzulässig für einen Großspender der CDU eingesetzt zu haben, was er wiederum zurückwies.
Noch reagieren die Parteien in Brandenburg auf die Schill-Partei gelassen. PDS-Landesvize Stefan Ludwig sieht vor allem für die CDU etwas “Bedrohliches” nahen, wenn deren Wähler zu den Rechtspopulisten abwandern. Vize-CDU-Landeschef Sven Petke meint aber, dass das Thema innere Sicherheit durch Schönbohm besetzt sei. “Die sollen ruhig kommen und sich eine blutige Nase holen.”
Schill-Partei-Koordinatorin Katrin Freund kann sich darüber nur amüsieren: “Schönbohm kann sagen, was er will. Am Ende entscheidet der gesunde Menschenverstand der Bürger.”