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Für die Vielfalt

(Anja Garbe) Dass sich alle wie Schwest­ern und Brüder umar­men kön­nten, beson­ders darum bat Pfar­rerin Cor­nelia Behrmann am ver­gan­genen Sam­stag bei der Pre­miere des ersten tol­er­an­ten öku­menis­chen Gottes­di­en­stes in Pots­dam. In der Frieden­skirche gestal­tete sie damit gemein­sam mit der Pots­damer schwul-les­bis­chen Com­mu­ni­ty einen beson­deren Auf­takt zum diesjähri­gen Pro­gramm rund um den Bran­den­burg­er Christo­pher Street Day (CSD).

Mehr als 100 Homo­sex­uelle präsen­tierten sich pri­vat oder mit ihren Vere­inen bei einem Stadtspazier­gang. Darunter auch der Vere­in les­bis­ch­er und schwuler Polizeibe­di­en­steter Berlin-Bran­den­burg, dessen Vor­sitzen­der Thomas Stich­han, für eine größere Präsenz Homo­sex­ueller in der Öffentlichkeit warb. Seit 1994 engagiert sich der Vere­in polizei­in­tern für mehr Aufk­lärung, Tol­er­anz und Unter­stützung durch Poli­tik und Öffentlichkeit.

Der schwul-les­bis­che Spazier­gang zum Stadthaus führte am Grab Friedrichs des Großen vor­bei, an dem der his­torischen Dimen­sion der Homo­sex­uel­len­be­we­gung gedacht wurde. Schwule und Les­ben sollen sich in den 1990er Jahren aktiv in der Bürg­er­be­we­gung für die Umbet­tung Friedrichs II einge­set­zt haben. 

Auch er selb­st und seine Beziehung zu Leut­nant Hans Her­mann Kat­te, mit dem er vor der Erziehungs­ge­walt seines Vaters nach Frankre­ich zu fliehen ver­suchte und der daraufhin vor den Augen des jun­gen Friedrich hin­gerichtet wurde, berge Anlass zu mehr als Speku­la­tion. Ähn­lich die nack­te Apol­lostat­ue, die der König in der Laube zur Linken seines Lustschloss­es auf­stellen ließ und auf die er ger­adewegs aus dem Fen­ster seines Arbeit­sz­im­mers blick­en konnte. 

Der­gle­ichen machte deut­lich, dass sich der Christo­pher Street Day nicht allein um schrille Kostüme und die pure Lebens­freude, son­dern vor allem um Äng­ste, Prob­leme und den Kampf um die Gle­ich­berech­ti­gung von Schwulen, Les­ben sowie Bi- und Trans­sex­uellen dreht. Noch heute, so Jir­ka Witschak aus der Geschäftsstelle des CSD, ver­steck­ten viele Homo­sex­uelle ihre Nei­gung, um nicht zu Außen­seit­ern der Gesellschaft zu wer­den oder schlim­mer noch, Opfer von Gewalt. „Ger­ade im Flächen­land Bran­den­burg, ste­ht man als Homo­sex­ueller meist allein da und das Umfeld ist wegen man­gel­nder Ken­nt­nis häu­fig mit der beson­deren Sit­u­a­tion über­fordert“, erk­lärt er die Bedenken der Betrof­fe­nen. Deshalb sei die öffentliche Präsenz von Homo­sex­uellen auf dem gemein­sam mit dem Kat­te e.V., dem Vere­in der Schwulen über 40 und dem Ander­sar­tig e.V. organ­isierten Christo­pher Street Day so wichtig. Mit seinem diesjähri­gen Mot­to „Schwule Sau – Rechte ja, Rechte nein“ wolle der CSD vor, aber auch auf die zunehmende rechte Gewalt gegen Homo­sex­uelle aufmerk­sam machen, so Witschak. Torsten Krause von den Linken gab zu bedenken, dass ger­ade recht­sex­treme Parteien wieder ver­stärkt bemüht seien, Vorurteile gegen Homo­sex­uelle im Bewusst­sein der Men­schen aufzubauen und für ihre Zwecke auszunutzen. 

So sei es in der Poli­tik noch längst nicht an der Zeit sich zurück­zulehnen, mah­n­ten auch Gabriele Kern­topf von der Lan­desko­or­dinierungsstelle für Les­BiS­chwule Belange und Sabi­na Scheur­er, die Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragte Pots­dams. Beson­ders die von der Europäis­chen Union für unzuläs­sig erk­lärte, von der Bun­desre­pub­lik aber fort­ge­führte Benachteili­gung der homo­sex­uellen Lebenspart­ner­schaft gegenüber der herkömm­lichen Ehe und die noch immer deut­lich spür­bare gesellschaftliche Diskri­m­inierung ver­hin­derten noch immer eine wirk­liche Gle­ich­stel­lung Homo­sex­ueller und ver­let­zten diese in ihrer Men­schen­würde. Beson­ders Kern­topf machte jedoch auch deut­lich, dass auch inner­halb der Com­mu­ni­ty mehr für Tol­er­anz, Geschlechter­gle­ich­stel­lung und eine stärkere Ver­net­zung der einzel­nen Grup­pen getan wer­den müsse. „Wir kön­nen uns den Luxus gegeneinan­der zu arbeit­en ein­fach nicht leis­ten“, betonte sie noch ein­mal direkt vor dem Hissen der Regen­bo­gen­fahne, dem Sym­bol der inter­na­tionalen Schwulen- und Les­ben­be­we­gung, vor dem Pots­damer Stadthaus. 

Auch die diesjährige Schirmher­rin des CSD, Lan­des­gle­ich­stel­lungs­beauf­tragte Dag­mar Ziegler, wies darauf hin, dass Tol­er­anz nur unter Beteili­gung der gesamten Gesellschaft möglich sei und nan­nte in diesem Zusam­men­hang die Ablehnung der Uni­ver­sität Pots­dam, die Regen­bo­gen­fahne zu hissen (PNN berichteten), einen echt­en Rückschritt. Sie hoffe nun auf ein baldiges Fehlereingeständ­nis seit­ens der Hochschule. 

Unab­hängig davon will der All­ge­meine Studieren­de­nauss­chuss (AStA) aus Sol­i­dar­ität nicht nur mit der schwul-les­bis­chen Hochschul­gruppe „Queer UP“, son­dern auch zur Demon­stra­tion der stu­den­tis­chen Vielfalt die bunte Fahne mor­gen gegen elf Uhr auf dem Cam­pus am neuen Palais, direkt vor den Kolon­naden am eige­nen Mast hissen.

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