(WOLFGANG GERTH) NAUEN Lautstarker Protest, Pfiffe eingeschlossen, bestimmten gestern Vormittag das Geschehen am Nauener Waldemardamm. Vor dem neuen Integrations- und Leistungszentrum machten Hartz-IV-Betroffene mobil. “Das ist Schröders neueste List, doch wie es läuft, ist alles Mist”, hieß es auf einem Plakat, gerichtet an den Landrat. Etwa 20 Nauener forderten, dass die Mitarbeiter der neuen, auch Arge genannten Behörde ihre Kunden “künftig fachkundig behandeln”. Die Angesprochenen hörten es durch geschlossene Fenster. Dass die Angestellten zugleich heimliche Zuschauer waren, verbargen auch die getönten Scheiben nicht.
Die Initiative zu diesem Protest ging vom Verein “Bündnis gegen Sozialabbau” aus. “Und wenn sich nichts ändert”, so Wolfgang Galle als dessen Vorsitzender, “stehen wir von nun an jeden Dienstag ab 10 Uhr hier.” — Nauen hätte dann seine Dienstagsdemos. “Den Leuten wird Geld weggenommen, aber eine Perspektive wird ihnen nicht gegeben”, klagte Sprecher Galle die Autoren von Hartz IV an. “Es handle sich um ein Gesetz, das von Leuten gemacht wurde, die selbst kein Leid kennen”, sagte er unter Beifall der Protestierenden. Es gehe um eine gezielte Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bis hin zum Ruin der Existenz ganzer Familien. Und als wäre es abgesprochen, wandte sich eine junge Nauenerin, Mutter von drei Kindern, an den Vereinsvorsitzenden: Sie hatte ihre ALG-II-Anträge im Dezember gestellt, bisher aber noch keinen Cent erhalten. Jetzt droht ihr die Kündigung durch den Vermieter. Für Dennis Granzow, den Chef der neuen Behörde, war der Protest-Dienstag zugleich der erste Arbeitstag in dieser Funktion. Den Rufen der von Hartz IV Betroffenen, ihnen allen sofort und an Ort und Stelle Rede und Antwort zu stehen, folgte er nicht. Eine “Aufforderung zum Handeln”, bei der es sich um ein kritisches Papier des “Bündnisses gegen Sozialabbau” zur Arbeit der Arge handelt, nahm er im Anschluss aber entgegen. Die Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger durch Fallmanager und funktionierende Technik innerhalb der Behörde gehören zu den Hauptforderungen.
Dennis Granzow, innerhalb der Verwandtschaft selbst von Hartz IV betroffen, stellte klar, dass er für die Umsetzung geltenden Rechts zuständig sei. Seine Mitarbeiter seien Fachleute aus bisherigen Verwaltungen. Sie hätten bislang nicht nur eine Schulung erhalten. “Deshalb stelle ich mich auch vor sie, wenn behauptet wird, sie wüssten nicht ein noch aus. Und was die Computerprobleme angehe, so werde es für den Fall der Fälle Alternativvarianten geben. “Geben Sie mir eine Woche Zeit, dann melde ich mich bei Ihnen”.
Sorge, dass die Protestaktion die Polizei auf den Plan ruft, bestand nicht. Der Bürgermeister hatte sein Einverständnis gegeben. Und dennoch erschienen zwei Beamte. Ihre Leitstelle forderte sie auf, ihr den Namen von Sprecher Wolfgang Galle mitzuteilen.