(AXEL KNOPF) SACHSENHAUSEN Die Lagerleitung in Sachsenhausen war unsicher, wie sie mit Martin Niemöller umgehen soll. Der Theologe aus Berlin-Dahlem ist am 2. März 1938 in das Konzentrationslager eingeliefert worden — als persönlicher Gefangener Adolf Hitlers. Über den Umgang mit dem Häftling Nummer 569 entschied der Sicherheitsdienst in Berlin. Da die Lagerleitung und die Wachen keine Weisung hatten, fragten sie Niemöller, ob er Klagen oder Wünsche hat? “Allerdings”, antwortete der Gefangene. Er möchte seine persönlichen Sachen, die man ihm abgenommen hat, wiederhaben. Darunter seine Bibel. Nach einem Gespräch mit dem Lagerkommandanten erhielt er am Tag nach seiner Einlieferung zumindest die Bibel zurück.
Niemöller war von 1938 bis 1941 in Sachsenhausen inhaftiert — in Einzelhaft. Eine Sonderausstellung, die heute im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus eröffnet wird, beschäftigt sich mit ihm. Mit wechselnden Ausstellungen macht die Gedenkstätte im Zellenbau auf das Schicksal einzelner Gefangener aufmerksam. Die Sonderschauen ergänzen die Ausstellung zur Zellenbau-Geschichte.
Niemöller, der anfangs die Machtergreifung der Nationalsozialisten noch begrüßt hatte, zog schnell als unerschrockener Prediger gegen Hitler zu Felde. Gott ist der Herr der Kirche, nicht Hitler, sagte er. Im Herbst 1933 ruft er zur Gründung eines Pfarrernotbundes auf. Der Bund soll sich gegen das Ausgrenzen von Christen jüdischer Herkunft aus dem kirchlichen Leben und gegen die Verfälschung biblischer Lehre durch die nationalsozialistischen deutschen Christen wehren.
Niemöller zählte zu den prominentesten Vertretern der Bekennenden Kirche. Er ist 1941 von Sachsenhausen ins Konzentrationslager Dachau verlegt worden. Nach Kriegsende protestierte er in West-Deutschland gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. 1961 wird er einer von sechs Präsidenten des Weltkirchenrates. 1984 stirbt Niemöller in Wiesbaden.
Im Mittelpunkt der heutigen Gedenkveranstaltung stehen die Verfolgten der beiden großen christlichen Religionen. Auch rund 700 katholische Priester, Ordensmänner und Priesteramtskandidaten waren zwischen 1936 und 1945 in Sachsenhausen inhaftiert.
maz
“Spurensuche” geht weiter
Wilsnacker Schüler zum 60. Jahrestag der Befreiung eingeladen
DOROTHEA VON DAHLEN
BAD WILSNACK Die “Spurensuche” geht weiter. Auch nach der beeindruckenden Enthüllung des Mahnmals am einstigen KZ-Außenlager Glöwen im September vergangenen Jahres führen Schüler der Gesamtschule Bad Wilsnack das Projekt zur Erforschung der Geschichte der Juden während der NS-Zeit fort. So besteht immer noch reger Briefkontakt zu den einstigen KZ-Häftlingen Abraham Lancman und Josef Rotbaum-Ribo, die damals nach Glöwen gekommen waren, um den Schülern als Zeitzeugen über die schrecklichen Ereignisse in den Konzentrationslagern zu berichten. Im April wird es ein Wiedersehen mit ihnen geben. Denn Lancman und Rotbaum-Ribo reisen vom 15. bis 17. April zum großen Treffen der Überlebenden des Holocausts, das die Gedenkstätte Sachsenhausen zum 60. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge aus den Konzentrationslagern veranstaltet. Da sie sich mit ihrer Dokumentation über das Außenlager Glöwen einen Namen gemacht haben, dürfen auch Schüler aus Bad Wilsnack an der historisch wichtigen Veranstaltung teilnehmen.
Wie Lehrerin Ulla Seeger, die die Arbeitsgruppe ins Leben gerufen hat, berichtet, ist das Programm voll gespickt mit Aktivitäten. Am 15. April fahren Schüler der Klassen 8 und 10 zum Museum Belower Wald, wo eine Gruppe von einstigen KZ-Häftlingen aus Frankreich zu Gast sein werden. “Die Schüler wollen auch diesen Teil der Geschichte aufarbeiten und etwas über die Todesmärsche erfahren”, sagt Ulla Seeger.
Arne Sirrenberg, Ingo Schultz, Annekathrin Martinu und Maria Pöschel — die Mitglieder der Arbeitsgruppe Geschichte aus dem Vorjahr, sind für den 16. April zur Gedenkstätte eingeladen. Sie nehmen am “Tag der Begegnung” gemeinsam mit Schülergruppen aus ganz Deutschland teil und stellen ihr Projekt zum Außenlager Glöwen an einem eigenen Stand vor. Eine Delegation Bad Wilsnacker Lehrer reist wiederum am 17. April zur zentralen Festveranstaltung in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Dazu werden 1000 Juden aus der ganzen Welt erwartet, die die Schrecken und Qualen in den Konzentrationslagern überlebt haben.
Gelegenheit zu direktem Austausch bekommen die Bad Wilsnacker Schüler am 18. April, wenn Abraham Lancman und Josef Rotbaum-Ribo erneut in die Prignitz kommen. Sie werden sechs weitere Landsmänner mitbringen, die ebenfalls von 1944 bis 1945 in Glöwen gefangen gehalten wurden. Sie besuchen gemeinsam mit den Schülern den Gedenkstein, wo eine Info-Tafel mit den wichtigsten Fakten zum Außenlager in Glöwen aufgestellt werden soll.
Abraham Lancman wird den Schülern auch ein Exemplar seines Buches mitbringen, das er zum 60. Jahrestag der Befreiung verfasst hat, kündigte Ulla Seeger an. Fester Bestandteil der Publikation soll die Dokumentation “Spurensuche” sein. Der Autor hatte die Schüler gebeten, dazu einen Text und Fotos zur Verfügung zu stellen. Das Buch ist schon in hebräischer Sprache erschienen, soll aber später auch ins Deutsche übersetzt werden.