(Tagesspiegel) Oranienburg (dpa/PNN). In der Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin haben am Dienstag mehrere Hundert Menschen der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
Bei einer Kranzniederlegung sagte der brandenburgische Landtagspräsident Herbert Knoblich, die Ermordeten und Gequälten mahnten dazu, den Hass gegen Fremde und Andersdenkende auf das Entschiedenste zu bekämpfen. Im Beisein ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers sowie des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer wurde die Ausstellung “Gewissenlos-Gewissenhaft” eröffnet.
Die Schau der Universität Erlangen-Nürnberg thematisiert medizinische Versuche an Menschen in Konzentrationslagern und ist bis zum 25. April zu besichtigen. Zehntausende KZ-Häftlinge waren für die oft tödlichen Experimente missbraucht worden. Ihnen widmete die Gedenkstätte den
diesjährigen Gedenktag.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) betonte anlässlich des Gedenktages, es gebe keine Flucht aus der Geschichte.
Der Holocaust-Opfer zu gedenken bedeute, sich neu zu besinnen und hinzuzulernen. Daraus lasse sich die Kraft beziehen, engagiert für die Verteidigung der Menschenwürde in der Gegenwart einzutreten.
Bei den Schilderungen der medizinischen Experimente “gefriert einem das Blut
in den Adern”, sagte Knoblich in Sachsenhausen. Dort sei mit Senfgas und Hepatitis-Erregern an Häftlingen experimentiert worden. Ihr Tod wurde “in Kauf genommen oder sogar einplant”.
Als einer der Überlebenden berichtete Saul Oren über seine Erlebnisse als Opfer von Versuchen zu ansteckender Gelbsucht in Sachsenhausen. Von 1943 an wurden der damals 14-Jährige, sein jüngerer Bruder und neun weitere jüdische
Kinder dafür im Krankenrevier benutzt. Nach den Injektionen litt er an Schmerzen und Fieberschüben. Der Rest seiner Familie wurde in Auschwitz umgebracht.
Die wichtigste Lehre aus jener Zeit sei, betonte der heute in Israel lebende Oren: “Kämpfen gegen grundlosen Hass und Antisemitismus.” Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, sagte, in der NS-Zeit seien Hunderttausende Menschen Opfer medizinischer Verbrechen
geworden. Dies reiche von der Ermordung psychisch Kranker im Rahmen der “Euthanasie” sowie kranker Häftlinge in den Lagern bis zu den medizinischen Versuchen. Am 7. November werde zu diesem düsteren Kapitel der deutschen Medizingeschichte die Ausstellung “Medizin und Verbrechen — Das Krankenrevier Sachsenhausen” in der Gedenkstätte eröffnet, kündigte Morsch an.
Schüler des Paul-Gerhardt-Gymnasiums in Lübben (Dahme-Spreewald) informierten über ihr Projekt “Stolpersteine” zum Gedenken an die Psychiatrie-Opfer im Nationalsozialismus. Dabei sollen auf öffentlichen
Straße verlegte Metalltafeln mit Inschriften an die Opfer erinnern.