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Gedenkkundgebung in Potsdam

Am 09.November wei­ht die Förderge­sellschaft für den Wieder­auf­bau der Gar­nison­skirche e.V. eine „Ver­söh­nungskapelle“
in der Ausstel­lung über die Potsdamer
Gar­nison­skirche ein. Nicht ganz ohne
Hin­tergedanken fi el die Wahl der Initiator-
Innen auf eben dieses Datum und die Errichtung
ein­er christlichen Andachtsstätte in Verbindung
mit der Ter­mi­nolo­gie „Ver­söh­nung“.
Denn obwohl am 9. Novem­ber vor 68 Jahren
der deutsche Mob in der „Reich­skristall­nacht“
seinen anti­semi­tis­chen Wahnvorstellungen
freien Lauf ließ, feiern die Preußenliebhaber
am 9. Novem­ber wieder selb­st­be­wusst und „zu
Recht“ die Ver­söh­nung mit der eige­nen Geschichte und mit all jenen, die sie sich als
Objek­te der Ver­söh­nung aus­ge­sucht haben. Propagiert wer­den neben­bei die Rückkehr
zu den preußis­chen Tugen­den und die pos­i­tive Bezug­nahme auf Aspek­te des
ver­meintlich tol­er­an­ten Preußens, heute Bran­den­burgs, und deren Über­führung in
die Gegen­wart. Diszi­plin, Sauberkeit und (Kadaver-)Gehorsam waren und sind aber
keine Tugen­den, son­dern sie dien­ten in Preußen als eine Art Herrenmenschenideologie
zuallererst der Klas­si­fi zierung der Unter­ta­nen des Mil­itärstaates anhand von
Tauglichkeit und Ver­w­ert­barkeit und zum Auss­chluss der ver­meintlich Anderen.
Tol­er­ant war Preußen fol­glich nur gegenüber Men­schen, die des Königs Gnade besaßen
oder sich diese erkaufen kon­nten und die dem Staat einen ökonomis­chen Nutzen
boten. Die jüdis­che Bevölkerung war in Preußen solange akzep­tiert, wie sie in
der Lage war Schutzgelder zu bezahlen und sich den Berufs- und Siedlungsverboten
fügte- die so genan­nten Bett elju­den wies der tol­er­ante Staat ein­fach aus.
Ver­söh­nung bedeutet immer, dass der der Unrecht getan hat seine Schuld anerkennt,
den ersten Schritt auf den Gescholte­nen zu macht und in refl ektieren­der Sprache darum
bitt et, dass das vorherige „gute“ Ver­hält­nis wieder hergestellt wird.
Im wiedervere­in­ten Deutsch­land spielt es aber schein­bar keine Rolle, ob die Zielobjekte
des deutschen Ver­söh­nungswahns über­haupt wil­lens sind- deutsche Politik
war schon zu oft total und umfassend, die Poli­tik der Ver­söh­nung ist es auch und
kommt dabei aber nicht über eine bloße Ver­söh­nungsrhetorik hin­aus, son­dern verharrt
als Makulatur.
In der Ver­wand­lung der TäterIn­nen zu Ver­söh­nungs­fordern­den, begierend nach Lobesworten,
die ihre neuer­lich geschicht­spoli­tis­che Fes­ti­gung, demokratis­che Wandlung
und welt­poli­tis­che Ver­ant­wor­tung als Abkehr von Auschwitz huldigen, entblößt
sich vielmehr nur die fanatis­che Maske der Ewiggestrigen.
Nicht „dieses“ Preußen sei es gewe­sen, dass Hitler zum Reich­skan­zler erhob, denn
dies baute ja immer­hin auf ein­er human­is­tis­chen und fortschritt lichen Tra­di­tion auf.
Damit erscheint es dann natür­lich auch legit­im, Hitler die Allein­schuld für den Zweiten
Weltkrieg zu geben und die Deutschen als fehlgeleit­ete Schafh erde zu sehen, die
ihre Unschuld heute in Form ein­er Ver­söh­nungskapelle zementiert.
Am 9. Novem­ber feiert man mit jenen, mit denen man einen Sta­tus Quo erreicht
hat und die es aufgegeben haben, sich gegen das deutsche Weinen um die Toten
der alli­ierten Angriff e und die schö­nen zer­bombten deutschen Städte zu wehren.
Die Ver­söh­nung mit ihnen wurde möglich durch die Insze­nierung der christlichen
Ethik und Reli­gion als „Völk­erver­ständi­gen­des“ Bindeglied und verbindende Tradition,
im Kon­glom­er­at mit unmitt elbaren poli­tis­chen Vorteilen und der Gewissheit,
dass die anzuerken­nende Schuld weitaus weniger tief­greifend und ohne fi nanzielle
Fol­gen für Deutsch­land ist. Das Schuld­beken­nt­nis war nicht geeignet die neue, alte
nationale Iden­tität­skon­struk­tion zu Fall zu brin­gen, son­dern zog einen historischen
Schlussstrich.
Massen­mord, Ver­nich­tung durch Arbeit, Zwangsar­beit, Quälereien und Demütigungen
entziehen sich jedoch dem Ver­söh­nungs­be­griff . Es wäre ver­messen z.B. jüdische
Men­schen, ehe­ma­lige Zwangsar­bei­t­erIn­nen, Ver­fol­gte auf­grund ihrer sexuellen
Ori­en­tierung oder Sin­ti und Roma mit diesem Ansin­nen zu kon­fron­tieren, da
dies ein­er Rel­a­tivierung und Negierung der deutschen Ver­brechen gle­ich kommt.
Weit­er­hin würde mit dem Ver­söh­nungsri­tus ver­wis­cht, dass in Deutsch­land nicht
Tol­er­anz und Akzep­tanz, son­dern Auss­chluss und Diff amierung durch die Mehrheitsgesellschaft
eine jahrhun­dertealte Tra­di­tion besitzen. Eben dieser Konstruktion
und Instru­men­tal­isierung ver­weigern sich die Ver­fol­gten, nicht nur des Nationalsozialismus,
aus gutem Grund: Sie sollen mundtot
gemacht werden.
Der viel gepriesene Entschädi­gungs­fond ist
als eine erneute Demütigungsmaschinerie
konzip­iert- die Antrag­stel­lerIn­nen sind verpfl
ichtet einen „Opfer­be­weis“ für ein paar
lächer­liche deutsche Almosen zu erbringen.
Und damit kön­nen sie sich dann sog­ar noch
zu den ver­meintlich Priv­i­legierten unter den
Ver­fol­gten des Nation­al­sozial­is­mus zählen,
andere Men­schen wer­den so behan­delt, als
hätt e es sie und ihre Lei­den nie gegeben.
Wir wer­den es nicht akzep­tieren, dass am an einem Ort Ver­söh­nung gefeiert wird,
an dem am 21. März 1933 schon ein­mal das Wort Ver­söh­nung unzwei­deutig fi el -
„die Ver­söh­nung des preußis­chen Geistes mit der neuen Bewe­gung” – inszeniert
von Joseph Goebbels und mit Reich­skan­zler Adolf Hitler in der Hauptrolle.
Wir gedenken am 9. Novem­ber deshalb all jenen, die nicht in das deutsche Konzept
der Aufar­beitung der Geschichte passen! Wir gedenken allen Opfern des deutschen
Größen­wahns — Ihnen gilt unser­er Engagement. 

Gedenkkundge­bung am 09. Novem­ber 2006 um 16.30 Uhr Bre­ite Straße ecke Dortustraße

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