Ja zu umfangreichen Sprengungen und einer
kritischen Potsdamer Denkmalkultur
In einem Antrag zur Stadtverordnetensitzung am 1. März fordert die Potsdamer
CDU, dass eine Wiederaufstellung der Lenin-Statue vor dem ehemaligen Haus der
sowjetischen Offiziere in der Hegelallee verhindert werden müsse. Wenn die
Toleranz der Stadt Potsdam auch für Persönlichkeiten gelte, die in ihrem
politischen Leben „buchstäblich über Leichen gegangen sind“ und hierdurch
„falsche Mythen gepflegt“ würden, gäbe dies die Stadt der Lächerlichkeit
preis.
Die Potsdamer Ortsgruppe des sozialistischen Jugendverbandes [’solid] forderte
die Potsdamer CDU vor diesem Hintergrund gestern auf, bei ihrem
gewaltkritischen Einsatz nun nicht auf halber Strecke stehen zu bleiben,
sondern konsequenterweise neben dem Lenin-Denkmal in Potsdam auch andere
Monumente aus dem Stadtbild zu entfernen.
Das denkmalpolitischen SprecherInnenkollektiv der Gruppe erklärte hierzu am
Freitag: „Die CDU ist hier ausnahmsweise klar auf dem richtigen Weg: Die
berühmte preußische Toleranz hat Grenzen! Statt wie bisher vor allem für
ausländische MitbürgerInnen, Graffiti-KünstlerInnen und DemonstrantInnen gegen
Neonazis müssen diese Grenzen nun endlich für jene historische Persönlichkeiten
gelten, die in ihrem politischen Leben ´buchstäblich über Leichen gegangen
sind´.“
[’solid].potsdam fordert daher in Übereinstimmungen mit den neuen
Denkmalrichtlinien der Potsdamer CDU den zeitnahen Abriss des
Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Denkmals in der Seelenbinder-Straße. Seine
Erfahrungen aus dem preußischen Militär habe Steuben bekanntlich als
Generalmajor und Generalinspekteur des Heeres im amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg eingesetzt. In zahlreichen Gefechten trugen die von ihm
befehligten Truppenteile maßgeblich zum Sieg über die britischen Truppen bei,
der Tod gegnerischer Soldaten war ihm hierbei Mittel zum Zweck.
„Ein weiteres Denkmal, das zweifellos möglichst bald entfernt werden sollte, ist
die Statue von Friedrich II. im Park Sanssouci. Während seiner Regierungszeit
führte der autokratische Herrscher in 11 Kriegsjahren mehr als 15 blutige
Schlachten und ging im Zuge seiner Machtpolitik mehr als ein Mal über Leichen.
Die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam enthält hierzu umfangreiche Dokumente.
Dass er dennoch immer wieder als positiver Bezugspunkt für vermeintliche
Tugenden herangezogen wird, erscheint mir unerträglich und gibt die Stadt der
Lächerlichkeit preis.”
[’solid].potsdam ist positiv überrascht vom Vorstoß der CDU, sich abseits des
sonst üblichen Populismus einmal kritisch mit historischen Persönlichkeiten
auseinander zu setzen und anstößige Denkmäler entsprechend zu entfernen: „Über
alle sonstigen politischen und inhaltlichen Grenzen hinweg sehen wir hier
erstmals Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit auf inhaltlicher Ebene. Gern
sind wir bereit, uns auch tatkräftig an der praktischen Umsetzung zu
beteiligen: Bereits über Ostern könnte endlich das unsägliche Glockenspiel
eingerissen werden. Die dazugehörigen Grundmauern einer geplanten Kopie der
Garnisonkirche, die in ihrer historischen Bedeutung für militaristische
Traditionen und damit die Verachtung menschlichen Lebens steht, könnten bis zum
8. Mai beseitigt sein. Wir bringen gern die Hacke mit und schmieren Stullen.“