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Geteilt & geliked: Rassistische Potenziale im Land Brandenburg

Dieser Artikel erschien zuerst unter blog.rechtesland.de sowie im aktuellen Rund­brief “mon­i­tor” des apabiz e.V.
Als »Social-Media-Muf­fel« beze­ich­nete eine Studie zur Nutzung Sozialer Medi­en Anfang dieses Jahres die Brandenburger_innen. Doch dass die Sozialen Medi­en inzwis­chen flächen­deck­end Einzug gefun­den haben, zeigt sich in erschreck­ender Weise an ein­er Recherche für den Online-Atlas Recht­es Land: Im Land Bran­den­burg sind Ras­sistIn­nen sehr gut über Face­book vernetzt.

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Es ist egal, welche Aktiv­itäten gezählt wer­den, das Ergeb­nis lautet immer gle­ich: Die ras­sis­tis­che Agi­ta­tion gegen Geflüchtete und Migrant_innen hat sowohl bun­desweit, als auch im Land Bran­den­burg enorm zugenom­men. In den ersten vier Monat­en diesen Jahres fan­den hier 38 von 40 recht­en Kundge­bun­gen und Demon­stra­tio­nen unter einem ras­sis­tis­chen Mot­to statt, dabei lag die durch­schnit­tliche Zahl rechter Ver­samm­lun­gen in den Vor­jahren ger­ade ein­mal bei einem Dutzend. 58 von 92 recht­en Gewalt­tat­en im Jahr 2014 wertete der Vere­in Opfer­per­spek­tive als ras­sis­tisch motivierte Straftat­en. Neben einem Gesam­tanstieg, ist auch die Zahl ras­sis­tis­ch­er Gewalt­tat­en deut­lich höher als im vor­ange­gan­genen Jahr. Die Aufzäh­lung geht weit­er: Mit 120.000 Zweit­stim­men und damit knapp 12 % zog die Alter­na­tive Für Deutsch­land (AfD) mit ihrem Anti-Asyl-Wahlkampf in den Land­tag ein und über­ragte die Ergeb­nisse der ras­sis­tis­chen NPD und DVU aus vorheri­gen Wahlen um Län­gen. Welche Gefahr noch dro­ht, zeigt sich bei der Analyse der ras­sis­tis­chen Facebook-Aktivitäten.
Ver­net­zung sicht­bar machen
Die Fülle von ras­sis­tis­chen Inhal­ten im Netz ist nicht über­schaubar. Inzwis­chen gibt es bun­desweit mehrere hun­dert Face­book-Seit­en, die sich gegen die Ein­rich­tung von Asy­lun­terkün­ften wen­den. Ihre Namen sind oft ähn­lich: Nein zum Heim X, Stadt Y wehrt sich oder schlicht Bürg­erini­tia­tive Z. Die Zäh­lung für das Land Bran­den­burg ergibt: 42 Face­book-Seit­en mit 47.636 »Gefällt-mir« Angaben richt­en sich gegen die Ein­rich­tung von Asylunterkünften.
Die pop­ulärsten Seit­en sind dabei die bei­den bran­den­burg­weit­en Seit­en Bran­den­burg wehrt sich (über 6.300 »Gefällt-mir«-Angaben) und Ein Licht für Deutsch­land gegen Über­frem­dung (knapp 5.000). Let­ztere wird dem Neon­azinet­zw­erk Licht und Schat­ten aus Pots­dam und Umge­bung zuge­ord­net. Die Neon­azis von Licht und Schat­ten pfle­gen enge Kon­tak­te zu Maik Eminger, Zwill­ings­brud­er des als NSU-Unter­stützer angeklagten André Eminger und inzwis­chen Bran­den­burg­er Sprech­er der Neon­azi­partei der III. Weg. Etwas weniger Klick­zahlen haben dage­gen die NPD-nahen Seit­en Nein zum Heim in Guben (über 3.600), Nein zum Heim in Oranien­burg (über 3.000) und Nein zum Heim Eisen­hüt­ten­stadt (über 2.700), gehören aber als lokalo­ri­en­tierte Seit­en zu den Spitzen­re­it­ern. In allen drei Städten fan­den bere­its ras­sis­tis­che Kundge­bun­gen statt. Die meis­ten anderen der 42 Face­book-Ini­tia­tiv­en haben unter 1.500 Klicks, viele ver­har­ren bei eini­gen Hun­dert »Gefällt-mir«-Angaben.
Neben der Zus­tim­mung lässt sich an den Dat­en eben­falls erken­nen, welche Ini­tia­tive auf andere Seit­en ver­weist, wodurch ein dig­i­tales Net­zw­erk sicht­bar wird. Wieder gehört Nein zum Heim in Guben zu den am meis­ten genutzten Seit­en: 14 der 42 Seit­en ver­weisen auf die Face­book-Ini­tia­tive aus der Gren­zre­gion. Dicht gefol­gt von ein­er weit­eren Gren­zs­tadt: Auf die Seite Frank­furt Oder wehrt sich ver­weisen zehn Bran­den­burg­er Face­book-Seit­en. Nein zum Heim in Oranien­burg (9), Nein zum Heim in Nauen (8) und Bran­den­burg­er für Mei­n­ungs­frei­heit und Mitbes­tim­mung (8) wer­den eben­falls häu­fig auf anderen Seit­en genan­nt. Alle Verbindun­gen haben wir in ein­er Grafik veranschaulicht.
Nein zum Heim in Guben
Es reicht allerd­ings nicht aus, die Klicks und Zahlen der dig­i­tal­en Zus­tim­mung zu zählen, ohne die Struk­turen dahin­ter anzuschauen. Bei der Analyse fällt eine Seite auf: Nein zum Heim in Guben erhält als Seite mit Lokalbezug die meis­ten Likes, postet mehrmals täglich und ist auch auf der Straße aktiv. Dabei hat Guben ger­ade ein­mal 17.600 Einwohner_innen. Wür­den nur Gubener_innen die Seite fre­quen­tieren, wurde es bedeuten, dass jede_r fün­fte die ras­sis­tis­che Ini­tia­tive unter­stützt. Doch die Ver­weise von anderen Face­book-Ini­tia­tiv­en nach Guben verdeut­lichen eine bran­den­burg­weite Aufmerk­samkeit. Sog­ar bun­desweit wer­den Ver­linkun­gen zu anderen Anti-Asyl-Seit­en, eben­so wie zu recht­en Seit­en wie Junge Frei­heit und Net­z­plan­et getätigt. Dass es sich bei der Nein zum Heim in Guben-Seite um eine NPD-nahe Seite han­delt, zeigt sich nicht nur an der Nutzung des NPD-Kam­pag­nen­l­o­go Asy­lanten­heim? Nein danke! als Titel­bild, son­dern auch anhand von Bericht­en über NPD-Kundge­bun­gen. Zulet­zt riefen die Ini­tia­torIn­nen der Face­book-Ini­tia­tive zu ein­er Kundge­bung im März diesen Jahres auf. Es han­delt sich um eine klas­sis­che NPD-Kundge­bung mit Funk­tionärIn­nen aus dem Oder­land und der Lausitz, eben­so wie Anhän­gerIn­nen der JN Bran­den­burg. Sowohl Aileen Rokohl, Press­esprecherin des NPD-Lan­desver­ban­des, als auch Lan­dess­chatzmeis­terin Manuela Kokott agi­tierten in ihren Rede­beiträ­gen im Sinne der NPD gegen die Auf­nahme von Geflüchteten in Guben. Vor 16 Jahren jagte eine Gruppe Neon­azis den algerischen Asyl­be­wer­ber Farid Guen­doul in Guben zu Tode. Der bis heute aktive Neon­azi und NPD-Funk­tionär Alexan­der Bode wurde damals als Haupt­täter verurteilt. Bode gilt als eine der zen­tralen Akteure der recht­en Szene in Guben. Auch für den 16. Mai ruft Nein zum Heim in Guben erneut zu ein­er Kundge­bung gegen Geflüchtete auf.
Ras­sis­tis­ches Poten­zial in Brandenburg
Ins­beson­dere die so genan­nten Nein zum Heim-Ini­tia­tiv­en ent­fal­ten ihr Poten­zial im Inter­net. Während son­st ein paar Dutzend, höch­stens aber 200 Men­schen auf die Straße gehen, eröffnet Face­book einen Blick auf das noch nicht aus­gereizte Poten­zial an Sym­pa­thisan­tInnen: Zwar lassen sich die über 47.000 »Gefällt-mir«-Angaben nicht eins zu eins in Per­so­n­en umrech­nen, denn viele NutzerIn­nen liken mehrere Seit­en zugle­ich oder nutzen mehrere Pro­file. Darüber hin­aus, gibt es im Inter­net Tipps, wie »Gefällt-mir«-Angaben erhöht und sog­ar gekauft wer­den kön­nen. Klar ist, die MacherIn­nen der ras­sis­tis­chen Seit­en haben ein Inter­esse, die Zahl der Klicks hochzuhal­ten. Wie hoch die genaue Anzahl der realen Per­so­n­en hin­ter den Likes ist, bleibt unklar. Sich­er ist: Mehrere tausend Per­so­n­en geben ras­sis­tis­ch­er Het­ze im Inter­net ihre Zustimmung.
Bran­den­burg ste­ht damit nicht allein da. Ins­beson­dere der Anstieg von Gewalt- und Straftat­en im Zusam­men­hang mit Unterkün­ften für Geflüchtete spiegelt eine bun­desweite Entwick­lung wieder.
Recht­es Land hat bere­its die recht­en Aufmärsche in der Bun­desre­pub­lik gezählt, rechte Gewalt in unter­schiedlichen Städten und Bun­deslän­dern kartiert und eben­so auf die Todes­opfer rechter Gewalt hingewiesen. Der Online-Atlas Recht­es Land ist mit neuem Lay­out und neuen Funk­tio­nen zu find­en auf www.rechtesland.de sowie inter­ak­tive Karten auf blog.rechtesland.de.
Sven­na Berg­er und Felix Hansen
Zum Artikel auf blog.rechtesland.de
Zu den Dat­en auf www.rechtesland.de
Sehr beliebt: Ver­linkun­gen von ras­sis­tis­chen Face­book-Ini­tia­tiv­en auf die Nein zum Heim in Guben-Seite.

Wildes Durcheinan­der: Die Lin­ien zeigen die Ver­weise von ras­sis­tis­chen Ini­tia­tiv­en untereinander.

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