(15.04.05) POTSDAM Um 15 Uhr sollte die Protestaktion “Grabsteinlegung” gegen die
Garnisonkirch-Grundsteinlegung beginnen, auf der anderen Seite der Breiten
Straße, Ecke Dortustraße. Doch da war noch nicht viel: ein Lancaster-Bomber
aus Pappmaschee, einige Flugblattverteiler, etliche Polizisten, dazwischen
Plakate wie “Mit Brecht gegen die Nazis” oder jenes, auf dem ein
sowjetischer und ein britischer Bomberpilot sich im Fluge die Hände reichen,
während ihre Bomben in Berlin einschlagen.
15.03 Uhr sauste ein Polizeikonvoi mit Blaulicht die Breite Straße entlang.
Um 15.05 Uhr erste Kostümierte in Uniformen, eine aus der Zeit Friedrichs
II., eine aus dem Kaiserreich, eine Wehrmachtsuniform, womit die Kontinuität
des preußischen Militarismus verkörpert sein sollte, wie bei den Darstellern
zu erfahren war. Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht kam mit einer
Mütze der DDR-Volksmarine und versicherte, dass er nur als Gast da sei. Um
15.12 Uhr gingen die Propeller des Papp-Bombers an, kurz darauf ein
Kassettenrecorder. Zu hören waren Sirenen, Flugzeugmotoren, Pfeifen,
Explosionen. “Fliegeralarm” stand als Titel auf der dazugehörigen
Kassettenhülle. Zu den Uniformierten hatte sich jetzt ein Mann in
Bundeswehrmontur gesellt mit einem Schild, auf dem “Vorsicht, Satire” stand.
Um 15.23 Uhr lupften sie das Tuch, das einen Grabstein aus Gussbeton
verhüllt hatte, in den das Wort “Versöhnung” eingraviert war. Um 15.28 Uhr
dann kam Musik vom Band: Variationen auf die Melodie “Üb immer Treu und
Redlichkeit”. Die Performance hatte begonnen. Sie begann damit, dass zwei
Leute mit Leichenmasken sich die Hand schüttelten. Unaufhörlich, in
unverkennbarer Anspielung auf den Händedruck Hitlers und Hindenburgs am Tag
von Potsdam. Dann trugen sie den Grabstein in kleiner Prozession auf die
andere Straßenseite, setzten ihn vor dem Fahrradladen ab in knapper Distanz
zur rasant wachsenden Festgesellschaft, die gleich den Grundstein feiern
sollte.
Am Deserteursdenkmal auf dem Platz der Einheit gedachte zur selben Zeit eine
Gruppe von gut 100 Jugendlichen auf ihre Weise des 60. Jahrestages der
Bombardierung Potsdams. Mit Transparenten wie “Alles Gute kommt von oben”
oder “Dank den Alliierten” und dazu passender Musik wie “TNT” von AC/DC,
später auch dem NDW-Klassiker “Erschießen” von Ideal: “Komm, wir lassen uns
erschießen…”