POTSDAM/HALBE Was mit der Neufassung des Versammlungsrechts auf Bundesebene
zu Jahresbeginn nicht gelungen ist, will die Brandenburger Landesregierung
nun mit einem neuen Gräbergesetz verhindern: dass sich das Dorf Halbe in
Dahme-Spreewald zu einem “Wallfahrtsort” für Rechtsextreme aus dem gesamten
Bundesgebiet entwickelt. Zum Volkstrauertag 2004 hatten sich dort 1600
Neonazis versammelt — doppelt so viele, wie die Polizei erwartet hatte. Für
die nächsten 20 Jahre haben Rechtsextreme schon weitere Kundgebungen jeweils
zum Volkstrauertag in Halbe angemeldet.
“Nach der parlamentarischen Sommerpause werden wir eine neue Rechtsgrundlage
haben, und ich bin sicher, dass wir danach in Halbe keine rechtsextremen
Demonstrationen mehr haben werden”, erklärt CDU-Generalsekretär Sven Petke.
Die Innenpolitiker der Fraktionen hätten den Gesetzesentwurf beraten, in
Kürze werde sich das Kabinett mit dem Vorhaben befassen, das auf die
Initiative von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zurückgeht.
Das Gräbergesetz, in dessen Entwurf “Halbe” nicht auftaucht, ist nichts
anders als eine “Lex Halbe”. Und selbst wenn in keiner Textpassage von
Rechtsextremisten die Rede ist, kann mit Hilfe der sieben Paragraphen
künftig vermutlich jede Neonazi-Demonstration auf dem Soldatenfriedhof in
Halbe samt näherer Umgebung verboten werden.
Nach dem “Gesetz zur Ausführung des Gräbergesetzes im Land Brandenburg”, wie
es amtlich heißt, sind Gräberstätten grundsätzlich als “Orte der stillen
Einkehr und des ungestörten Gedenkens” definiert, die “der Opfer von Krieg
und Gewaltherrschaft gewidmet” sind. Nur wer diesen “Widmungszweck” befolgt,
darf die Stätte betreten. Verletzt wird dieser Zweck schon durch Mitführen
bestimmter Gegenstände. Dazu zählen “Megaphone, Transparente oder Fahnen”,
erläutert Petke. Ein Betretungsverbot kann zudem auf Grund “sonstiger
Verhaltensweisen”, die “eine widmungsgemäße Nutzung der Gräberstätte
stören”, verhängt werden. Darunter ist militärisches Auftreten in
Marschformation ebenso zu verstehen wie das Abhalten von Appellen. Mit dem
Gräbergesetz werde verhindert, dass Neonazis in Halbe die Macht der Bilder
für sich nutzen, um in der Öffentlichkeit Eindruck zu machen, so Petke.
Die Einschränkungen gelten nicht nur für Deutschlands größten
Soldatenfriedhof, sondern auch für seine nähere Umgebung. Veranstaltungen,
die auf der Gräberstätte verboten sind, sollen auch in der Nachbarschaft
nicht erlaubt sein, heißt es sinngemäß in der Erläuterung des Gesetzes.
Ungewiss ist jedoch, ob Rechtsextreme in Halbe künftig gar nicht mehr
aufmarschieren, wenn ihnen der Weg zum Soldatenfriedhof versperrt bleibt.
Das Gräbergesetz kann Demonstrationen in der Gemeinde nicht grundsätzlich
verbieten, räumt Petke ein. “Aber was die brauchen, ist die Nähe zum
Friedhof, und wenn wir ihnen das nehmen, werden sie gehen.” Ein
Verdrängungseffekt in andere Orte im Berliner Umland ist laut Petke nicht zu
erwarten. “Ein zweites Halbe gibt es nicht.” Bei der Kesselschlacht von
Halbe vor 60 Jahren kamen etwa 60 000 Menschen ums Leben.
Im vergangenen Jahr hatten demokratische Parteien und Vereine zu einer
Gegenkundgebung aufgerufen, um die Neonazis in die Schranken zu verweisen.
Statt der erwarteten 2500 Demonstranten standen nur etwa 400 Personen den
1600 Neonazis entgegen.