Dienstagabend im Stadion der Freundschaft in Cottbus: Das Abspielen der
deutschen Nationalhymne vor dem Fußball-Qualifikationsspiel der
U‑21-Nationalmannschaften zwischen Deutschland und Polen ist für den
22-jährigen Enrico J. aus Vetschau willkommener Anlass, seine rechtsradikale
Gesinnung einem breiten Publikum zu zeigen. Demonstrativ erhebt er auf der
neuen Osttribüne seine rechte Hand zum Hitlergruß. Die Polizei hält die
Provokation mit einer Überwachungskamera fest.
Gestern Nachmittag im Amtsgericht Cottbus. In einem beschleunigten Verfahren
wird Enrico J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, weil er
das Symbol der Nazidiktatur in aller Öffentlichkeit gezeigt hat. Die Strafe
wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der junge Mann aus Vetschau mit fast kahl geschorenem Kopf macht auch vor
Gericht aus seinen Ansichten keinen Hehl. Den Kapuzenpullover, den er trägt,
ziert der Schriftzug der Marke “Lonsdale”, die wegen der Buchstabenfolge
“NSDA” für die nationalsozialistische NSDAP bei Rechtsradikalen beliebt ist.
Das Zeigen des Hitlergrußes will der 22-Jährige mit Dummheit und
Alkoholgenuss als Bagatelle abtun. Allerdings gibt er auf energische
Nachfragen von Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rupieper und Staatsanwalt
Thomas Grothaus zu, dass er seit sechs bis acht Jahren — so genau wisse er
das nicht mehr — “eine rechte Meinung” vertritt. Er sei gegen die
kriminellen Ausländer und wolle, dass die Deutschen ordentlich bezahlte
Arbeit bekommen und nicht die Ausländer. Im Sommer hätten doch nur Polen auf
den Äckern für viel Geld gearbeitet, während er für einen Euro Laub fürs
Sozialamt harken müsse, versucht er sein Denken zu begründen. J. hat die
zehnte Klasse absolviert, eine Berufsausbildung später abgebrochen.
Wer in das Denkschema nicht passt, der bekommt die harte Hand von Enrico J.
zu spüren. Im September 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Cottbus wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe und gemeinnütziger
Arbeit. Er hatte sich mit linken Jugendlichen, Punks, wie er sagt,
geprügelt.
Diesmal bekommt Enrico J. eine harte Hand zu spüren — die des Staates. “Wer
Symbole aus dem Nazireich zeigt, das viel Leid über die Völker gebracht hat,
der bringt Deutschland in Verruf. Das ist keine Dummheit sondern eine
Straftat”, begründet Amtsgerichtsdirektor Rupieper sein Urteil. Solch ein
Verhalten schade der Völkerverständigung und belaste das deutsch-polnische
Verhältnis. Das Urteil solle deshalb auch jene abschrecken, die wie Enrico
J. dumpfe rechtsradikale Ansichten verbreiten.