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Im Visier von Neonazis

Eine “Anti-Antifa-Liste” veröf­fentlicht Namen und Adressen von Linken im Inter­net. Einige von ihnen wur­den Opfer lebens­ge­fährlich­er Angriffe durch Nazis. Die wiederum beschuldigen nun die Linken

Die Über­schrift der Web­site ist ein­deutig. “Anti-Antifa-Net­work” nen­nt sich die öffentlich zugängliche Inter­net­seite. Ihr Inhalt ist brisant: Neon­azis aus Pots­dam und Berlin veröf­fentlichen hier die pri­vat­en Anschriften und Steck­briefe von Opfern rechter Gewalt­tat­en. Mit dabei: Ein 24-jähriger Link­er, der vor zwei Wochen von 15 Neon­azis in Pots­dam bru­tal über­fall­en wurde. Unter Rufen wie “Scheiß Zecke, dich mach ich alle!” hat­ten die Angreifer, die nachts in ein­er Straßen­bahn unter­wegs waren, die Not­bremse gezo­gen, als sie ihr Opfer auf der Straße sahen. Dann fie­len sie unver­mummt über den Betrof­fe­nen und dessen Begleit­er her. Die Recht­en schlu­gen ihre Opfer nieder, trat­en auf die am Boden Liegen­den ein und zer­schnit­ten dem 24-Jähri­gen mit ein­er abge­broch­enen Bier­flasche das Gesicht.

Eben­falls auf dem alpha­betisch sortierten Feindin­dex: Vier Linke aus Berlin, die im Som­mer 2001 nur knapp einem neon­azis­tis­chen Bran­dan­schlag auf die Bühne eines anti­ras­sis­tis­chen Fes­ti­vals in Königs Wuster­hausen entka­men. Sie waren im Mai diesen Jahres als Neben­kläger gegen zwei der Täter, darunter ein bekan­nter Aktivist der mil­i­tan­ten Neon­aziszene der Freien Kam­er­ad­schaften aus Berlin, aufge­treten (taz berichtete). “Die Anschriften der Neben­kläger, die von den Neon­azis veröf­fentlicht wer­den, kön­nen nur aus den Prozes­sak­ten stam­men”, sagt Recht­san­walt Daniel Wölky, der die Neben­klage vertreten hatte.

Doch die Neben­kläger sehen sich nicht nur mit der Preis­gabe ihrer Adressen im Inter­net kon­fron­tiert. Sie find­en sich auch in einem Kreis von neun Beschuldigten wieder, denen seit kurzem von der Jus­tiz vorge­wor­fen wird, am 1. Juni am Berlin­er Ost­bahn­hof eine Gruppe von fünf Recht­en ange­grif­f­en zu haben. Dabei sollen die Recht­en mit Reiz­gas und Schlagstöck­en über­fall­en und ver­let­zt wor­den sein. Unter den Zeu­gen der Ermit­tlungs­be­hör­den: Berlin­er und Pots­damer Neon­azis, die das mil­i­tante “Anti-Antifa”-Prinzip vertreten, darunter der 25-jährige Daniel L. Die Recht­en kamen an dem Tag von einem Prozess in Pots­dam. L. war dort mit zwei weit­eren Recht­sex­trem­is­ten wegen eines Bran­dan­schlags auf das alter­na­tive Pots­damer Wohn- und Kul­tur­pro­jekt “Chamäleon” zum Jahreswech­sel 2002/2003 angeklagt.

Zwei Tage nach der Auseinan­der­set­zung am Ost­bahn­hof verurteilte das Amts­gericht Pots­dam Daniel L. zu ein­er Haft­strafe von 14 Monat­en. Staat­san­walt Jörg Wag­n­er, der die Anklage gegen L. vertreten hat­te, sagte der taz auf Nach­frage, er könne sich nicht daran erin­nern, dass L. mit “Blessuren” zum Prozess gekom­men sei.

Experten beobacht­en seit zwei Jahren eine gezielte Strate­gie von Pots­damer und Berlin­er Neon­azis, sich öffentlich als Opfer darzustellen und gle­ichzeit­ig sowohl mil­i­tant gegen organ­isierte Linke vorzuge­hen als auch ihnen bekan­nte Linke bei den Sicher­heits­be­hör­den anzuzeigen. “Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Anschuldigun­gen um eine Retourkutsche gegen die Neben­kläger han­delt, weil sie sich exponiert haben”, sagt dann auch Recht­san­walt Wolf­gang Kaleck.

Der beken­nende Recht­sex­trem­ist Daniel L. scheint in der Wahl sein­er Mit­tel ohne­hin wenig zim­per­lich zu sein. Gemein­sam mit seinem Mitangeklagten aus dem Brand­s­tiftungsver­fahren gehört er auch zu der Gruppe von 15 Neon­azis, gegen die die Staat­san­waltschaft Pots­dam nun­mehr wegen ver­sucht­en Mordes nach dem Angriff auf den 24-Jähri­gen ermittelt.

Von ein­er “Gewalt­spi­rale zwis­chen links und rechts” ist die Rede, seit Anfang Juni in Pots­dam fünf junge Linke nach ein­er Auseinan­der­set­zung mit bekan­nten Neon­azis eben­falls unter dem Vor­wurf des “ver­sucht­en Mordes” festgenom­men wur­den. Ein stadt­bekan­nter Neon­azi hat­te bei der Auseinan­der­set­zung eine Kopf­platzwunde erlit­ten. In Pots­dam gibt es nun beim Polizeiprä­sid­i­um eine Son­der­ermit­tlungs­gruppe. In Berlin sagt ein Sprech­er des Staatss­chutzes beim Lan­deskrim­i­nalamt (LKA), man habe einen “sig­nifikan­ten Anstieg von Gewalt­de­lik­ten” zwis­chen Linken und Recht­en “im unteren zweis­tel­li­gen Bere­ich” im ver­gan­genen Jahr reg­istri­ert. Ent­ge­gen anders lau­t­en­den Mit­teilun­gen habe das LKA aber deshalb nicht eigens eine “Arbeits­ge­mein­schaft Links-Rechts” eingerichtet.

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