FÜRSTENWALDE — Wenn Irmela Schramm rechtsradikale Sprüche, Plakate und Aufkleber an Hauswänden, Bahnhöfen, Briefkästen oder Trafostationen bemerkt, juckt es ihr förmlich in den Fingern. “Ich kann nicht ruhig schlafen, ehe ich diese Schmierereien entfernt habe”, bekennt die 57-Jährige. Seit 1986 ist die grauhaarige, unscheinbar wirkende Berlinerin im gesamten Bundesgebiet unterwegs, um unermüdlich rassistische Spuren mit Aceton-Lösung, Spachtel oder Farbe zu beseitigen. Rund 3000 Euro investiert sie jährlich in ihr ehrenamtliches Engagement.
“Ich hatte schon immer einen Nerv gegen menschenverachtende Diskriminierung”, erklärt die gebürtige Stuttgarterin ihre Beweggründe. “Nazi-Schmierereien säen Hass und bereiten den Boden für rechtsextremistische Gewalttaten.” Und da ist Irmela Schramm so einiges gewöhnt. Doch 1995 brachte sie eine mit Hakenkreuzen dekorierte Skinhead-Kritzelei an einer Neuruppiner Bushaltestelle zunächst außer Fassung. “Da stehen Leute, warten auf den Bus und müssen sich so etwas anschauen”, schoss es Frau Schramm durch den Kopf. Sie fotografierte die Schmiererei, bevor sie die Wand des Wartehäuschens säuberte. Diese Vorgehensweise wurde der Sonderschul-Erzieherin zum Ritual. Die betroffen machenden Fotos — inzwischen sind es 6790 — fügte sie zu Collagen zusammen und präsentiert diese in Ausstellungen unter dem Titel “Hass vernichtet”. “Wer diese Schau gesehen hat, weiss, er muss etwas tun”, glaubt sie.
Eine Auswahl von 40 Schautafeln ist ab heute im Fürstenwalder Dom zu sehen. Es ist der Auftakt für eine Tour ihrer einzigartigen Ausstellung durch Ostbrandenburg. Beeskow, Frankfurt, Eisenhüttenstadt und Bad Freienwalde sind bis Mitte Juni weitere Stationen. Die Orte sind nicht zufällig gewählt. Gerade in Fürstenwalde und Frankfurt wurde die engagierte Berlinerin auf ihrer Suche nach braunem Schmutz immer wieder fündig, wie Aufnahmen von Schmierereien vom Fürstenwalder Bahnhof und aus Frankfurter Plattenbauvierteln belegen. “Der Verfassungsschutz hat allein in der Spreestadt acht rechtsorientierte Organisationen ausgemacht”, erklärt Gabi Moser vom Fürstenwalder Verein für Jugendhilfe und Sozialarbeit e.V. und verweist auf die immer wieder auftauchenden Plakate einer “Nationalistischen Widerstandsgruppe”. Im letzten Bundeswahlkampf kandidierte NPD-Chef Udo Voigt in Fürstenwalde. “Die Stadt ist voll von rechter Propaganda. Da hilft kein Wegschauen mehr”, erklärt Frau Moser ihre Motivation, die Schrammsche Ausstellung nach Fürstenwalde zu holen. Irmela Schramms Putz-Mission trifft nicht immer auf Zustimmung. Zahlreiche Ermittlungen und Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung oder der Zerstörung von Wahlplakaten hat sie bereits verkraften müssen, außerdem verbale und tätliche Angriffe sowie Beschimpfungen von Ordnungshütern. “Ein schönes Gefühl” erfüllt sie hingegen, wenn sie im Rahmen ihrer Ausstellung gemeinsam mit Schülern auf Pirsch geht, radikale Hinterlassenschaften an Wänden und Mauern aufspürt und entfernt.
“Die Jugendlichen laufen aufmerksamer durch die Straßen, sind für das Thema sensibilisiert”, sagt Frau Schramm. Sie vermutet, dass es nach dem gerade gescheiterten NPD-Verbot demnächst einen Aufschwung bei der rechten Propaganda geben wird. “Da habe ich wieder viel zu tun. Der Urlaub ist fürs Putzen schon verplant.”
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