(ANDREAS WENDT, MOZ) Eisenhüttenstadt — Nach den erneuten Ausschreitungen von Jugendlichen am zurückliegenden Wochenende haben sich Polizei und Stadtverwaltung gestern zu einer Krisensitzung getroffen, um der Lage Herr zu werden. Nach dem Überfall von Maskierten auf die Diskothek am Trockendock am Freitag vorletzter Woche belagerten an diesem Sonntagmorgen etwa 30 zum Teil volltrunkene Jugendliche nach einem Disko-Besuch im “Beat Club” das Wohngebiet in der Gubener Straße, die dortige Go-Tankstelle und die Fröbelringpassage.
“Sie haben auf unser Grundstück uriniert und ich habe mir Dinge sagen lassen müssen, die ich mein ganzes Leben nicht zu hören bekam”, sagt eine Anwohnerin aus der Gubener Straße nach einer schlaflosen Nacht. Ihren Namen möchte sie nicht veröffentlicht wissen — zuviel ist in den letzten Monaten schon passiert. Inzwischen vier Mal hat sie Anzeige bei der Polizei erstattet, nachdem betrunkene Diskothekenbesucher aus dem “Beat Club”, der ehemaligen Gaststätte “Oderwerft”, am frühen Sonntagmorgen das Leben der Anwohner zur Hölle machten. Kaputtgetretene Blumenkübel oder herausgerissene Balkonkästen sind noch geringfügige Schäden. “Ich bezweifle, dass die Jugendlichen nur vom Alkohol benebelt waren”, sagt die Anwohnerin und will jetzt eine Unterschriftenaktion initiieren. Wogegen? “Gegen den Lärm von der Disko”, sagt sie und ärgert sich zugleich über die Untätigkeit der Stadtverwaltung.
Noch viel schlimmer hat es Dietmar Adolph erwischt. Adolph ist Tankstellenpächter, bewirtschaftet u.a. die Aral-Tankstelle in der Karl-Marx-Straße. Seine Tochter führt die Geschäfte in der Go-Tankstelle in der Gubener Straße. Nachdem es schon seit Wochen Probleme mit angetrunkenen Disko-Besuchern gab, entschloss sich Adolph, die Tankstelle am Sonntag erst um 8 und nicht wie sonst um 6 Uhr zu öffnen, um die unerwünschte, alkoholisierte Kundschaft so abzuschrecken. “Wir haben schon nur über den Nachtschalter verkauft”, sagt Adolph. Aus gutem Grund, denn zuvor wurde dem Personal sogar Gewalt angedroht, als es sich weigerte, Getränke herauszugeben. Für den Tankstellenpächter ist das betrunkene Volk in der Auffahrt geschäftsschädigend. Wer Sonntag morgens frische Brötchen holen oder tanken will, meidet nach den Vorkommnissen vergangener Wochenenden diese Tankstelle. “Das bedeutet für uns: Weniger Kunden, weniger Einnahmen und wirkt sich irgendwann aufs Personal aus”, sagt Adolph.
An diesem Sonntag besteht die Gruppe, die gegen 8 Uhr erstmals im Malzweg auffällt, weil einige der Angetrunkenen und Bekifften (Polizei) auf eine Bushaltestelle klettern, aus etwa 25 Leuten. Die Polizei erteilt den Jugendlichen zunächst Platzverweise, doch nur einige folgen den Anweisungen. Elf Jugendliche im Alter von 23 bis 26 Jahren ziehen weiter in die Gubener Straße. Einer legt sich auf die Straße, so dass eine Pkw-Fahrerin ausweichen muss. Sie verständigt die Polizei, die erneut einschreiten muss. Die Jugendlichen stehen nach Polizeiangaben zum Teil auch unter Drogeneinfluss. Erneut spricht die Polizei einen Platzverweis aus, den die Jugendlichen befolgen.
Um 10 Uhr dann versammelt sich die Truppe aber erneut: an der Tankstelle in der Gubener Straße. Die Jugendlichen versuchen hier mehrmals Fahrzeuge auf der Straße anzuhalten. Die Kassiererin der Tankstelle fühlt sich bedroht und schließt alle Türen. Die Jugendlichen, bis auf eine Frau alles Männer, ziehen weiter in Richtung der Fröbelringpassage, wo sie damit beginnen, sich untereinander zu prügeln. Die Polizei fordert Verstärkung aus anderen Wachen und dem Bundesgrenzschutz an. Erst jetzt nehmen die Beamten sechs Personen fest, die bereits teilweise wegen Landfriedensbruchs auffällig waren. Gegen insgesamt elf Personen wird wegen Nötigung und Beleidigung ermittelt. Wachenleiter Wolfgang Schumann bringt die Vorkommnisse vom jüngsten Wochenende jedoch nicht mit der “Haed Core”-Truppe in Verbindung, die am 24. Juni das Trockendock überfiel. Hier soll es sich um die so genannten “EH-Chaoten” handeln. Schumann bittet zugleich, alle Verkehrsteilnehmer, die durch die Angetrunkenen gefährdet wurden, sich bei der Polizei zu melden.