Kampagne kritisiert Diffamierung von Opfern rechter Gewalt durch den Verfassungsschutzbericht
Die Potsdamer Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisiert auch den diesjährigen brandenburgischen Verfassungsschutzbericht.
Im Kapitel „Extremistische Gewalt – ein Jugendphänomen?“ konstruiert der Verfassungsschutz einmal mehr eine Gewaltspirale zwischen rechten und linken Jugendkulturen. Damit verkennt der VS, dass Nazis seit Jahren mit Gewalt, Bedrohung und Einschüchterung gezielt die Schaffung „national befreiter Zonen“ anstreben. Rechtsextreme Gewalt entsteht nicht einfach im Aufschaukeln von Situationen zwischen rechten und linken Jugendgruppen, sondern ist ein politisches Mittel zur Durchsetzung der Dominanz rechter Kultur in öffentlichen Räumen. Die Stadt Potsdam ist auch und gerade deshalb häufiger als manche andere brandenburgische Städte von rechtsextremen Übergriffen betroffen, weil sich rechte Jugendkulturen in Potsdam in vielen Räumen bislang nicht durchgesetzt haben.
Am 19.06.05 wurden zwei junge Männer, von denen einer ein T‑Shirt „Mein Freund ist Ausländer“ trug, in einer Straßenbahn ohne jede Vorwarnung von 25–30 Neonazis mit rechten Parolen beschimpft und zusammengeschlagen. Der VS bezeichnet die Opfer als „zwei Angehörige der linksextremistischen Szene“ (VS-Bericht 2005, S.19).
Auch der durch den Tram-Prozess bekannte Überfall von ca. einem Dutzend Nazis auf einen in der studentischen Antifa-Arbeit Aktiven und dessen (völlig unpolitischen) Begleiter am 3. Juli 05 in der Friedrich-Ebert-Straße wird im Bericht als Überfall auf „zwei Personen der linksextremistischen Szene“ dargestellt (VS-Bericht 2005, S.21).
Eine derartige Verzerrung von Tatsachen mag zwar der Untermauerung der Gewaltspiralenthese aus dem Hause Schönbohm dienlich sein – zur effektiven Bekämpfung des Rechtsextremismus trägt sie ganz sicher nicht bei. Vielmehr stempelt der VS-Bericht diejenigen, die (wie oft von der Landesregierung in Sonntagsreden gefordert) Farbe gegen rechtsextreme Tendenzen bekennen, als verfassungsfeindlich ab – und dazu gleich noch deren Begleitpersonen.
Nach der Logik des VS-Berichtes werden Opfer rechtsextremistischer Übergriffe pauschal mit den Tätern als extremistische Gefahr für die Gesellschaft dargestellt. Für diese Diffamierung genügt dem Verfassungsschutz das, was den Neonazis als Grund für die Übergriffe reicht: ein harmloses T‑Shirt, ein Engagement im AStA oder der bloße Kontakt zu solchen Leuten. Damit übernimmt die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde die diffusen Denkmuster rechter Schläger.
Wir fordern den Innenminister nebst seiner VS-Abteilung auf, die Diffamierung von Opfern rechter Gewalt zu unterlassen, uns mit unhaltbaren Erklärungsmustern für zunehmende Gewaltbereitschaft in Jugendkulturen zu verschonen und die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Tendenzen zumindest nicht weiter zu behindern.