Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisiert die Öffentlichkeitsarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Presse zu den Konflikten zwischen rechten und linken Jugendlichen in den letzten Wochen in Potsdam.
Entgegen der öffentlichen Darstellung hat die Zahl und Brutalität rechter Übergriffe in den letzten Monaten stark zugenommen. Immer häufiger wurden linke Jugendliche Opfer rechter Gewalt (siehe Anlage).
Leider wurden die meisten der Vorfälle durch die Polizei der Öffentlichkeit vollkommen verschwiegen, obwohl nach den der Kampagne vorliegenden Informationen alle dieser Übergriffe zu einem Polizeieinsatz geführt oder der Polizei bekannt waren.
Eine Veröffentlichung erfolgte nur in den Fällen, in denen sich Betroffene selbst an die Presse wandten (Ghettogether) oder die der Presse im Rahmen ihrer Berichterstattung bekannt wurden (Gerichtsprozesse).
Ganz anders agieren die Presseabteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen links. Der Übergriff am Nauener Tor wurde durch die Staatsanwaltschaft nicht etwa wie bei rechten Übergriffen als Körperverletzung, sondern als Mordversuch (!!!) eingestuft. Den Innenminister, der bei den rechten Übergriffen keine Notwendigkeit sah, öffentliche Erklärungen abzugeben, hievte den Vorfall auf die Titelseite der Regionalpresse.
Die Kampagne warnt die Polizei und die Lokalpresse davor, durch einseitige Berichterstattung, das Klima weiter anzuheizen und in den linken Jugendmilieus der Stadt das Gefühl zu stärken, aus politischen Gründen besonders starker polizeilicher Verfolgung ausgesetzt zu sein.
In der Sondersitzung des Beirates des Lokalen Aktionsplanes gegen Rechtsextremismus … habe ich das Thema bereits angesprochen. Sollte sich die Polizei dennoch weiter als beratungsresistent erweisen und eine umfassende Information über die Zunahme rechter Gewalt in Potsdam verweigern, werde ich überdenken, ob eine Zusammenarbeit mit Stadt und Polizei gegen rechte Gewalt künftig noch sinnvoll ist oder ob ich mein Mandat im Beirat niederlegen werde.
Rechte Übergriffe in Potsdam
(nicht vollständig, da nur durch die Kampagne recherchierte Fälle aufgenommen wurden)
14.5.05
20 Nazis provozieren beim letzten Heimspiel des SV Babelsberg 03 gegen SV Yesilyurt mit einem Transparent „Ey ihr Zecken, Eure Eltern sind Geschwister“.
21.5.05
Organisierte Angriffe von vermummten Nazis mit Schlagstöcken bei der Babelsberger Livenacht.
01.6.05
Erster Prozesstag wegen des Angriffs auf Chamäleon vor dem Potsdamer Amtsgericht mit massiver Nazipräsenz (Einschüchterung von Zeugen und Rangeleien)
03.6.05
Zweiter Prozesstag Chamäleon (eine angemeldete Schulklasse wird von Nazis nicht in den Gerichtssaal zum Besuch der öffentlichen Verhandlung gelassen)
07.6.05
Flaschenwürfe auf eine Wohnung, an der ein antirassistisches Transparent hängt und ein Hausprojekt
11.6.5
Beim „Ghettogether“-Festival am Schlaatz tauchen zweimal Gruppen von Nazis auf und schüchtern die mit dem Abbau beschäftigten Leute ein (Polizei erteilt Platzverweise)
12.6.5
Mehrere Berliner Nazis versuchen in das Chamäleon einzudringen.
13.06.05
Letzter Prozesstag Chamäleon (Nazis versuchen zum Chamäleon zu gelangen.)
Morgens werden 3 Linke im Hauptbahnhof von vermummten Rechten angegriffen; sie sollen versucht haben die Opfer über das Geländer bei den Rolltreppen zu werfen.
Nachmittags ist ebenfalls am Hauptbahnhof ein Jugendlicher von 3 Tätern bedroht
worden. Er sollte seine Aufnäher abmachen und wurde geschubst.
15.6.5
Am Platz der Einheit kommt es mehrfach zu Rangeleien zwischen Linken und Rechten; im Verlauf wurde eine Gaspistole von einem Rechten gezogen.
Abends wurde eines der Opfer vom 13.6. früh aus dem Radeberger Treff im Hauptbahnhof heraus verfolgt und bedroht, konnte sich aber in die S‑Bahn-Info
retten.
18.6.05
Bei einer Party der studentischen Verbindung Corps Masovia kam es zu Pöbeleien gegen einen Linken.
Zwei Besucher des antirassistischen Stadionfestes wurden in einer Tram in Babelsberg von etwa 10 Nazis angegriffen, geschlagen und verletzt. Der Fahrer ruft die Polizei.
19.6.05
Eine größere Gruppe Nazis hielt sich beim Stadtwerkefest im Lustgarten auf. Darunter befindet sich auch das Opfer, das am Tag zuvor am Nauener Tor noch fast von Linken ermordet worden sein soll.
24.06.05
Nach der Anzeige eines rechten Übergriffes werden die Opfer aus dem gleichen Täterkreis erneut angegriffen. Die Polizei nahm 2 der Täter in Gewahrsam und leitete Strafverfahren ein.
03.7.05
In der Nacht zum Sonntag wurden in der Friedrich- Ebert Str. zwei offensichtlich der linken Szene zugehörige junge Männer aus einer Straßenbahn heraus von ca. 15 Nazis mit Flaschen angegriffen und zum Teil erheblich verletzt, nachdem diese die Notbremse zogen und die Tür gewaltsam geöffnet hatten. Beide Opfer mussten mehrere Tage stationär behandelt werden, eines befindet sich noch im Krankenhaus! Acht Nazis wurden festgenommen.