Auch der heutige Abend stand, wie so oft in den letzten Tagen und Wochen, voll und ganz im Fokus der Diskussion zur Aufnahme von neuen Flüchtlingen. Da deren Anzahl weiterhin steigt, sind die jeweiligen Administrationen bestrebt, ihnen die vom Gesetzgeber zugesicherten Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
Auch die Landkreise in Brandenburg stehen hier in der Pflicht. Gestern wurde über einen geplanten neuen Standort in Schönwalde-Glien (Landkreis Havelland) informiert, heute die Einwohner_innen des Lehniner Ortsteils Damsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Beide Gemeinden verbindet der ländliche Siedlungscharakter und die Abwesenheit urbaner Infrastrukturen. Allerdings gibt es an beiden Orten große, ungenutzte Flächen die für die temporäre Bebauung sowie für die Nutzung als Unterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge geeignet sind. Auch wenn dies nicht unbedingt dem Idealfall einer Wohnunterbringung entspricht.
Während im Havelland aber ein Neubau geplant ist, wird der Landkreis Potsdam-Mittelmark einen 2004 geschlossenen Kasernenstandort nutzen. Dieser befände sich, laut Kreisverwaltung, in einem guten Zustand.
Resolution der Gemeinde
600 Asylsuchende und Flüchtlinge sollen hier einmal untergebracht werden. Eine Anzahl, welche die Gemeindeverwaltung Kloster Lehnin für sehr bedenklich hält.
In einer heute verlesenden Resolution fordert die Gemeinde eine Beschränkung der Flüchtlingszahl auf 200 Menschen sowie eine Verteilung der übrigen Personen auf andere Standorte. „Im Verhältnis zur Größe des ca. 1.500 Einwohner starken Ortes Damsdorf ist für 600 hilfesuchenden Menschen eine offene nachhaltige Willkommenskultur nicht umsetzbar“, so die schriftlich niedergelegte Position der Gemeindevertretung.
Andererseits will sich Kloster Lehnin, gemäß Resolution, aber auch der „gesellschaftlichen Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern/Flüchtlingen“ nicht entziehen, sondern wird sich ihr eben doch stellen.
Zwischen Ablehnung und Willkommen
Dennoch war die Anspannung bei den ungefähr 300 Bürger_innen auf der Einwohner_innenversammlung in einer Schulsporthalle deutlich anzumerken. Abermals, wie auch an vielen anderen Standorten, prasselten wieder diverse Ängste und Vorurteile auf die im Podium sitzenden Verwaltungsangestellten und Amtsträger. Alle vier Ansprechpartner, Gertrud Meißner und Thomas Schulz von der Landkreisverwaltung sowie Bernd Kreykenbohm (Bürgermeister von Kloster Lehnin) und Uwe Brückner (Ortsvorsteher Damsdorf), machten allerdings einen sehr kompetenten Eindruck und beantworten geduldig alle Fragen. Die Mehrheit der Menschen im Saal zu gewinnen fiel aber auch ihnen schwer. Immer wieder aufs Neue wurden Sicherheitsbedenken, zuweilen Sozialneid aber auch ein tiefes Unverständnis für die Arbeit der Verwaltung in Gemeinde und Landkreis artikuliert. Viele der Anwesenden schienen sich überhaupt zum ersten mal mit Kommunalpolitik auseinanderzusetzen.
Allerdings gab es auch hier in Damsdorf Wortmeldungen von Menschen, die sich für die Flüchtlinge einsetzen wollen. Einige von ihnen trugen sich im Anschluss an die Veranstaltung sogar in Listen für die Unterstützung einer „Willkommensinitiative“ ein.
Petition und Flugblätter gegen das Heim
Unterschriftenlisten sammeln jedoch momentan auch die Gegner_innen der geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge. Im Internet existiert dazu eine „openpetion“, in der sich bisher 191 Personen, davon 143 aus dem gesamten Landkreis Potsdam-Mittelmark, eingetragen haben. Auch André Schär, Kreistagsabgeordneter der NPD, hat sich in dieser Liste eingetragen. Er war auch heute mit einigen NPD Sympathisant_innen, Funktionären des „dritten Weges“ sowie einigen lokalen Protagonisten der ehemaligen Blood&Honour Szene vor Ort. Dem Großteil der organisierten Neonazis, ungefähr 20 Personen, wurde jedoch der Einlass zur Veranstaltung verwehrt. Mitglieder des „dritten Weges“ positionierten sich daraufhin aber mit ihren Parteishirts im Eingangsbereich und verteilten Flugblätter dieser neonazistischen Kleinpartei. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es jedoch nicht.
Neben dem mittelmärkischen Neonazimilieu war übrigens auch die rechtskonservative AfD durch ihren Landtagsabgeordneten Steffen Königer aus Werder (Havel) vertreten. Dieser hielt sich jedoch ebenso zurück und beschränkte sich aufs beobachten und Kontakte knüpfen.
Fotos: hier
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