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Antifaschismus

Schönwalde-Glien: Gereizte Stimmung bei Einwohnerversammlung zu Asylunterkunft / Neonazis provozierten

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Wolf­gang Gall, Sozialdez­er­nent des Land­kreis­es Havel­land, ist am gestri­gen Abend in Schönwalde/Glien nicht zu benei­den. Er ist sichtlich angenervt von dem immer wieder gle­ichen Vorurteilen, die ihn bei jed­er Ein­wohn­erver­samm­lung zur Ein­rich­tung von Gemein­schaft­sun­terkün­ften von Asyl­suchen­den und Flüchtlin­gen ent­ge­gen­schla­gen. Einige Queru­lanten, z.B. ein ehe­ma­liger Polizeibeamter aus West-Berlin ken­nt er inzwis­chen per­sön­lich. Bei anderen wech­seln die Gesichter. Die Äng­ste und Vorurteile aber bleiben: Warum wur­den die Einwohner_innen nicht gefragt? Warum kom­men nur Män­ner? Wir haben Angst um unsere Kinder. Um nur einige Punkt zu nennen.
Trotz der Rou­tine die eigentlich herrschen müsste, wirkt Gall gestern etwas schlecht vor­bere­it­et. Zwar kon­nte er zu allen Punk­ten etwas sagen, im Detail wirkt er jedoch zu oft blass, von den Fragestellern überrollt.
Unum­strit­ten ist jeden­falls das im Schön­walder Gewer­bege­bi­et eine Gemein­schaft­sun­terkun­ft für Asyl­suchende und Flüchtlinge gebaut wer­den soll. Geplant sei es, dort, ab Novem­ber 2015, unge­fähr 400 Men­schen unterzubrin­gen. Bessere, schneller zur Ver­fü­gung ste­hende und gle­ichzeit­ig preis­gün­stige Woh­nun­terkün­fte seien, gemäß Her­rn Gall, zurzeit nicht beschaff­bar. Auch bei der Lage des Objek­tes, außer­halb der Ortschaft, mit­ten in einem Gewer­bege­bi­et, in unmit­tel­bar­er Nähe eines Paint­ball­spielfeldes für Freizeit-Paramil­itärs scheint der Land­kreis keine Bedenken zu haben bzw. am Ende sein­er Optio­nen zu sein. Immer­hin wurde ver­sprochen den Rad­weg vom Dorf bis zum Heim zu ver­längern und eine Busan­bindung zu schaf­fen. Die ärztliche Ver­sorgung solle zudem durch ein Ärztez­im­mer sowie Ein­rich­tun­gen in Nauen und Falkensee garantiert wer­den. Polizei soll im Bedarfs­fall aus Falkensee und Hen­nigs­dorf ange­fordert wer­den. Neue Einkaufmöglichkeit­en soll es hinge­gen nicht geben.
Dies waren aber nur einige Dinge die den sichtlich gereizten Bürger_innen unter den Nägeln bran­nten. Viele woll­ten konkrete Tipps zur Inte­gra­tion. 400 Men­schen in eine Dor­fge­mein­schaft zu inte­gri­eren ist eben doch eine Her­aus­forderung. Schnell kom­men Fra­gen nach Kita- und Schulplätzen, zusät­zlichen Erzieher_innen und Lehrer_innen. Außer­dem soll es im Ort kaum Vere­ine, die den Flüchtlin­gen eine Per­spek­tive geben kön­nten, existieren. Ander­er­seits ist Schön­walde-Glien eine Gemeinde aus sieben Ort­steilen in denen ins­ge­samt 9.108 Einwohner_innen leben, mehr als in so manch­er Kle­in­stadt mit Flüchtling­sun­terkun­ft im Kreis. Eine Orts­beirätin aus Per­wer­nitz regte deshalb auch eine engere Zusam­me­nar­beit an. Ein Wille zur Auf­nahme von Flüchtlin­gen und Asyl­suchen­den war also am gestri­gen Abend dur­chaus vorhan­den. Es fehlte anscheinend allein die Überzeu­gungskraft der bei­den Land­kreis­mi­tar­beit­er, im Angesicht der bis zu 300 Zuschauer_innen. Zwar war auch noch ein Vertreter der Polizei als Gas­tre­f­er­ent anwe­send und der Bürg­er­meis­ter von Schön­walde als Mod­er­a­tor tätig, weit­ere wichtige Per­so­n­en, die von ihren Erfahrun­gen mit der Betreu­ung von Flüchtlin­gen und Asyl­suchen­den im Land­kreis bericht­en kön­nten, wie z.B. Heimleiter_innen der beste­hen­den Unterkün­fte oder der/die Ver­ant­wortliche für das kün­ftige Heim in Schön­walde-Glien fehlten. Dies lief bei ähn­lichen Ver­anstal­tun­gen in anderen Land­kreisen, wie Ost­prig­nitz-Rup­pin und Pots­dam-Mit­tel­mark, oder kre­is­freien Städten, wie Bran­den­burg an der Hav­el, deut­lich bess­er ab.
Recht­skon­ser­v­a­tive und Neon­azis stören Veranstaltung
Die Gegner_innen der Gemein­schaft­sun­terkun­ft waren indes offen­bar bess­er vor­bere­it­et. Der ehe­ma­lige AfD-Press­esprech­er für den Land­kreis Havel­land, Ger­ald Hüb­n­er, verteilte beispiel­sweise vor Beginn der Einwohner_innenversammlung Flug­blät­ter, die sich gegen eine „Dauer-Willkom­men­skul­tur­pro­pa­gan­da“ sowie die „massen­hafte unges­teuerte Ansied­lungspoli­tik zukün­ftiger Nicht­deutsch­er“ richtet.
Der ehe­ma­lige havel­ländis­che Kreistagsab­ge­ord­nete und Nauen­er Stadtverord­neter, Maik Schnei­der (NPD), kon­nte sich mit einem Sym­pa­thisan­ten vor dem Fen­ster des Sitzungssaales postieren und dort ein Ban­ner mit der Auf­schrift: „Wir sagen nein zum Asy­lanten­heim“ zeigen. Eine ähn­liche Aktion hat­te er bere­its am 12. Feb­ru­ar 2015 bei ein­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung in Nauen ver­anstal­tet. Dort war die Sit­u­a­tion anschließend so eskaliert, dass der Saal polizeilich geräumt wer­den musste. Gegen Schnei­der sollen dies­bezüglich polizeiliche Ermit­tlun­gen wegen Land­friedens­bruch laufen. Dies hielt ihn jedoch gestern nicht davon ab in Schön­walde zu erscheinen.
Bei der Einwohner_innenversammlung eben­falls anwe­send war der Schön­walder NPD Gemein­der­at Burkhardt Sah­n­er. Er nutzte die Frages­tunde um hin­sichtlich der Finanzierung der Unterkün­fte zu polemisieren und bekam dafür tosenden Applaus von einem Großteil des Pub­likums. Anson­sten blieb die anwe­sende NPD, neben Schnei­der und Sah­n­er war auch Frank Kit­tler aus Briese­lang da, eher ruhig. Lediglich Franz Pop­pen­dieck, ehe­ma­liger Leit­er des NPD Ortsver­ban­des Brandenburg/Havel pöbelte öfters in den Saal und musste vom Bürg­er­meis­ter zur Ord­nung gerufen wer­den. Pop­pen­dieck soll sich inzwis­chen den „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ zuge­wandt haben, die gestern eben­falls mit unge­fähr 15 Sympathisant_innen vor Ort waren. Allerd­ings trat die Gruppe nicht als Block auf, son­dern hat­te sich in „ziv­il“ im ganzen Saal verteilt. Durch einzelne Zwis­chen­rufe von den Sympathisant_innen der „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ ent­stand so der Ein­druck, dass im Ort eine bre­ite Ablehnung gegenüber Flüchtlin­gen und Asyl­suchende herrscht.
Verun­sicherung und Hoffnung
Allerd­ings war die Mehrheit der ablehnen­den Stim­men, die ord­nungs­gemäß mit dem Mikro das Wort ergrif­f­en, nicht unbe­d­ingt auf die Anwe­sen­heit der region­al aktiv­en Neon­aziszene zurück­zuführen. Ins­beson­dere Bürger_innen aus Berlin, die von ihren ange­blich schlecht­en Erfahrun­gen mit Asyl­suchen­den in Steglitz und Rudow berichteten und diesen krim­inelles Ver­hal­ten unter­stell­ten, putscht­en die Stim­mung immer wieder auf. Dass der Land­kreis Havel­land, wie auch Wolf­gang Gall noch ein­mal betonte, bish­er hinge­gen völ­lig kon­träre, pos­i­tive Erfahrun­gen mit Flüchtlin­gen zu haben und dies auch durch die polizeiliche Krim­i­nal­sta­tis­tik bele­gen könne, inter­essierte aber offen­bar nur wenig. Dif­fuse Angst war bei vie­len Einwohner_innen spür­bar. Ein Mann erkundigte sich sog­ar, ob es noch möglich sei Ein­spruch oder Klage gegen das Vorhaben des Land­kreis­es zu erheben. Ein ander­er forderte einen Volk­sentscheid zur Auf­nahme von Flüchtlingen.
Den­noch gab es auch Stim­men, die sich für die Auf­nahme von Asyl­suchen­den aussprachen. Viele wären ange­blich dur­chaus bere­it eine kleinere Zahl Flüchtlinge, genauer gesagt bis zu 200, aufzunehmen, 400 schien den meis­ten jedoch zu viel. Auch der Bürg­er­meis­ter schien dies­bezüglich auf kün­ftige Ver­hand­lun­gen mit dem Land­kreis zusetzen.
Andere Wort­mel­dun­gen sahen die erwartete Zahl der Flüchtlinge offen­bar wenig drama­tisch. Ein Mann, der noch dass Ende des zweit­en Weltkrieges miter­lebt, Not gelit­ten hat­te und selb­st auf der Flucht war, sprach sich sehr deut­lich für die Auf­nahme aller ver­fol­gten Men­schen auf. Eine junge Frau rief zu dem dazu auf, endlich Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, anzu­pack­en und die kün­fti­gen neuen Nach­barn in Schön­walde tatkräftig zu unterstützen.
Fotos: hier

Eine Antwort auf „Schönwalde-Glien: Gereizte Stimmung bei Einwohnerversammlung zu Asylunterkunft / Neonazis provozierten“

Sehr geehrte Frau Hesse,
Infori­ot stellt Alter­na­tive Ter­mine und News für Bran­den­burg zur Ver­fü­gung, ist also, banal gesagt, eine Pressepub­lika­tion und keine Organ­i­sa­tion die Poli­tik macht. Der Artikel, der Ihnen auf­stößt, wurde im Übri­gen auch nur von uns ver­linkt. Sie ges­tat­ten dem Ver­fass­er doch Bitte seine freie Mei­n­ungsäußerung. Wenn Sie eine andere Sicht der Dinge haben, tolerieren wir das. Es ste­ht Ihnen auch völ­lig frei auf ein­er Ihnen genehmen Seite Ihre Mei­n­ung zu pub­lizieren. Wir hal­ten jedoch den Autor des Artikels für vol­lkom­pe­tent und wer­den ihm auch weit­er­hin erlauben seine Augen­zeu­gen­berichte hier zu veröf­fentlichen. Danke für Ihr Verständnis.

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